Margarethe von Trotta widmet sich in "Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste" der toxischen Beziehung der österreichischen Schriftstellerin zu Max Frisch. Der Italiener Giacomo Abbruzzese schickt dagegen in "Disco Boy" Franz Rogowski mit der Fremdenlegion ins Niger-Delta.
Von "Rosa Luxemburg" (1984) über Hildegard von Bingen ("Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen", 2009) bis zu "Hannah Arendt" (2012) hat sich Margarethe von Trotta schon markanten und starken deutschen Frauen gewidmet. Nun reiht sich in diese Porträts die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926 – 1973).
Den Fokus legt von Trotta dabei ganz auf die toxische Beziehung Bachmanns zu Max Frisch. Von einer Ägypten- und Sudanreise aus, auf die sie sich im Frühjahr 1964 mit dem österreichischen Schriftsteller und Filmemacher Adolf Opel begab, wird rückblickend die gescheiterte Beziehung zum Schweizer Dramatiker aufgerollt. Rückblickend stimmt in diesem Fall aber nicht ganz, denn nur wenige dieser Szenen sind klar in der Erinnerung Bachmanns verortet, vielfach laufen die beiden Erzählstränge einfach parallel, ohne wirklich verzahnt zu werden.
Während die bilderbuchhaften Wüstenszenen inhaltlich einzig die Lösung aus der Krise, die auch in eine sexuelle Befreiung mündet, vermitteln, ist der Gehalt der Szenen mit Max Frisch deutlich stärker. Beginnend von der ersten Begegnung im Juli 1958 – auf Zeitinserts verzichtet von Trotta aber konsequent – auf einer Pariser Brücke werden plastisch die Spannungen in dieser Beziehung durch das Aufeinanderprallen des konservativen Frauenbilds Frischs und der progressiven Bachmann herausgearbeitet.
Sie soll nicht nur für ihn abwaschen und sein Schreibmaschinengeklapper ertragen, da er ja arbeiten müsse, sondern eifersüchtig ist er sowohl auf jeden Mann, der sich ihr nähert, als auch auf ihren Erfolg. Unerträglich ist es für ihn nicht im Zentrum zu stehen.
Funktioniert diese Bachmann-Frisch-Geschichte auch dank starker schauspielerischer Leistungen von Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld durchaus, so gibt es daneben aber auch viele Szenen die völlig in der Luft hängen. Denn kurz trifft sich Bachmann beispielsweise in Rom mit dem Schriftsteller Giuseppe Ungaretti, dessen Gedichte sie übersetzte, oder hält eine Lesung aus ihrem Roman "Das dreißigste Jahr", doch weiterentwickelt werden diese Szenen nicht.
Frei von jedem Zusammenhang ist auch eine Rede vor Männern in normierten schwarzen Anzügen und mit vielfach dunkler Brille, bei der wohl vorausgesetzt wird, dass die Zuschauer:innen wissen, dass es sich hier um die Dankesrede für die Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden am 17. März 1959 handelt. Wenig ergiebig sind auch die Szenen mit Hans Werner Henze, für dessen "Der Prinz von Homburg" Bachmann das Libretto schrieb.
Ziel war wohl mit diesen Szenen ein möglichst komplexes Bild von Ingeborg Bachmann zu zeichnen, doch das Resultat ist, dass sich der Film damit in wenig aussagekräftigem und irgendwie notdürftig zusammengeschustertem Stückwerk verliert.
Wirklich gelungen ist auch das Spielfilmdebüt des Dokumentarfilmers Giacomo Abbruzzese nicht, aber "Disco Boy" hat immer faszinierende filmische Momente. Zu viel will der Italiener einfach, wenn er Franz Rogowski als Aleksej von Weißrussland nach Frankreich schickt, wo er sich der Fremdenlegion anschließt und bald nach der Ausbildung mit einer Truppe ins Niger-Delta geschickt wird, um französische Geiseln aus der Hand von Guerilla-Kämpfern zu befreien.
Intensives Körperkino wird geboten, wenn der Ausbildung bei der Fremdenlegion am Ende Disco-Szenen gegenüberstehen, mit denen Abbruzzese unübersehbar das Ende von Claire Denis´ "Beau Travail" zitiert. Die dokumentarischen Wurzeln des Regisseurs sind dagegen in Luftaufnahmen des durch die unkontrollierte Erdölgewinnung verwüsteten Niger-Deltas spürbar, während die Dschungelkämpfe, die durch den Dreh mit Wärmebildkamera verfremdet sind, wiederum Assoziationen an "Apocalypse Now" wecken.
Da wird mit der Flucht von Weißrussland nach Frankreich die Sehnsucht nach einem besseren Leben und einer neuen Identität ebenso angerissen wie mit den Guerilleros der Kampf gegen Ausbeutung und Zerstörung Afrikas durch internationale Konzerne und korrupte Regierungen sowie mit dem Einsatz der Fremdenlegion Traumatisierung durch Krieg. – Zu einem schlüssigen Ganzen fügt sich dieser Film, der in den Dschungel- und Discoszenen einen suggestiven traumartigen Sog entwickelt, aber nicht.
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