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AutorenbildWalter Gasperi

Hive


Im März 1999 machte ein Massaker der Serben über 100 Frauen im kosovarischen Dorf Krusha e Madhe zu Witwen. Auf sich allein gestellt, sahen sie sich gezwungen selbst Geschäfte zu betreiben, stießen damit in der patriarchalen Gesellschaft aber auf heftigen Widerstand. – Blerta Basholli erzählt in ihrem Spielfilmdebüt leise, aber bewegend von dieser Selbstermächtigung.


Im Kosovokrieg griffen vom 25. bis 28. März 1999 serbische Truppen das Dorf Krusha e Madhe an, plünderten es, steckten drei Viertel der Häuser in Brand und töteten 241 Menschen. Weil viele der Leichen verbrannt oder mit einem Bagger weggeschafft wurden, gestaltete sich die Identifizierung der Toten schwierig und immer noch gelten rund 60 Dorfbewohner als vermisst. Weil 140 Frauen durch dieses Massaker zu Witwen wurden, wurde Krusha e Madhe auch als „Dorf der Witwen“ bezeichnet.


Blerta Bashollis Spielfilmdebüt setzt einige Jahre nach diesen Ereignissen ein, erzählt aber dennoch eine wahre Geschichte, deren Authentizität im Nachspann durch Archivaufnahmen und Inserts bekräftigt wird. In einer langen Plansequenz folgt Basholli, die im Kosovo geboren wurde, zunächst an der Universität von Pristina und dann an der New York University Film studierte, der Mittdreißigerin Fahrije Hoti (Yilka Gashi) beim Gang um und in ein UN-Zelt. Verzweifelt öffnet sie Leichensäcke, um endlich Gewissheit über den Verbleib ihres Mannes zu gewinnen, bis sie weggeschickt wird.


Nicht nur um ihren etwa siebenjährigen Sohn und um die etwa 13-jährige Tochter muss sie sich kümmern, sondern auch um ihren Schwiegervater, der im Rollstuhl sitzt. Weil in der patriarchalen Gesellschaft die Rolle der Frau auf Küche und Kindererziehung beschränkt ist, bleiben freilich die Einkünfte aus. Viel zu wenig bringt der Honig ein, den sie produziert und den der Schwiegervater auf dem Markt verkauft. Gleichzeitig weckt die Imkerei auch immer wieder die Erinnerung an den abwesenden und wohl toten Mann. Er hat nämlich die Bienenstöcke aufgebaut und, während ihn die Bienen nie stachen, bekommt Fahrije regelmäßig Stiche ab.


So schließt sich Fahrije einer Frauenkooperation an, macht den Führerschein, auch wenn die Männer des Dorfes deshalb über sie reden, Schwiegervater und auch Tochter sich ihr gegenüber abweisend verhalten, und schlägt mit einer Mitstreiterin dem Betreiber des lokalen Supermarkts vor, die Balkan-Spezialität Ajvar zu kochen und in einem Regal zum Verkauf anzubieten.


Sind die beiden Frauen zunächst auf sich gestellt, so schließen sich langsam doch weitere Dorfbewohnerinnen ihnen an und helfen, gleichzeitig bleiben aber auch Angriffe der Männer nicht aus. Wird zunächst nämlich Fahrjes Auto mit einem Stein beworfen, wird bald auch das Lager mit dem leckeren Essen zerstört. Gebrochen werden kann damit die weibliche Selbstermächtigung nicht, vielmehr verstärkt das noch die Entschlossenheit der Frauen.


Und gleichzeitig belastet Fahrije immer die Ungewissheit über das Schicksal ihres Mannes. Offen bleibt dabei schließlich, ob sie die bittere Wahrheit nicht akzeptieren will, als sie anhand von Kleidungsstücken ihren Mann identifizieren soll, oder ob es sich dabei tatsächlich um eine andere Leiche handelt. Unübersehbar ist aber, dass sie doch Ruhe gefunden hat, wenn sie nun von den Bienen nicht mehr gestochen wird.


Von der Haupthandlung her könnte das ein Feelgood-Movie über weibliche Selbstermächtigung im Stil der britischen „Calendar Girls“ oder des Schweizer Erfolgsfilms „Die Herbstzeitlosen“ sein, doch der historische Hintergrund und die patriarchale Gesellschaft sorgen für ungleich ernstere und bittere Töne. Ganz ruhig erzählt Basholli, setzt Musik nur reduziert ein, vertraut auf ihre physisch sehr präsente Hauptdarstellerin Yilka Gashi, die fast in jeder Szene zu sehen ist und den Film trägt.


Eingebettet in ein ebenso beiläufig wie präzise eingefangenes gesellschaftliches Milieu, das spüren lässt, dass die 38-jährige Regisseurin dieses genau kennt, entwickelt sich so ein dichtes Drama, das bewegend an die Gräuel des Kosovokriegs erinnert, entschieden mit der patriarchalen Gesellschaft abrechnet und empathisch der Stärke dieser Frauen und vor allem Fahrije, die mit ihrer Aufgabe zunehmend wächst, ein eindrückliches Denkmal setzt.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.


Trailer zu "Hive"

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