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AutorenbildWalter Gasperi

o.k.


1970 ließ Michael Verhoeven in Bayern deutsche Schauspieler ein amerikanisches Kriegsverbrechen im Vietnamkrieg nachspielen. In der Edition Filmmuseum ist der Schwarzweißfilm, der bei der Berlinale heftig polarisierte und zum Abbruch des Festivals führte, auf DVD erschienen.


Vor allem aufgrund dieses Skandals ist "o.k." bekannt. Der Jurypräsident des Berlinale-Wettbewerbs George Stevens und ein Teil seiner KollegInnen forderte nach der Premiere, dass die Auswahljury Verhoevens Film neu prüfe und bestätige, dass er dem internationalen Festivalreglement entspreche. Denn nach der Auffassung der überwiegenden Mehrheit der Jury verletzte "o.k." sowohl die Bestimmungen des internationalen Produzentenverbandes als auch die Bestimmung des Festivals, dass keine Filme zulässig seien, die geeignet sind, die Verständigung zwischen den Völkern zu verletzen.


Heftige Diskussionen waren die Folge, die schließlich zum Abbruch der Berlinale führten. Die Publicitywirkung dieses Skandals sollte mit einer unmittelbar anschließenden Kinoauswertung ausgenützt werden, dennoch floppte dieser Anti-Vietnamkriegsfilm an den Kinokassen.


Nicht genug damit folgte auch noch ein Plagiatsvorwurf durch Warner Brothers, die Verhoeven beschuldigten, von Daniel Langs Roman "Die Verdammten des Krieges", für den die US-Produktionsfirma inzwischen die Filmrechte erworben hatte, abgeschrieben zu haben. Verhoeven konnte aber nachweisen, dass er nach einem 1969 im Spiegel erschienenen Bericht das Theaterstück, aus dem er schließlich das Drehbuch entwickelte, schon vor Erscheinen von Langs Roman geschrieben hatte und einzig die Namen der Protagonisten, die er für authentisch hielt, einem in The New Yorker erschienenen Bericht Langs entnommen hatte.

Verhoeven nahm das reale Kriegsverbrechen von fünf US-Soldaten, die 1966 im Vietnamkrieg eine 16-jährige Vietnamesin vergewaltigten und töteten, und inszenierte es in seiner Heimat Bayern nach. Für eine Brechung der Illusion sorgt schon der Auftakt, wenn fünf Männer auf eine Schule zugehen und Scheinwerfer und Kabel die Szenerie als Filmset kennzeichnen.


Wenn diese Männer in einem Klassenzimmer US-Uniformen anprobieren, schlüpfen sie im wahrsten Sinne des Wortes in die Rollen der US-Soldaten, nennen aber ebenso wie die 16-jährige Eva Mattes direkt ins Publikum davor auch noch ihren bürgerlichen Namen, ihre Religion und wen sie im Film spielen. Auch darauf, dass das reale Verbrechen in Vietnam geschah, sie aber die Ereignisse in Bayern nachspielen, da dies näher sei, weisen sie hin. Sichtlich will Verhoeven "o.k." damit Allgemeingültigkeit verleihen, bewusst machen, dass solche Kriegsverbrechen nicht nur in Vietnam, sondern in jedem Krieg verübt werden.


Für Brechung der Illusion sorgen aber auch die 17, mit Musik unterlegten Kapitelüberschriften, durch die "o.k." gegliedert wird. Harmlos wirken die Inserts wie "Phantasie", "Mensch und Natur", "Osterspaziergang" und auch der Zwischentitel "Ein Sieg" bezieht sich nur auf ein Kartenspiel, während sich hinter "Auf eigenen Wunsch" das gewaltsame Abschneiden des Schnurrbarts eines Soldaten versteckt. Für sich genommen sind auch die folgenden Inserts der Namen der Soldaten harmlos, doch hinter jedem von diesem verbirgt sich eine Szene, die unerbittlich und mit drastischem Realismus die Vergewaltigung der 16-jährigen Mao (Eva Mattes) zeigt.


Nichts erfährt man über die Figuren, nicht auf Einfühlung zielt Verhoeven ab, sondern will ein Lehrstück präsentieren, das zeigt, wie die Langeweile eines vom Bau eines Schützengrabens und monotonem Herumsitzen bestimmten soldatischen Alltags schließlich in Gewalt mündet. Stilistisch ist "o.k." dabei höchst uneinheitlich. Amateurhaft wirkt, wie das Geschehen in einer Waldschneise mal in einer langen statischen Einstellung, dann wieder mit langen Schwenks und Kamerafahrten gefilmt wird. Verhoeven geht es eben nicht um filmische Perfektion, sondern um die Aufrüttelung der Zuschauer.


Zwar will sich der von Verhoeven selbst gespielte Soldat Eriksson, der durch das Lesen eines Buches als gebildeter gezeichnet wird, dem bestialischen Treiben entziehen, doch die Kollegen wollen das nicht zulassen, gäbe es damit doch einen unschuldigen Zeugen der Tat. Dennoch flieht Eriksson und meldet das Verbrechen beim Vorgesetzten, doch dieser erklärt, dass so etwas im Kampf für die Freiheit Südvietnams, den die USA führen, eben hinzunehmen sei und alles o.k. sei. Ein Off-Erzähler, der über die spätere Verurteilung, aber auch die sukzessive Reduktion der Urteile bis hin zur völligen Aufhebung berichtet, beschließt den Film.


Die amerikanische Version der Ereignisse ließ mit der Verfilmung von Daniel Langs Roman durch Brian De Palma fast 20 Jahre auf sich warten. Markant sind freilich die Unterschiede zwischen "o.k." und "Die Verdammten des Krieges" (1989). Denn während De Palma auf starbesetztes, effektreiches Kino setzt, in dem der Zuschauer sich mit dem Protagonisten identifizieren soll, setzt Verhoeven mit seinem Einsatz Brecht`scher Verfremdungseffekte auf Distanzierung. Filmischen Genuss bietet das kaum, wirkt aber in seiner Auseinandersetzung mit den menschlichen Abgründen, die sich hinter scheinbar harmlosen Männern verbergen, doch nach und weiter.


An Sprachversionen bietet die in der Edition Filmmuseum erschienene DVD die deutsche Originalfassung, zu der deutsche, englische und französische Untertitel zugeschaltet werden können. Die Extras umfassen ein etwa 30-minütiges Gespräch Michael Verhoevens mit dem niederländischen Produzenten Rob Houwer, in dem sie sich über den Berlinale-Skandal, den Plagiatsvorwurf und die Kinoauswertung unterhalten. Auf diese Aspekte geht, unterstützt von zahlreichen zeitgenössischen Zitaten, im 20-seitigen Booklet auch der ausführliche Essay von Stefan Drößler ein, der gekürzt auch in Englisch und Französisch angeboten wird.


Weiteres Extra ist neben dem Kinotrailer Verhoevens 1969 entstandener 10-minütiger Kurzfilm "Tische", in dem er Fotos und Wochenschauszenen von den Kriegsgräueln unterschiedlichste Tische und ihre Produktion gegenüberstellt und damit implizit auffordert das Morden endlich zu beenden und sich an den Verhandlungstisch zu setzen.



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