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AutorenbildWalter Gasperi

A Perfectly Normal Family


Wie reagiert die Familie, wenn der Ehemann und Vater erklärt, dass er sich als Frau fühlt und eine Geschlechtsanpassung durchführen will? – Die Dänin Malou Reymann erzählt davon in ihrem von eigenen Erfahrungen geprägten Spielfilmdebüt einfühlsam aus der Perspektive der elfjährigen Tochter.


Ein echter Fußballfan ist Thomas (Mikkel Boe Følsgaard) und hat auch seine Tochter Emma schon von klein auf dafür begeistert. Jetzt spielt die Elfjährige (Kaya Toft Lohol) in einer Jugendmannschaft und der Vater scheint kein Spiel zu verpassen. Eine harmonische Familie wird auch immer wieder in den eingeschnittenen Home-Movies präsentiert, in denen man zunächst Emma als Baby, dann zusammen mit ihrer drei Jahre älteren Schwester beim Suchen von Ostereiern, in Faschingskostümen oder beim Backen von Keksen sieht.


Nun soll auch der Wunsch der Kinder nach einem Hund erfüllt werden, doch bei der Suche nach einem passenden Tier bricht der Vater plötzlich in Tränen aus und angespannt ist die Stimmung auf der Heimfahrt. Unklar ist, was los ist, bis die Mutter den geschockten Kindern beim Abendessen erklärt, dass sie sich scheiden lassen werden. Als Thomas nichts zu den Gründen sagen will, fügt sie hinzu "weil Papa eine Frau sein will".


Während dies für die 14-jährige Caroline (Rigmor Ranthe) kein Problem darzustellen scheint, sich ihre Beziehung zum Vater sogar intensiviert, kann Emma damit nicht umgehen. Ganz aus der Perspektive dieses Mädchens, das selbst auf die Probleme der Pubertät zusteuert, erzählt Malou Reymann, deren eigener Vater ebenfalls zur Frau wurde, als sie elf Jahre alt war.


Nicht in der Gegenwart lässt die 1988 geborene Regisseurin ihr Spielfilmdebüt folglich spielen, sondern verankert es durch Gespräche über Britney Spears oder das Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und Valencia um die Jahrtausendwende.


Große Einfühlsamkeit entwickelt "A Perfectly Normal Family" dabei durch diese persönliche Komponente und wirkt lebensecht und ehrlich. Bewegend gelingt es Reymann den inneren Aufruhr Emmas, den Zwiespalt zwischen großer Liebe zum Vater und plötzlich veränderter Situation zu vermitteln. In jeder Szene ist dieses von der zwölfjährigen Kaya Toft Loholt großartig gespielte Mädchen präsent und auch die bewegliche und nah geführte Kamera führt zu starker Identifikation.


Aber auch die Schwierigkeit von Thomas, der sich nun Agnete nennt, zu seiner neuen Identität zu stehen und gleichzeitig seine alte nicht zu verleugnen wird sichtbar, wenn er nie widerspricht, wenn er von Fremden für die Mutter gehalten wird. Völlig überzeugend spielt Mikkel Boe Følsgaard diese Transgenderfrau, die im Spannungsfeld zwischen der neuen eigenen Identität und der großen Liebe zu seinen Töchtern steht.


Während nämlich die Mutter bald davon spricht, dass man von Thomas / Agnete Abschied nehmen müsse, widerspricht ihr Caroline entschieden. Besonders sie will den Kontakt zu ihrem Vater weiter pflegen, während Emma bei einer familientherapeutischen Sitzung Treffen, zu der der Vater in Frauenkleidern kommt, die Augen mit einem Schal abdeckt, um ihn nicht sehen zu müssen. Dennoch besuchen die Töchter bald doch Agnete, der in Thailand eine Operation zur Geschlechtsanpassung durchführen ließ, verbringen mit ihm auch einen Urlaub auf Mallorca oder gehen gemeinsam bowlen.


Wie schon im Titel wirft so der ganze Film die Frage nach Normalität auf und macht bewusst, wie viel Zeit es bei der Mutter und Emma braucht, bis sie das zunächst Verstörende akzeptieren und in ihr Leben aufnehmen können. Läuft nämlich am Beginn die familientherapeutische Sitzung völlig aus dem Ruder, so ist gegen Ende die Stimmung bei der Konfirmationsfeier von Caroline entspannt und die Geschlechtsanpassung von Thomas / Agnete kein Thema mehr. Der innerfamiliären Akzeptanz stehen in Emmas Fußballclub aber wiederum die heimlichen Hänseleien ihrer MitspielerInnen über sie und ihren Vater gegenüber.


Nichts Großes passiert im Grunde in diesem in warmes Sommerlicht und kräftige Farben getauchten Debüt, sondern es lebt vom genauen Blick und großen Gespür für die Gefühle der ProtagonistInnen. Ein sanftes, aber durch seine menschliche Wärme und Reymanns Einfühlungsvermögen intensives Drama, das nicht nur bewegend und ohne zu urteilen die unterschiedlichen Perspektiven vermittelt, sondern durch seinen leisen Humor auch Leichtigkeit bewahrt, ist der 32-jährigen Dänin so mit "A Perfectly Normal Family" gelungen.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos - z.B. im Kinok in St. Gallen und im Skino in Schaan.


Trailer zu "A Perfectly Normal Family"




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