Mit Olivier Assayas und Bruno Dumont präsentieren auch zwei Meister des französischen Kinos im Wettbewerb der Berlinale ihre neuen Filme. Während Bruno Dumont mit "L´empire" den skurril-absurden Weg, den er mit "P´tit Quinquin" einschlug, fortsetzt, reflektiert Olivier Assayas in "Hors du temps" seine Corona-Lockdown-Erfahrungen.
Beschaulich wirkt in Bruno Dumonts "L´empire" zwar das Dorf an der französischen Opalküste und einen harmlosen Eindruck macht der Fischer Jony, doch steht er mit einigen schwarzen Reitern im Dienst der Macht des Bösen. Dessen Herr ist der von Fabrice Luchini gespielte Beelzebub, der mit einem Raumschiff, das die Form von Schloss Versailles hat, über der Region kreist.
Das Instrument, mit dem das Böse verbreitet werden soll, ist Jonys kleiner Sohn Freddy. Ihn zu eliminieren, ist deshalb der Plan der jungen Jane, die im Dienst einer guten Königin steht, die in einem Raumschiff thront, das an eine gotische Kathedrale erinnert. Unterstützt wird Jane dabei vom nicht besonders intelligenten Rudy, der aber mit seinem Laserschwert Gegner auch mal enthaupten kann. Die Gegnerschaft hindert Jony und Jane aber nicht daran, sich probeweise auf einer Wiese auch kurz mal zu paaren.
Zahlreiche herrlich durchgeknallte Momente gibt es so in "L´empire", in dem schließlich auch ganze Raumschiffflotten auftauchen, die an "Star Wars" erinnern, gleichzeitig zitiert sich Dumont aber auch lustvoll selbst. Wie in "Ma Loute – Die feine Gesellschaft" (2016) spielen so mehrere Szenen in den Sanddünen der Küste, andererseits tauchen auch mehrmals seine beiden Polizisten aus "P´tit Quinquin" (2014) auf. Diese stellen sich hier aber nicht nur noch dämlicher an als im Vorgängerfilm, sondern ihre Auftritte haben im Grunde auch keine Funktion und führen zu nichts.
Wenn man sich auf die Absurditäten dieses Films, in denen man auch ein parodistisches Spiel mit dem Science-Fiction-Film sehen kann, einlässt, kann man an "L´empire" durchaus Spaß haben, kann sich aber auch darüber ärgern, dass der Film trotz des Antagonismus von weltlicher und religiöser Macht nicht über eine ziemlich sinnbefreite, lustvoll absurde Spielerei hinausgeht.
Seine Situation während des Lockdowns verarbeitet hat dagegen Olivier Assayas in "Hors du temps". Der autobiographische Charakter wird dabei schon am Beginn sichtbar, wenn ein Ich-Erzähler, hinter dem sich wohl Assayas selbst verbirgt, aus dem Off das Landhaus seiner Eltern und dessen Umgebung vorstellt. Hierher haben sich im März 2021 ein Filmemacher, hinter dem sich wiederum Assayas selbst verbirgt, und dessen Bruder, der wie Assayas´ Bruder Musikjournalist ist, mit ihren neuen Partnerinnen zurückgezogen.
In frühlingshaft lichtdurchfluteten Bildern lässt Assayas die Brüder in schnellen Dialogen über Literatur, Malerei, Musik und Filme diskutieren und stellt seinem panisch die Pandemie fürchtenden Alter-Ego den sich nach Aktivität sehnenden Bruder gegenüber.
Endlos wird so gequasselt und ganz schön nerven kann diese Selbstbespiegelung. Nicht abstreiten kann man "Hors du temps" aber, dass die Schauspieler:innen mit Verve spielen und blendend harmonieren und Assayas auch treffsicher an eine Zeit erinnert, die nur drei Jahre zurückliegt, damals als einschneidend erlebt wurde und doch schon fast wieder vergessen ist.
Weitere Berichte zur 74. Berlinale:
"In Liebe, Eure Hilde" von Andreas Dresen und "Another End" von Piero Messina
"Dahomey" von Mati Diop und "Architecton" von Victor Kossakovsky
"Sterben" von Matthias Glasner und "A Traveler´s Need" von Hong Sang-soo
"Des Teufels Bad" von Veronika Franz und Severin Fiala und "Gloria!" von Margherita Vicario
"Vogter - Aufseherin" von Gustav Möller und "Black Tea" von Abdherrahmane Sissako
"Mé el Aïn - Who Do I Belong to?" von Meryam Joobeur und "Shamhbala" von Min Bahadur Bham
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