Das 42. Filmfestival Max Ophüls Preis wurde mit einem Dokumentarfilm eröffnet, in dem Luca Lucchesi unaufgeregt, aber empathisch das Miteinander der Bewohner des sizilianischen Städtchens Siculiana und afrikanischer Flüchtlinge beschwört.
In raumgreifenden Luftaufnahmen in Cinemascope-Format fängt die Kamera, für die auch Regisseur Luca Lucchesi verantwortlich zeichnet, immer wieder das malerisch am Meer gelegene sizilianische Städtchen Siculiana ein. Dominiert wird die Ansiedlung, die ihren alten Charme bewahrt hat, von der Kirche in der ein schwarzer Jesus verehrt wird. Die Religion spielt hier noch eine große Rolle und einer der Höhepunkte des Jahres ist die alljährliche große Prozession am 3. Mai, bei der diese Holzstatue durch die Stadt getragen wird.
Fasziniert von dieser Statue ist auch der afrikanische Flüchtling Edward, der in einem Flüchtlingszentrum lebt, das in der nahen Villa Sikania eingerichtet wurde. Gleich zu Beginn erklärt er einem Mitflüchtling die seltsame Ambivalenz, dass die Bevölkerung zwar diesen schwarzen Jesus verehrt, die afrikanischen Flüchtlinge aber ablehnt.
Wie verschieden die Lebenswelten sind, die hier aufeinandertreffen, wird sichtbar, wenn Lucchesi einerseits in den Dorfalltag eintaucht, andererseits, getrennt davon, sich immer wieder dem Alltag der Flüchtlinge widmet. Wenn die Kamera durch die Gassen gleitet, mal einem Obsthändler folgt, bald fünf Frauen in ihrer Wohnung zuhört oder auch bei einem Friseur vorbeischaut, bei dem unterschiedliche Meinungen zu den Flüchtlingen aufeinandertreffen, spürt man, das Naheverhältnis Lucchesis zu dieser Region: Der verstorbene Vater des 1983 in Palermo geborenen Regisseurs stammte aus Siculiana und ihm und den Bewohnern dieser Kleinstadt hat er seinen Dokumentarfilm auch gewidmet.
Bei einem Sprachkurs, bei dem sich der Lehrer mit großem Einsatz für die Flüchtlinge engagiert, ist Lucchesis Kamera ebenso dabei wie in einer Schule, in der zunächst über das Verhältnis der Einheimischen zu den Flüchtlingen diskutiert wird und in die später auch einige Flüchtlinge zu einer Diskussion eingeladen werden.
Voll Sympathie blickt Lucchesi, der das Drehbuch zusammen mit seiner Frau Hella Wenders schrieb. deren berühmter Onkel Wim als Produzent gewonnen werden konnte, nicht nur auf die Flüchtlinge, sondern auch auf die Sikulianeser. Während der eine davon erzählt, wie er in den 1960er Jahren der Arbeit wegen selbst nach Deutschland emigrierte, und der Lehrer des Sprachkurses der Bevölkerung bewusst machen will, wie bereichernd die Aufnahme von Fremden sein kann, äußern andere Ängste und wieder andere wollen die Flüchtlinge möglichst schnell loswerden.
Bewegung kommt in den zwar prächtig gefilmten, mit seinen Postkartenansichten aber auch allzu glatten Film mit dem Wunsch Edwards und seiner drei Freunde selbst zu den Trägern des schwarzen Jesus zu zählen. Von den getrennten Lebenswelten bewegt sich "A Black Jesus" so gezielt auf ein Miteinander zu, wenn Edward mit seinem Sprachlehrer beim Priester vorspricht und schließlich bei einer Sitzung des Organisationskomitees dem Wunsch der Afrikaner stattgegeben wird.
Als beglückenden Moment schildert Lucchesi diese Prozession, bei der die Flüchtlinge mitten unter die Einheimischen aufgenommen sind. Eindrücklich wird hier beschworen, dass statt dem Trennenden das Verbindende des Mensch-Seins im Zentrum stehen muss und dieser Jesus, der wohl auch für die Welt stehen soll, nur gemeinsam getragen werden kann.
Ein starkes und einprägsames Statement gegen Nationalismus und Abschottung wird damit gesetzt. Doch so positiv und hoffnungsvoll diese Szene auch ist, so wirft der Epilog das Publikum mit der Schließung des Flüchtlingslagers und der Verlegung der Protagonisten doch wieder auf den Boden der Realität zurück.
Ganz ohne Kommentar und Inserts kommt Luca Lucchesi aus. Die Flüchtlingsthematik mag dabei das Movens sein, gleichzeitig zeichnet der Film aber auch ein stimmiges Porträt dieser sizilianischen Kleinstadt, die durch die Abwanderung aufgrund von mangelnden Arbeitsmöglichkeiten gefährdet ist und der folglich Zuwachs durch Migranten nur gut täte. Schade ist allerdings, dass man aufgrund des schnellen Wechsels der Szenen und des Verzichts auf Hintergrundinformationen weder den Sikulianesern noch den Flüchtlingen wirklich nahe kommt und sie einem doch ziemlich fremd bleiben.
"A Black Jesus" soll im Frühjahr in den österreichischen Kinos (Verleih: Filmdelights) und in Deutschland (Verleih: Filmwelt Verleihagentur) anlaufen.
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Trailer zu "A Black Jesus"
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