Aufgrund von Corona in Deutschland und Österreich nie im Kino gestartet, bei Sony Pictures aber auf DVD und Blu-ray erschienen: Ein misanthropischer Journalist soll den menschenfreundlichen Gastgeber eines Kinderfernsehprogramms interviewen. – Unaufgeregt, aber mit der grenzenlosen Empathie des mit Tom Hanks ideal besetzten Protagonisten erzählt Marielle Heller berührend von kindlichem Trauma, Wut und Versöhnung.
Die Leinwand ist auf ein quadratisches TV-Bild reduziert, wenn die Kamera über eine Lego-Stadt gleitet, bald in ein Haus blickt, in dem Fred Rogers (Tom Hanks) mit einem Song über den netten Nachbarn sein TV-Publikum begrüßt und in Bilderrahmen seine Gäste – darunter der Journalist Lloyd Vogel (Matthew Rhys) - vorstellt.
Von 1968 bis 2001 lief die Vorschulfernsehserie "Mister Rogers' Neighborhood" in den USA im Fernsehen. Tom Junods 1998 im Esquire erschienener Artikel "Can You Say... Hero?" inspirierte Marielle Heller zu ihrem Film.
Wenn "A Beautiful Day in the Neighborhood" zu Junods Alter Ego Lloyd Vogel springt, der mit seiner Frau und dem gemeinsamen Baby Gavin in New York lebt, weitet sich das Bild. Immer wieder wechselt Marielle Heller zwischen den Formaten und damit auch zwischen TV-Aufnahme und Realität. Ein geschickter Schachzug ist das, denn die Verschiebung in die Ebene der Kindersendung, in der Rogers auch Plüschtiere sprechen lässt, ermöglicht ihr Dinge zu verhandeln, die in direkter Erzählweise kitschig wären.
Zum Gegenpol des menschenfreundlichen Mr. Rogers wird der zynische Vogel aufgebaut, wenn er sich sogleich auf der Hochzeit seiner Schwester mit seinem Vater (Chris Cooper) prügelt. Grenzenlos ist seine Wut, seit dieser seine beiden Kinder und seine todkranke Ehefrau verließ.
Schwer geprägt hat diese Erfahrung den Journalisten, zynisch blickt er auf die Welt, macht Berühmtheiten, die er porträtiert, in seinen Artikeln generell nieder. Dennoch erklärt sich Mr. Roger, der das exakte Gegenteil ist, bereit, Vogel ein Interview zu geben. Dies wird aber keine Einbahnstraße, sondern vielmehr ein Geben und Nehmen, bei dem Rogers immer wieder den Journalisten, der von der Herzlichkeit und der Menschenliebe des TV-Moderators zunehmend fasziniert ist, über sein Leben ausfragt und einen Läuterungsprozess einleitet.
Die Geschichte könnte kaum vorhersehbarer sein, doch Marielle Heller erzählt sie mit einer Menschenliebe, die kongenial zur Haltung des mit Tom Hanks ideal besetzten Gastgebers der Kindersendung passt. Unaufgeregt und unspektakulär inszeniert die 41-jährige Amerikanerin, die sicher auch mit Rogers Kinderprogramm aufgewachsen ist. Auf inszenatorische Finessen wird verzichtet, spürbar ist dafür in jeder Szene die ansteckende Liebe und das Herzblut, die sie in diesen Film legte.
Wie bei Rogers liegt dabei der Fokus ganz auf den Menschen, auf die sie voll Mitgefühl blickt. In den Mittelpunkt rücken damit die Schauspieler und bis in die Nebenrollen ist "A Beautiful Day in the Neighborhood" perfekt besetzt. Da überzeugt Matthew Rhys als Misanthrop ebenso wie der stets großartige Chris Cooper als Vater, der schließlich auch seine Fehler eingestehen muss.
Die große Hommage an den 2003 verstorbenen amerikanischen TV-Star ist dabei freilich nur die Basis, um universell und zeitlos für mehr Mitmenschlichkeit und Güte zu plädieren. Leicht könnte so ein Unterfangen in Kitsch abgleiten, aber neben dem Spiel mit der Fernsehebene ist es auch die spürbare Ehrlichkeit Hellers, die dies verhindert. Nie wirkt dieser Film wie ein kaltes Routineprodukt, sondern immer ist das echte Engagement spürbar.
Es berührt einfach, wie hier von Kindheit und den Bedürfnissen von Kindern, aber eben auch von Traumata und dem schwierigen und langen Weg zur Vergebung erzählt wird. Direkt wird auch das Kinopublikum angesprochen und auf sich selbst zurückgeworfen, wenn Rogers Vogel in einem Restaurant zu einer Schweigeminute einlädt, in der er an alle Menschen denken soll, von denen er im Laufe seines Lebens geliebt wurde. Wenn im ganzen Restaurant und im Kinosaal eine Minute der Stille einkehrt, muss man sich unweigerlich auch selbst dieser Frage stellen.
Von der individuellen Geschichte weitet sich der Film dabei zu einer gesellschaftlichen Ebene, wenn ein ganzer U-Bahn-Waggon mit Afroamerikanern ebenso wie mit weißen Polizisten Rogers TV-Begrüßungslied zu singen beginnt, als er unter den Fahrgästen entdeckt wird. Auch das klingt kitschig, aber auch hier ist die tiefe Sehnsucht Hellers nach Auflösung sozialer und ethnischer Schranken und einer harmonischen Gemeinschaft spürbar und wirkt echt.
Vorwerfen kann man diesem sanften Drama, das durch seine Menschlichkeit und Güte berührt, zweifellos, dass hier alles ziemlich glattgebügelt ist, Ecken und Kanten fehlen – aber auch dies passt natürlich zu Mr. Rogers Kindersendung, mit der "A Beautiful Day in the Neighborhood" auch die tröstende, aufbauende und optimistische Grundhaltung verbindet.
An Sprachversionen bieten die bei Sony Pictures erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche und französische Synchronfassung sowie Untertitel in diesen und weiteren Sprachen. Die Extras umfassen unter anderem nicht verwendete Szenen, ein Making-of, ein Feature zu den Puppen und Miniaturen sowie einen Begleitkommentar von Marielle Heller.
Trailer zu "Der wunderbare Mr. Rogers"
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