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AutorenbildWalter Gasperi

76. Locarno Film Festival: Verregnete Eröffnung

Aktualisiert: 12. Aug. 2023


Mit Yann Mounir Demanges Kurzfilm "Dammi" und Fiona Gordons und Dominique Abels Komödie "L´etoile filante" wurde das 76. Locarno Film Festival eröffnet: Auch der Himmel scheint mit diesem Festivalstart nicht zufrieden gewesen sein, denn heftiger Regen bestimmte den ersten Abend auf der Piazza.


Ein prächtiges Freiluftkino ist die 8000 Zuschauer:innen fassende Piazza Grande von Locarno bei schönem Wetter, doch wenn es regnet, wird daraus ein ziemlich trister Ort. Das wenig festliche Wetter passte allerdings zu den beiden Eröffnungsfilmen, die zwar durchaus Qualitäten haben, aber eben auch Schwächen, sodass keine richtige Begeisterung aufkommen will.


Yann Mounir Demanges 16-minütiger "Dammi" durfte wohl nur deshalb hier seine Weltpremiere feiern, weil sein Hauptdarsteller Riz Ahmed am Eröffnungsabend mit dem Excellence Award Davide Campari ausgezeichnet werden sollte. "Sollte" weil Riz Ahmed, den Preis zwar akzeptierte, aber aufgrund des Schauspielerstreiks seinen Besuch am Lago Maggiore absagte.


Bildstark ist dieser Kurzfilm zwar zweifellos, aber die im Voice-over des Protagonisten ausführlich formulierte Zerrissenheit als algerischstämmiger Pariser, der vor Jahren mit seiner Mutter nach London gezogen ist, und nun nach Paris zurückkehrt, ist doch reichlich prätentiös. Einprägsame Metaphern für die Verlorenheit, Heimatlosigkeit und Entwurzelung seiner Hauptfigur gelingen Demange zweifellos, wenn er ihn im Nebel verschwinden und im Wasser versinken lässt oder seine Worte nicht gehört und er nicht wahrgenommen wird, doch die stylische Oberfläche kann nicht über die Redundanz hinwegtäuschen.


Visuell überzeugen kann auch die Komödie "L´étoile filante - The Falling Star" des belgischen Paares Fiona Gordon und Dominque Abel. Unübersehbar von Aki Kaurismäki hat sich das Regie-Duo beim Retroschick ihres Filmes von der titelgebenden Bar über die kräftig roten Kleider, den gelben Ford oder die petrolfarbenen Wänden bis zum stoischen Türsteher Tim inspirieren lassen. Die Gesellschaftskritik von Kaurismäki blitzt hier allerdings nur in wenigen Momenten auf, in denen Missstände und Budgetkürzungen im Gesundheitswesen angesprochen werden.


Zentraler Schauplatz ist eine Bar, in die sich der Aktivist Dom als Barkeeper zurückgezogen hat. Doch auch dort wird er von einem Mann, der sich rächen will, ausfindig gemacht. Als dieser namenlose Fremde aber auf Dom schießen will, kommt es zu einem Kurzschluss in seiner Armprothese, sodass der Anschlag misslingt.


Wie dieser Kurzschluss an den absurden Humor der Filme Quentin Dupieuxs erinnert, so auch die anschließende Reparatur der Prothese in einer Schweisserwerkstatt. Für Dom und die asiatische Barbesitzerin, die auch seine Geliebte ist, ist aber klar, dass sie nun flüchten müssen. Damit dies nicht auffällt wird als Barkeeper ein Doppelgänger Doms aufgetrieben, aber bald heftet sich auch Doms Ex-Frau an die Fersen des Paares.


Spürbar mit Liebe zum Detail ist das gestaltet, kunstvolle Einstellungen finden sich hier, wenn sich Gesichter in der Windschutzscheibe eines Autos spiegeln oder wenn im Dunkel der Nacht in einem Haus ein beleuchtetes Zimmer heraussticht, und immer wieder überrascht das Regie-Duo mit seinem Einfallsreichtum von einer Verführungsszene mit Essstäbchen bis zu einer Tanzszene am Schluss.


Aber so sehr dieser Mix aus Komödie und Krimi auch im Detail mit Situationskomik und pantomimischen Momenten punktet, so richtig Fahrt aufnehmen will die Geschichte nicht. Wie bei einer Nummernrevue reiht sich Szene an Szene, aber zu einem stringenten Ganzen, das mit seinem Drive mitreißt, fügt sich "L´étoile filante – The Falling Star" nicht. – Luft nach oben hat dieses Festival somit nach dem ersten Tag und zu hoffen bleibt, dass nicht nur Ken Loach mit "The Old Oak" und Justine Triet mit dem Cannes-Sieger "Anatomie d´une chute" in den kommenden zehn Tagen für Highlights sorgen werden.



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