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AutorenbildWalter Gasperi

80 Plus

Zwei ungleiche Seniorinnen auf dem Weg von Wien zur Sterbehilfe nach Zürich: Sabine Hieblers und Gerhard Ertls Roadmovie setzt auf die beiden Hauptdarstellerinnen Christine Ostermayer und Margarethe Tiesel, bleibt im tragikomischen Plädoyer fürs Auskosten des Augenblickes aber sehr bieder und harmlos.


Alter, Krankheit und Tod sind angesichts der Alterung der westlichen Gesellschaft brennend aktuelle Themen. Nach ihrem Erfolgsfilm "Anfang 80" setzen Sabine Hiebler und Gerhard Ertl deshalb noch einmal eins drauf und stellen mit der einst gefeierten Schauspielerin Helene (Christine Ostermayer) eine 86-Jährige ins Zentrum. Statt langsam an Krebs zu sterben, hat sie schon einen Termin für eine Sterbehilfe in Zürich fixiert.


Doch ihr Neffe (Manuel Rubey) ist dagegen, könnte dies doch seiner Karriere als katholisch-konservativer Politiker schaden. Unterstützung findet Helene aber in der Frührentnerin Toni (Margarethe Tiesel), die nach einem Treppensturz einige Tage zur Erholung in der Seniorenresidenz verbringt. Die beiden Frauen wohnen zwar in benachbarten Zimmern, doch Welten scheinen sie zu trennen.


Der gepflegten und zurückhaltenden Schauspielerin, die jede Handlung genau planen will, steht die proletenhaft-ungehobelte Toni gegenüber, die offen sagt, was sie denkt, und keine Scheu hat Regeln zu brechen. Während Helene für ihren Beruf auf Kinder verzichtet hat, hat Toni eine Ehe mit einem Alkoholiker hinter sich und hat sich als alleinerziehende Mutter durchs Leben geschlagen.


Dennoch ist Helene auf Toni als Fahrerin angewiesen, da ihr Neffe sich weigert, sie in die Schweiz zu fahren. So büxt das ungleiche Duo aus der Seniorenresidenz aus, holt den flotten Jaguar Helenes, die aufgrund ihres Alters selbst nicht mehr fahren will, aus der Garage und ist bald on the road. Von selbst versteht sich, dass die Frauen auf dieser Reise sich näher kommen, dass Helene die Unbekümmertheit Tonis zu bewundern beginnt.


Geradezu typische Situationen reihen sich dabei auf der Fahrt aneinander: Polizisten müssen bei einer Kontrolle düpiert werden, ein Tankwart, der sich über die beiden Seniorinnen lustig macht, bekommt sein Fett ab, die Mitnahme einer Autostopperin bietet die Chance für einen Cameo-Auftritt der Schriftstellerin Stefanie Sargnagel und zudem ist Helenes Neffe, der aus nicht geklärten Gründen auch seinen stets nörgelnden Sohn auf dem Rücksitz mitführt, ihnen auf den Fersen.


Dazu darf – oder muss – sich das Duo verfahren und landet – ausgesprochen seltsam für eine Reise von Wien in die Schweiz - in einem Berghotel im Osttirol. Da Cine Tirol den Film mitfinanziert hat, muss eben auch die großartige Tiroler Berglandschaft ins Bild gerückt werden. Dazu passt auch, dass das Berghotel einerseits mit den Gaststuben rustikal, andererseits mit den Zimmern mit großer Glasfront sehr modern wirkt, denn allfällige Tourist:innen wollen ja die Kombination dieser nur schwer vereinbaren Gegensätze.


Trotz des ernsten Themas schlagen Hiebler und Ertl aber einen leichten Ton an, versuchen mit Witz trotz des bedrückenden Hintergrunds der Reise Lebensfreude zu verbreiten. Einfach und vielfach auch bemüht ist allerdings der Humor und begeistert wohl nur wirklich lachfreudige Zuschauer:innen, aber immerhin bieten die Regisseur:innen Christine Ostermayer und Margarethe Tiesel eine große Bühne.


So papieren und schematisch die Anlage der gegensätzliche Charaktere auch ist, so erfüllen sie die beiden Schauspieler:innen doch mit Leben und sorgen dafür, dass die beiden Seniorinnen den Zuschauer:innen ans Herz wachsen. Im Alleingang tragen Ostermayer und Tiesel das sehr bieder inszenierte Roadmovie, bei dem auch die scheinbar so überraschende Schlusswendung kaum überraschend kommt.


Ecken und Kanten sucht man vergeblich, aufgesetzt wirkt die Kritik an der Ablehnung der Sterbehilfe durch konservativ-katholische Kreise. Ausgespart wird schließlich auch der Tod und alles endet so versöhnlich als ob es kein bitteres Sterben, sondern nur ein großes Happy End gäbe: Da ist dann doch der vielfach zu lesende Vergleich mit Ridley Scotts "Thelma und Louise" entschieden zu hoch gegriffen.


80 Plus Österreich 2024 Regie: Sabine Hiebler, Gerhard Ertl mit: Christine Ostermayer, Margarethe Tiesel, Julia Koschitz, Manuel Rubey, Thomas Mraz, Julia Jelinek Länge: 95 min.



Läuft derzeit in den österreichischen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn und am 2.11. sowie 13.11. am Spielboden Dornbirn.


Trailer zu "80 Plus"



 

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