Nicht unter dem besten Stern stand der Start des ersten Locarno Film Festivals der neuen künstlerischen Leiterin Lili Hinstin: Nicht nur der Himmel war tagsüber grau in grau und es schüttete immer wieder in Strömen, sondern auch das Debüt der Italienerin Ginevra Elkann konnte nicht überzeugen.
Spekulieren kann man höchstens, was Lili Hinstin bewogen hat, Ginevra Elkanns Debüt „Magari“ als Eröffnungsfilm auf der rund 8000 Zuschauer fassenden Piazza Grande zu programmieren: Eine großteils italienisch gesprochene Produktion dem Tessiner Publikum und Gästen aus dem nahen Italien bieten zu wollen, kann ein Motiv gewesen sein, das ein breites Publikum ansprechende Thema „Familie“ ein anderes.
Wirklich mitzureissen vermochte diese Erinnerung an eine Kindheit in den 1980er Jahren aber wohl nur wenige. Im Mittelpunkt steht die achtjährige Alma, die mit ihrem rückblickenden Voice-over in den Film einführt und sich auch in der Folge vereinzelt wieder zu Wort meldet.
Das Sporadische dieses Voice-over verweist aber auch schon auf eine markante Schwäche von „Magari“, denn mal erzählt Elkann aus der Perspektive Almas, schweift dann aber wieder von ihr ab, fokussiert bald auf ihrem Bruder Sebastiano, dann wieder auf dem Vater. Multiperspektivität kann ja durchaus eine Qualität sein, hier wirkt sie aber beliebig und fahrig.
Dies gilt leider auch für den gesamten Aufbau des Films, in dem ebenfalls recht beliebig Szenen aneinandergereiht, aber nichts wirklich vertieft wird. Die Handlung setzt damit ein, dass Alma und ihre beiden etwas älteren Brüder Jean und Sebastiano, die mit ihrer Mutter und deren Freund in Paris leben, über Neujahr zwei Wochen zu ihrem Vater nach Rom reisen. Der Vater versucht sich zwar um die Kinder zu kümmern, ist aber auch mit dem Drehbuch zu einem neuen Film und seiner „Arbeitskollegin“ Benedetta (Alba Rohrwacher) beschäftigt. Statt zum Skiurlaub in die Alpen reist man so ans winterlich kalte Meer bei Rom, wo der Vater arbeiten kann, die Kinder auch Bekanntschaften zu Teenagern schließen.
Während Alma entsprechend dem Filmtitel „Wenn nur“ davon träumt, dass ihre Eltern wieder zusammenfinden, steht der 14-jährige Sebastiano dem Vater sehr kritisch gegenüber. Wenig Profil gewinnt der an Diabetes leidende Jean. Gleichzeitig zu dem von Spannung durchzogenen Familienbild will Elkann aber auch noch vom langsamen Coming-of-Age Almas und Sebastianos erzählen, von denen die eine in kurzen Traumbildern von einer Hochzeit mit dem älteren Marco träumt, der andere langsam Gefallen an Vaters Freundin Benedetta findet.
Stimmungsvoll sind die zwischen winterlicher Kälte und emotionaler Wärme schwebenden Bilder, die „Magari“ etwas Märchenhaftes und Verträumt-Nostalgisches verleihen und den Traum von einer harmonischen Familie beschwören, aber auch deren Risse spürbar machen, aber in der unentschlossenen Erzählweise entwickelt dieses Familienbild keine Dringlichkeit und keine emotionale Kraft. Mag man zunächst noch durchaus interessiert der Handlung folgen, flaut die Spannung trotz überzeugender Schauspieler und einfühlsamem Blick auf die Kinder auch aufgrund mangelnder Stringenz zunehmend ab. - Haften bleibt freilich das Schlussbild von einem gemeinsamen Essen am Meer, in dem sich der Traum von einer harmonischen Familie zumindest für den Augenblick erfüllt.
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