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AutorenbildWalter Gasperi

74. Berlinale: Renommierte Namen, Newcomer und starke österreichische Präsenz

Aktualisiert: 25. Feb.

Übermorgen Donnerstag beginnt die 72. Berlinale (15.2. - 25.2. 2024), bei der im Wettbewerb 20 Filme um den Goldenen Bären konkurrieren. Zwei Debüts stehen neben neuen Filmen von unter anderem Olivier Assayas, Bruno Dumont und Andreas Dresen und auch zwei Dokumentarfilme fehlen nicht. Stark präsent ist das österreichische Kino mit Veronika Franz´ und Severin Fialas "Des Teufels Bad" im Wettbewerb, Ruth Beckermanns "Favoriten" in der Sektion Encounters und neuen Filmen von Josef Hader, Alexander Horvath, Anja Salomonowitz und dem Vorarlberger Philipp Fussenegger in den Sektionen Panorama bzw. Internationales Forum des Jungen Films.


Eröffnet wird die 74. Berlinale, die nach vier Jahren auch den Abschied von Mariette Rissenbeek als Geschäftsführerin und Carlo Chatrian als künstlerischem Leiter bringt, mit Tim Mielants "Sweet Things Like These". Zu erwarten ist, dass bei dieser Weltpremiere auch einige Stars wie "Oppenheimer"-Darsteller Cillian Murphy und Emily Watson auf dem Potsdamer Platz über den roten Teppich schreiten werden.


Eröffnet wird mit diesem Film auch gleich der Wettbewerb, in dem sich auch einige bekannte Regisseure finden, deren neue Filme man eher in Cannes erwartet hat. So meldet sich der Mauretanier Abderrahmane Sissako zehn Jahre nach seinem Erfolg mit "Timbuktu" mit "The Black Tea" zurück. Gespannt sein darf man auch auf die neuen Filme der beiden Franzosen Olivier Assayas und Bruno Dumont, die bislang Stammgäste an der Côte d´Azur waren, nun aber "Hors du temps" (Assayas) und "L´Empire" an der Spree präsentieren.


Stammgast bei der Berlinale ist dagegen der Südkoreaner Hong Sangsoo, der heuer mit "A Traveler´s Need" eingeladen wurde, und der Deutsche Andreas Dresen, der in "In Liebe, Eure Hilde" das Leben der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi (1909 – 1943) nachzeichnet. Auffallend ist, dass Deutschland neben diesem Beitrag im Grunde nur noch mit Matthias Glasners "Sterben" im Wettbewerb vertreten ist. Dieses Drama wartet dafür aber mit einem echten deutschen All-Star-Cast von Lars Eidinger über Corinna Harfouch und Lilith Stangenberg bis zu Ronald Zehrfeld und Robert Gwisdek auf.


Zwar läuft auch Victor Kossakovskys Dokumentarfilm "Architecton" als deutsche Produktion und bei zahlreichen weiteren Filmen hat Deutschland auch als Koproduzent die Finger im Spiel, doch die beteiligten Filmemacher:innen kommen aus anderen Ländern. Erfreulich groß ist dabei die geographische Bandbreite.


Während aus den USA nur Aaron Schimbergs Independent-Film "A Different Man", der beim Sundance Film Festival soeben sehr gut aufgenommen wurde, eingeladen wurde, feiern mit Min Bahadur Bhams "Shambhala" ein Spielfilm aus Nepal im Wettbewerb ebenso Weltpremiere wie mit Nelson Carlos De Los Santos Arias´ "Pepe" ein Film aus der Dominikanischen Republik und mit "Who Do I Belong To" von Meryam Joobeur ein tunesischer Film.


Gespannt sein darf man aber auch auf den neuen Film von Mati Diop, die nach dem in Cannes preisgekrönten Spielfilm "Atlantique" den Dokumentarfilm "Dahomey" vorlegt, sowie auf "My Favourite Cake" der Iranerin Maryam Moghaddam.


Auch formal könnte sich der Wettbewerb sehr abwechslungsreich gestalten, sind doch neben vermutlich klassischen Arthouse-Filmen mit "Des Teufels Bad" von Veronika Franz und Severin Fiala auch eine Produktion eingeladen, der als historischer Thriller angekündigt wird, und Gustav Möllers Thriller "Sons", der in einem Gefängnis spielt, auch Genrefilme oder zumindest Genre-Hybride zu erwarten.


Insgesamt zeigt der Wettbewerb mit dem Mix aus renommierten Arthouse-Regisseur:innen und jungem Weltkino nochmals deutlich die Handschrift von Carlo Chatrian. Gerade diese führte bekanntlich zum Konflikt mit Kulturministerin Claudia Roth, die sich die Berlinale als ein Festival großer US-Filme und Starauflauf wünscht. Ob diese Neupositionierung des Festivals der neuen künstlerischen Leiterin Tricia Tuttle freilich gelingen wird, wird sich erst noch weisen, denn die großen US-Studios werden wohl auch weiterhin ihre Filme lieber in Cannes oder Venedig als in Berlin vorstellen.


Weitgehend unbekannte Namen dominieren die Parallelsektion "Encounters", die Filmen mit innovativen Erzählweisen eine Plattform bieten soll. Zu den bekanntesten Namen unter den 15 Produktionen, die ausnahmslos als Weltpremieren präsentiert werden, zählt die Österreicherin Ruth Beckermann, die in ihrem Dokumentarfilm "Favoriten" eine migrantisch geprägte Schulklasse im titelgebenden Wiener Bezirk porträtiert. Mit "You Burn Me" gibt es aber in dieser Sektion auch einen neuen Film des Argentiniers Matías Pineiro und mit "Ivo" Eva Trobischs Nachfolgefilm zu ihrem starken Langfilmdebüt "Alles ist gut".


Zahlreiche bekannte Namen finden sich dagegen in der Schiene Berlinale Special. Atom Egoyan zeigt hier als internationale Premiere "Seven Veils", während "Shikun" des Israeli Amos Gitai als Weltpremiere präsentiert wird. Gespannt ist man vor allem auf "Love Lies Bleeding" der Britin Rose Glass, die nach ihrem hochgelobten, aber im deutschsprachigen Raum nie gezeigten "Saint Maud" ihren Zweitling vorlegt.


Nicolas Philibert, der im letzten Jahr mit dem Dokumentarfilm "Sur l´Adamant" den Goldenen Bären gewann, zeigt mit "At Averroes & Rosa Parks" angeblich den zweiten Teil einer geplanten Trilogie und auch der Taiwanese Tsai Ming-Liang "Abiding Nowhere" wurde mit einem Dokumentarfilm eingeladen. Dokumentarische Arbeiten präsentieren aber auch Abel Ferrara mit "Turn the Wound" und Edgar Reitz, der mit der Berlinale Kamera ausgezeichnet wird, mit "Filmstunde 13". Aber mit "Treasure" feiert in diesem Rahmen auch der neue Spielfilm der "Und morgen die ganze Welt"-Regisseurin Julia von Heinz seine Weltpremiere.


Neben dem Wettbewerb und dem Berlinale Special bietet die Berlinale aber wie gewohnt auch in den parallelen Sektionen ein vielversprechendes Programm. So feiern im Panorama beispielsweise Josef Haders neuer Film "Andrea lässt sich scheiden" und "Les gens d´à côté" des französischen Altmeisters André Téchine, den man eher im Wettbewerb erwartet hätte, ihre Weltpremiere.


Zu den bekannten Namen, die zuletzt ihre Filme im Wettbewerb zeigten, zählt aber auch Thomas Arslan, der mit "Verbrannte Erde" seine kühle Killerstudie "Im Schatten" fortsetzt. Gespannt sein darf man aber auch auf "Faruk" von Ali Özge" oder den Panorama-Eröffnungsfilm "Crossing" von Levan Akin, der zuletzt mit "And Then We Danced – Als wir tanzten" begeisterte.


Im breit gestreuten, Spielfilme ebenso wie Dokumentarfilme enthaltenden Programm finden sich mit "The Outrun" aber auch der neue Film der "Systemspringer"-Regisseurin Nora Fingscheidt oder mit "Les Paradis de Diane" der neue Film von Carmen Jaquier und Jan Gassman, der schon die heurigen Solothurner Filmtage eröffnete. Auch Vorarlberg ist in diesem illustren Kreis mit Philipp Fusseneggers Dokumentarfilm "Teaches of Peaches" vertreten, der sich der Transformation der Kanadierin Merrill Nisker zu international gefeierten Künstlerin Peaches widmet.


Bietet das Panorama eher konventionell erzählte Filme, so fokussiert das Internationale Forum des Jungen Films stärker auf ästhetisch avancierten Produktionen. Neben einer Werkschau der Österreicherin Maria Lassnig kann man hier mit "Mother and Daughter, or the Night is Never Complete" einen Dokumentarfilm der 93-jährigen Lana Gogoberidze entdecken, in der diese Georgierin, die in den 1970er und 1980er Jahren zu den wichtigsten Regisseur:innen der Sowjetunion zählte, ihre Mutter porträtiert, die Georgiens erste Filmemacherin war.


Der ehemalige Direktor des Österreichischen Filmmuseum Alexander Horvath setzt dem Hollywood-Star Henry Fonda mit dem dreistündigen Dokumentarfilm "Henry Fonda for President" ein Denkmal", während Anja Salomonowitz mit "Mit einem Tiger schlafen" ein Biopic über Maria Lassnig vorstellt, in dem Brigit Minichmayr die Avantgarde-Malerin spielt.

Romuald Karmakar blickt in "Der unsichtbare Zoo" auf den Zoo von Zürich, aber auch vielfältige Spielfilme von der selbstkritischen ukrainischen Medien- und Politsatire "The Editorial Office" über das argentinische Musical "Reas" bis zum südkoreanischen Horrormysterythriller "Exhuma" fehlen nicht.  


Nicht übersehen sollte man auch die Schienen Generation Kplus und Generation 14plus. Mögen in diesen Filmen auch immer Kinder und Jugendliche im Zentrum stehen, so können das doch auch immer wieder durchaus Filme auch für ein erwachsenes Publikum sein wie in den letzten Jahren das irische Meisterwerk "The Quiet Girl", Hans Weingartners "303" oder der großartige australische Animationsfilm "Mary & Max".


In die Filmgeschichte eintauchen kann man in der Schiene Berlinale Classics, in der zehn Klassiker in restaurierter Fassung präsentiert werden. Der Bogen spannt sich hier von Ishiro Hondas "Godzilla" (1954) über Ernst Lubitschs Stummfilm "Kohlhiesels Töchter" bis zu Martin Scorseses "After Hours – Zeit nach Mitternacht" (1985) und Andrej Tarkovskys "Offret – Opfer" (1986).


Zu einem Höhepunkt des Festivals wird schließlich die Verleihung des Goldenen Ehrenbären an Martin Scorsese werden, die von der Vorführung des Oscar gekrönten Gangsterfilms "Departed: Unter Feinden" begleitet werden wird.


Einblick in die wenig bekannten Schätze der Deutschen Kinemathek bietet schließlich die Retrospektive, die heuer den Titel "Das andere Kino – Aus dem Archiv der Deutschen Kinemathek" trägt. 21 Langfilme und zwei Kurzfilme aus dem Zeitraum 1960 bis 2000 werden in diesem Rahmen gezeigt. Hellmuth Costards Experimentalfilm "Der kleine Godard: An das Kuratorium Junger Deutscher Film" (1978) kann hier ebenso (wieder) entdeckt werden wie Christoph Schliengensiefs "Das deutsche Kettensägenmassaker" (1990), Ulrich Schamonis "Chapeau Claque" (1974) oder Will Trempers "Die endlose Nacht" (1963).


An Masse und Vielfalt wird so bei der Berlinale über die zehn Festivaltage mehr als genug geboten werden, einzig die Qualität der Filme muss jetzt noch passen.

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Weitere Informationen und ab 6. Februar das detaillierte Programm finden Sie hier.


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