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  • AutorenbildWalter Gasperi

1984

Aktueller denn je: Michael Radfords beklemmende Verfilmung von George Orwells klassischem dystopischem Roman ist bei Capelight Pictures in einem Mediabook auf Blu-ray und 4K Ultra HD erschienen.


Geprägt von den Erfahrungen der totalitären Regime des Nationalsozialismus und des Stalinismus, aber auch von eigenen Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg schrieb George Orwell von 1946 bis 1948 seinen legendären dystopischen Roman, dem er durch einen Zahlendreher den Titel "1984" gab.


Von der Vergangenheit gespeist entwarf der Brite so eine beklemmende Zukunftsvision, die mehr als 70 Jahre später an Aktualität noch gewonnen hat. Denn totale Überwachung und Manipulation von Fakten scheinen, wie nicht nur die Enthüllungen Edward Snowdens über die Methoden des US-Geheimdiensts NSA und die Arbeit mit "alternativen Fakten" zeigen, heute virulenter denn je.


Nach einer Erstverfilmung des Stoffes 1956, die die Witwe Orwells wegen mangelnder Originaltreue nach Auslaufen des Copyrights 1976 zurückziehen ließ, verfilmte Michael Radford im Orwell-Jahr 1984 den Klassiker ein zweites Mal. In großer Originaltreue entwickelt er eine beklemmende Zukunftsvision, die kaum einmal Hoffnung aufkommen lässt.


Von den ersten Bildern an entwirft Radford, unterstützt von Kameramann Roger Deakins, Production Designer Allan Cameron und Kostümbildnerin Emma Porteous, das Bild einer bedrückenden totalitären Welt. Die desaturierten Farben sind fast auf Schwarzweiß reduziert und graublau ist nicht nur die Einheitskleidung, die die Menschen tragen, sondern auch die Büros und die große Halle, in der die Masse auf den Großen Bruder, der Ozeanien lenkt, aber immer nur per Videoschirm sichtbar ist, eingeschworen und zu Hassausbrüchen gegenüber dem Verräter Emmanuel Goldstein angestachelt wird.


Sepiafarbene Videobeiträge beschwören das Bild eines idyllischen Landes mit blühender Wirtschaft und glücklichen Menschen. Gleichzeitig gibt es aber auch immer wieder Berichte über den Krieg gegen Eurasien, mit denen bald Angst geschürt, bald mit Siegesmeldungen Hoffnung verbreitet wird.


Nicht futuristisch, sondern vielmehr von der britischen Realität der Nachkriegszeit beeinflusst, ist das Setting und Erinnerungen des Protagonisten Winston (John Hurt) an seine Kindheit führen mehrfach ins zerbombte London der Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück.


Winston arbeitet als Mitglied der Äußeren Partei im Ministerium für Wahrheit, in dem er Nachrichten manipulieren und die Geschichte nach Vorgaben der Regierenden umschreiben muss. Langsam kommen ihm aber Zweifel an dem System. Er beginnt nicht nur unerlaubterweise ein Tagebuch zu führen, sondern verliebt sich auch in die Parteigenossin Julia (Suzanna Hamilton).


Während das Regime alle persönlichen Beziehungen abschaffen will, Fortpflanzung durch künstliche Befruchtung erzielen will, treffen sich Winston und Julia so heimlich zum Sex in einem Hotelzimmer. In ihrer Nacktheit wird immer wieder eine Freiheit spürbar, die es in dieser Gesellschaft nicht gibt.


Gleichzeitig lässt die Nacktheit aber auch ihre Verletzlichkeit spüren und tatsächlich werden sie bald verraten. Ein brutales Verhör durch den Parteifunktionär O´Brien (Richard Burton) beginnt, dessen Ziel es ist Winston zum Verrat Julias und zur Liebeserklärung an den Großen Bruder zu bewegen.


Mit großer formaler Konsequenz hat Radford diese Literaturverfilmung inszeniert. Der bedrückenden Schilderung des totalen Staats mit seiner gleichgeschalteten Masse stellt er in der Liebe zwischen Winston und Julia Individualität und das Glück der Liebe gegenüber. Den engen und düsteren Bildern, die auch intensiv die Repression durch das Regime spüren lassen, stehen so in den Liebesszenen auch immer wieder – geträumte – Bilder eines weiten Kornfelds gegenüber, die Freiheit ausstrahlen.


Ganz im Sinne des Romans gönnt Radford dabei dem Publikum kein Happy End, sondern lässt den Staat schließlich über die Oppositionellen siegen. Wenig erbaulich ist das zwar, aber gerade in dieser Konsequenz wirkt "1984" als eindringliche Mahnung vor Totalitarismus und Manipulation, die sich langsam einschleichen und früh genug durchschaut und bekämpft werden müssen, um deren Durchsetzung schon im Keim zu ersticken.


An Sprachversionen bieten die bei Capelight Pictures in einem Mediabook erschienene Blu-ray und 4K Ultra HD die englische Originalfassung wahlweise mit dem von Radford favorisierten orchestralen Soundtrack von Dominic Muldowney und dem von den Produzenten für die Kinofassung verwendeten elektronischen Score der Eurythmics  und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche und englische Untertitel.


Die Extras beschränken sich leider weitgehend auf ein Booklet mit einem informativen achtseitigen Text von Kathrin Horster zu historischen Hintergründen und der Aktualität von Orwells Buch sowie einem dreiseitigen Beitrag über die Produktion des Films. Dazu kommen nur noch der originale Kinotrailer und der deutsche Kinotrailer in der ursprünglichen und einer digitalisierten Version sowie Trailer zu weiteren bei Capelight Pictures erschienenen Filmen.


Trailer zu "1984"



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