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  • AutorenbildWalter Gasperi

77. Locarno Film Festival: Neues von Christoph Hochhäusler, Hong Sang-soo, Kurdwin Ayub, Ramon Zürcher – Eine Vorschau

Aktualisiert: 17. Aug.

Morgen beginnt das 77. Locarno Film Festival (.7. - 17.8. 2024): Ungewöhnlich viele bekannte Namen finden sich im Line-Up des 17 Filme umfassenden Wettbewerbs um den Goldenen Leoparden. Eher dünn gesät sind die großen Namen dagegen im Programm auf der Piazza Grande und jede Menge Klassiker bietet die Retrospektive zum Hollywood Studio Columbia Pictures.


Eröffnet wird das 77. Locarno Film Festival mit der italienisch-französischen Koproduktion "Le déluge" von Gianluca Jodice. Die Programmierung der Weltpremiere dieses Historienfilms um Ludwig XVI. und Marie Antoinette ist wohl auch vor dem Hintergrund der Verleihung des "Excellence Award Davide Campari" an die beiden Hauptdarsteller:innen Mélanie Laurent & Guillaume Canet zu sehen.


Jodice ist freilich nicht der einzige – zumindest bislang – weitgehend unbekannte Name im heurigen Abendprogramm für die Piazza Grande. Neben diesem Film finden sich in dieser Programmschiene auch Weltpremieren von "Mexico 86" von César Díaz, von "Rita" der Spanierin Paz Vega oder die internationale Premiere des Thrillers "Sew Torn" sowie die Schweizer Premieren der Fantasy-Tragikomödie "Timestalker" der Britin Alice Lowe und von "Gaucho Gaucho" von Michael Dweck und Gregory Kershaw.


Immerhin schon vom Berlinale-Wettbewerb bekannt ist "Shambala" des Nepalesen Min Bahadur Bham, der mit seinen Landschaftstotalen bestens auf die fantastische Freiluftarena passt, und in Cannes preisgekrönt wurde Mohammad Rasoulofs "The Seed of the Sacred Fig", der nun in einer leicht überarbeiteten Fassung präsentiert werden soll.


Rasoulof ist aber auch der einzige international bekannte Name im Hauptprogramm der Piazza, während im Spätprogramm als zweiter Abendfilm auch restaurierte Fassungen von Jean Luc Godards "Une femme est une femme", Tarsem Sings "The Fall" sowie "The Piano" von Jane Campion, die mit dem Pardo d´onore Manor ausgezeichnet wird, gezeigt werden.


Sehr stark verstreten ist auf der Piazza Grande heuer die Schweiz. Neben dem Animationsfilm "Sauvages" von Claude Barras, der schon mit "Mein Leben als Zucchini" begeisterte, und Klaudia Reyneckes autobiographisch inspiriertem "Reinas" feiern in diesem Rahmen auch Simon Jacquemets "Electric Child" und Laetitia Doschs "Le procès du chien" ihre Welt- bzw. Schweizer Premiere.


Im Gegensatz zur Piazza Grande findet man im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden überraschend viele bekannte Namen, deren Filme man eher im Programm der Festivals von Venedig, San Sebastian oder Berlin erwartet hätte. So konkurrieren mit dem südkoreanischen Schnellfilmer Hong Sang-soo, der vor wenigen Monaten mit "A Traveler´s Need" im Berlinale-Wettbewerbs vertreten, war mit "Suyoocheon" ("By the Stream") und dem chinesischen Dokumentarfilmer Wang Bing mit "Qing Chun (Ku)" ("Youth (Hard Times)" zwei frühere Locarno-Sieger erneut um den Goldenen Leoparden.


Aber auch die Österreicherin Kurdwin Ayub, die mit "Mond" mit dem zweiten Teil einer Trilogie eingeladen wurde, hätte man nach dem sensationellen Erfolg ihres Debüts "Sonne" ebenso auf einem der ganz großen Festivals erwartet wie Ramon Zürcher, der nach dem wunderbaren "Das Mädchen und die Spinne" nun scheinbar erstmals ohne seinen Zwillingsbruder Silvan mit "Der Spatz im Kamin" den Abschluss einer "Tier"-Trilogie gedreht hat.


Und auch Christoph Hochhäusler, der mit dem Gangsterthriller "La mort viendra – Der Tod wird kommen" eingeladen wurde, der Brite Ben Rivers, der "Bogancloch" präsentieren wird, und die Deutsche Pia Marais, die nach "Im Alter von Ellen" (2010) mit "Transamazonia" zum zweiten Mal im Wettbewerb von Locarno steht, gehören zu den renommierten Regisseur:innen.


Platz bietet der Wettbewerb mit "Green Line" der Französin Sylvie Ballyot, "Sulla terra leggeri" der Italienerin Sara Fgaier, "Fogo do vento" ("Fire of Wind") der Portugiesin Maria Mateus und "Akiplesa" ("Toxic") der Litauerin Saulė Bliuvaitė aber auch für vier Debüts - auffallenderweise alle von Frauen.


Auffallend ist das Fehlen nord- und lateinamerikanischer sowie – abgesehen von "Akiplesa" ("Toxic") und des zweiten litauischen Beitrags "Seses" ("Drowing Dry") von Laurynas Bareisa - ost- und nordeuropäischer Produktionen, während Asien neben den Filmen von Hong Sang-soo und Wang Bing immerhin noch mit der französisch-libanesischen Koproduktion "Green Line" und Tunesien mit Ala Eddine Slims Koproduktion "Agora" vertreten ist.


Als Platz der Entdeckungen bietet sich die Sektion "Cineasti del presente" an, der die Debüts mit neun der 15 Filme den Stempel aufdrücken. Auch die Regisseur:innen, die hier keinen Erstling präsentieren, dürften nur echten Insidern bekannt sein.


Eine Plattform für experimentelle und innovative Filme bietet Locarno mit der Sektion Pardi di Domani, in der kurze und mittellange Filme gezeigt werden. Wie als Auffangbecken für Filme, die man sonst nirgends unterbringen konnte oder wollte, wirkt die Sektion "Fuori concorso", in der mit "Dragon Dilatation" von Bertrand Mandico, "Sleep 2" von Radu Jude, "La prodigiosa transformazione della classe operaia in stranieri" von Samir und "La vita accanto" von Marco Tullio Giordano auch Filme von bekannten Regisseur:innen ihre Weltpremiere feiern.


Zu einem Highlight des Festivals könnte die Retrospektive werden, die anlässlich des 100-jährigen Bestehens dem Hollywood Studio Columbia Pictures gewidmet ist. Klassiker wie Fritz Langs Krimi "The Big Heat", Frank Capras Komödie "Mr. Deeds Goes to Town", Orson Welles´ Film noir "The Lady from Shanghai", Howard Hawks´ Komödie "Twentieth Century" und Budd Boettichers Western "Ride Lonesome" kann man unter den 44 ausgewählten Produktionen ebenso wiedersehen oder entdecken wie wenig bekannte kleinere Filme.


Dazu kommen eine Hommage an den amerikanischen Experimentalfilmer Stan Brakhage, die Sektion Open Doors, die heuer auf Mittelamerika fokussiert, ein Kinderprogramm und das Panorama Suisse, das mit Filmen wie "Jakobs Ross", "Die Anhörung", "Bergfahrt – Reise zu den Riesen" oder "Blackbird Blackbird Blackberry" einen Einblick ins aktuelle Schweizer Filmschaffen bietet.


Aufregende Kinoerlebnisse ermöglicht aber auch immer die vom Verband Schweizer Filmjournalist:innen kuratierte Semaine de la critique, für die jährlich sieben Dokumentarfilme ausgewählt werden. Heuer fällt mit den beiden Schweizer Produktionen "A Sisters´ Tale" von Leila Amini" und "Wir Erben" von Simon Baumann, der österreichischen Produktion "Dear Beautiful Beloved" von Juri Rechinsky und den deutschen Produktionen "Familiar Places" von Maia Reinhardt" und "Jenseits von Schuld" von Katharina Köster und Katrin Nemec die starke Konzentration auf Mitteleuropa auf, der mit "Formas de atravesar un territorio" von Gabriela Domínguez Ruvalcaba nur eine mexikanische Produktion gegenübersteht.


Aber auch zahlreiche Ehrenpreise werden in Locarno verliehen, mit denen Stars an den Lago di Maggiore gelockt werden. Neben dem Excellence Award Davide Campari an Mélanie Laurent und Guillaume Canet und dem Pardo d´onore Manor an Jane Campion werden so der indische Superstar Shah Rukh Khan mit dem Pardo alla carriera, Claude Barras mit dem Locarno Kids Award, die Produzentin Stacey Sher mit dem Raimondo Rezzonico Award, die Schauspielerin Irène Jacob mit dem Leopard Club Award und der amerikanische Tontechniker und Audiodesigner Ben Burtt mit dem Vision Award Ticinomoda ausgezeichnet.


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