top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

A Haunting in Venice


In seiner dritten Agatha Christie-Verfilmung lässt Kenneth Branagh den von ihm selbst gespielten Meisterdetektiv Hercule Poirot in einem Palazzo in Venedig einen Mordfall klären. Aber auch Gothic Horror-Momente können dem lahmen Who Dunnit kein Leben einhauchen.


Während sich Kenneth Branaghs ersten beiden Agatha Christie-Verfilmungen "Mord im Orient-Express" (2017) und "Tod auf dem Nil" (2022) immer mit berühmten Erstverfilmungen messen mussten, fällt dieses Problem bei "A Haunting in Venice" weg. Denn mit dem 1969 erschienenen "Die Schneewittchen-Party" / "Die Halloween-Party" ("Hallowe´en Party") hat der Brite dieses Mal einen relativ unbekannten Roman der legendären Krimiautorin adaptiert.


Im Gegensatz zu den ersten beiden Verfilmungen geht Branagh mit der Vorlage auch sehr frei um. Er verlegt die Handlung von England in die Lagunenstadt und situiert sie zeitlich mit 1947 kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der aufgrund der Kriegsgräuel desillusionierte Meisterdetektiv (Kenneth Branagh) hat sich im Film auch schon zur Ruhe gesetzt, wird aber von einer berühmten Krimiautorin (Tina Fey) aufgespürt.


Mag Poirot sich auch sträuben so schleppt ihn diese Bestsellerautorin doch ausgerechnet in einen Palazzo zu einer Séance, bei der ein Medium (Michelle Yeoh) Kontakt zur vor einem Jahr unter ungeklärten Umständen verstorbenen erwachsenen Tochter der Hausherrin herstellen soll. Bald gibt es freilich eine weitere Leiche und Poirot beginnt zu ermitteln.


Ein spannender Kontrast stellt sich zunächst mit dem Medium und ihrer Totenbeschwörung und der strengen Rationalität Poirots ein, doch wenig macht Branagh letztlich daraus. Für Augenfutter sorgt am Beginn zwar der immer attraktive morbide Glanz der Lagunenstadt, doch bald verlagert sich die Handlung ganz in einen baufälligen Palazzo, in dem Kinder herumgeistern sollen, die während der Pest umkamen. - Anachronistisch ist dabei die Verbindung der Handlung mit einer Halloween-Feier, kam dieser Brauch doch erst in den 1990er Jahren von den USA nach Europa.


Kompakt gehalten ist wie in "Mord im Orient Express" und "Tod auf dem Nil" die Handlung durch die Konzentration auf den Palazzo, den Poirot nach dem Mord abriegelt, und auf eine Nacht. Gleichzeitig führt die räumliche Beschränkung aber auch zu Statik. In üblicher Manier verhört der belgische Detektiv alle Anwesenden und deckt ihre Geheimnisse auf, bis der Mörder überführt ist.


Doch auch ein beinahe während des ganzen Films niedergehendes Gewitter und heftiger Regen, der auch die Stabilität des Palazzo zu gefährden droht, sowie immer wieder gekippte Kameraperspektiven lassen keine wirkliche Spannung aufkommen. Branagh scheint sich der dünnen Suppe, der im Gegensatz zu "Tod auf dem Nil" auch die Schauwerte fehlen, durchaus bewusst gewesen zu sein, sodass er versucht den Film mit Gothic Horror-Momenten aufzumöbeln.


Doch mögen auch der Halloween-Abend mit seinen Maskierten für ein gruseliges Ambiente sorgen, unvermutet ein mächtiger Leuchter von der Decke fallen, ein totes Telefon plötzlich klingeln, Türen knallen und Wasserhähne verrückt spielen, so arbeitet der Brite hier doch mit längst verbrauchten Schockmethoden. Ganz offensichtlich sitzt er in der Zwickmühle, will einerseits mehr als einen klassischen Whodunnit bieten, andererseits aber das anvisierte bildungsbürgerliche Publikum nicht mit heftigem modernem Horror schocken.


Während auch schauspielerisch zwar routinierte Leistungen geboten, aber kaum wirklich schillernde und spannende Charaktere gezeichnet werden, sorgt immerhin die Situierung der Handlung nach Ende des Zweiten Weltkriegs für einige interessante Akzente.


Wie die Seelen der kindlichen Pestopfer im Palazzo herumzugeistern scheinen, werfen nämlich auch die Verwerfungen der unmittelbar überwundenen Kriegszeit ihre Schatten auf die Figuren und die Handlung. Denn da gibt es einen vom Krieg schwer traumatisierten Briten ebenso wie zwei junge Roma, die die Kriegszeit in Angst vor Deportation und Vernichtung verbrachten und nun als Heimatlose von einem neuen Leben in den USA träumen. – Bedrückender als der Geisterbudenzauber im Palazzo und interessanter als die Verhöre Poirots sind diese Schicksale, die eindrücklich an die lebenslangen Folgen eines Krieges auch für die Überlebenden erinnern.


A Haunting in Venice USA 2023 Regie: Kenneth Branagh mit: Kenneth Branagh, Kelly Reilly, Michelle Yeoh, Jamie Dornan, Camille Cottin, Tina Fey, Jude Hill, Ali Khan, Emma Laird, Riccardo Scamarcio Länge: 104 min.



Läuft derzeit in den Kinos


Trailer zu "A Haunting in Venice"


Comments


bottom of page