Die Stärke der Viennale ist auch die große Vielfalt, die geboten wird: Der Bogen spannt sich von filmhistorischen Specials über Vorpremieren großer Festivalerfolge und österreichischer Filme bis zu eigenwilligen Debüts.
Unter dem Titel "Keine Angst" bietet das Filmarchiv Austria beispielsweise eine Filmreihe zum österreichischen Kino der 1980er Jahre. Hier kann man unter anderem Walter Bannerts "Die Erben" (1983) wiederentdecken.
Die Geschichte um zwei Jugendliche, die in rechtsradikale Kreise geraten, ist zwar sehr holzschnittartig und ohne Zwischentöne inszeniert und auch die schauspielerischen Leistungen lassen teilweise sehr zu wünschen übrig, aber dennoch bietet dieser Spielfilm einen spannenden Einblick in das österreichische Kino dieser Zeit und damals virulente Themen.
Zu den großen Österreichpremieren der heurigen Viennale zählt sicher Adrian Goigingers "Rickerl". Nach seiner autobiographischen Kindheitsgeschichte "Die beste aller Welten", der Felix Mitterer-Verfilmung "Märzengrund" und dem Zweiten Weltkriegsfilm "Der Fuchs" bietet der Salzburger hier dem Wiener Musiker Voodoo Jürgens eine große Bühne. In jeder Szene ist Jürgens präsent, ganz aus dem von ihm gespielten erfolglosen Musiker Erich "Rickerl" Bohacec wird erzählt.
Atmosphärisch dicht lässt Goiginger in die Wiener Beisl-Szene und das randständige Leben Rickerls, der die Beamtin vom Arbeitsmarktservice zur Verzweiflung treibt, eintauchen. Den Job als Leichenbestatter verliert er ebenso rasch, nachdem er auf dem Friedhof ein Privatkonzert veranstaltet hat und ein Schädel aus seinem Rucksack gerollt ist, wie den Job in einem Sex-Shop.
Aber Rickerl ist darüber ja auch ganz froh, denn lieber sitzt er sowie bei einem G´spritzten im Beisl oder widmet sich seiner Musik. Seine Songs hält er aber leider nur in handschriftlichen Skizzen fest, die er in seinem Gitarrenkasten aufbewart, während sein in einem ziemlich unordentlichen Keller sitzender Manager doch für die Aufnahme eines Demo-Bands zumindest auf der Schreibmaschine getippte Songs benötigt.
Dazu kommt noch sein achtjähriger Sohn Dominik, der mit Rickerls Ex-Freundin mit ihrem deutschen Partner in einer schicken Villa in Hitzing wohnt. Immer wieder darf sich Rickerl um diesen am Wochenende kümmern, doch nimmt er es mit den väterlichen Aufgaben dabei nicht so genau und behandelt Dominik eher als gleichrangigen Kumpel.
Wie "Rickerl" mit dem erfolglosen Musiker, aber auch mit dem Produzenten an "Inside Llewyn Davis" der Coen-Brüder erinnert, so nimmt Goiginger mit der Vater-Sohn-Geschichte wiederum ein Thema seines Debüts "Die beste aller Welten" auf, in dem er von seiner Kindheit mit seiner drogensüchtigen Mutter erzählte.
Wichtiger als stringente Handlungsführung sind dem Salzburger dabei stimmige Szenen und authentische Typen. Hier hat der sichtlich mit Liebe gedrehte Film seine Qualitäten und sorgt mit seiner Empathie für diesen Protagonisten, der sein Leben nicht auf die Reihe kriegt, und die mit ihm befreundeten Underdogs, die ebenfalls mit Vorliebe in Beisls sitzen, für ein warmherziges und von Humor durchzogenes, leichthändig-locker inszeniertes Filmvergnügen.
Sperrigere Kost ist da schon das Spielfilmdebüt der deutschen Filmemacherin, Performance-Künstlerin und Theaterdirektorin Martha Mechow. In "Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin" schickt Mechow eine junge Frau auf die Suche nach ihrer älteren Schwester und landet dabei bald in einem hippiesken Mutter-Kind-Resort auf Sardinien.
Der Handlungsfaden ist dabei aber nur Vorwand, um in verspielt-poetischer Inszenierung über Mutterschaft, die Rolle der Frau in Bibel und Kirche oder Liebe und Beziehungen in den Romanen von Jane Austen zu diskutieren. Im Voice-over wird in Reimen kommentiert, Männern wird eine Absage erteilt und Frauen pochen auf ihre Unabhängigkeit. – Verwirrend und teilweise auch anstrengend ist das zwar, aber in seinem Einfallsreichtum und in der Unbekümmertheit auch erfrischend mutig und aufregend, und kann, wenn man sich darauf einlässt, Fantasie und Gedanken anregen.
Weitere Viennale-Berichte: - Vorschau - Sudabeh Mortezais "Europa" und Helin Çeliks "Anqa"
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