Zum 100. Geburtstag von Anthony Mann
Schnörkellosigkeit und Stringenz machen die Western des am 30. Juni 1906 geborenen und 1967 gestorbenen Anthony Mann zu Meisterwerken nicht nur des Genres. Zeitlos sind diese Filme in ihrem nüchternen Blick auf zerrissene Charaktere und in der Verknüpfung von Raum und Figuren.
In der Schlusseinstellung von »The Naked Spur« (1953) öffnet die Kamera mit einer Kranfahrt den Raum und James Stewart und Janet Leigh gehen förmlich in die weite Landschaft hinein. Typisch für die Filme Manns ist dieses Ende. Nichts ist hier gewonnen, eine Aufgabe wurde zwar erledigt, doch die Zukunft muss erst und muss stets neu erkämpft werden. Kein Happy-End ist dies, aber immerhin die Möglichkeit eines Neuanfangs. Und diese Möglichkeit zieht sich durch viele Western Manns.
Möglich, aber bei weitem nicht gewiss, ist so, dass sich James Stewart und Cathy O´Donnell in »The Man from Laramie« (1955) wieder treffen, und vielleicht finden sich ja auch Gary Cooper und Julie London aus »The Man from the West« (1958) einmal wieder, obwohl sie sich am Ende trennen, weil sie sich nicht lieben.
Mann erzählt konsequent und stringent Geschichten. Seine Filme sehen auf den ersten Blick wie die eines routinierten Handwerkers aus, gewinnen aber durch die Inbrunst und Ernsthaftigkeit der Inszenierung zwingende Kraft. Man spürt ganz einfach die Leidenschaft und das persönliche Engagement des Regisseurs. So wiederholen sich auch die Themen. Der Gesellschaft und der Zivilisation steht Mann kritisch gegenüber. Die Eroberung des Westens bringt in »Bend of the River« (1952) nicht Glück und Segen, sondern bringt vielmehr Gier und Gewalt in ein früheres Paradies.
Nicht in der Gesellschaft, sondern am Rande spielen folglich die Western Manns. Keine strahlenden Helden, sondern von Gewalt getriebene, zerrissene Männer, die vielfach schon eine kriminelle Vergangenheit hinter sich haben, stehen im Mittelpunkt. Nur die Rache hält sie noch am Leben, menschlich zu empfinden und ihre Aggressionen und Verbitterung abzubauen müssen sie erst wieder mühsam lernen. Die raue Landschaft fungiert dabei als Spiegelbild der Seele. Mann psychologisiert aber weder wie George Stevens in »Shane« (1953) noch arbeitet er mit einem politischen Subtext wie Fred Zinnemann in »High Noon« (1952). Seine Filme erzählen nichts als ihre Geschichten und werden gerade durch ihre Reduktion und Kargheit zu allgemein gültigen Auseinandersetzungen mit der condicio humana.
Obwohl die Western »Winchester 73« (1950), »Bend of the River« (1952), »The Naked Spur« (1953), »The Man from Laramie« (1955), »The Far Country« (1955) und »Man of the West« (1958) als Manns Meisterwerke gelten, sollte man auch seine kleinen Film noir, die am Anfang seiner Karriere standen, nicht unterschätzen. »Raw Deal« (1948), »T-Men« (1948) oder »Railroaded« gelten als Musterbeispiele dafür, wie mit kleinem Budget und Aufwand durch perfekte Nutzung filmsprachlicher Mittel ein Maximum an Spannung und Atmosphäre erzeugt wird.
Weniger zuhause fühlte sich Mann dagegen in den Monumentalfilmen, die er gegen Ende seines Leben drehte (»El Cid«, 1961; »The Fall of the Roman Empire«, 1964). Das Ausladende dieses Genres passte wohl wenig zu Manns knappem Inszenierungsstil.
Eine enthusiastische Fangemeinde wie Nicholas Ray oder Sam Fuller, dezidierte Schüler und Epigonen hatte dieser souveräne Stilist nie. Und dennoch lebt seine Art des schnörkellosen Geschichten Erzählens im Kino eines anderen Mann fort: Was Anthony Mann vor gut 50 Jahren machte, bieten heute die Filme von Michael Mann (»Heat«, »Insider«, »Collateral«).
(Zuerst erschienen auf: Kultur-online, Juni 2006)
Die Filme
a) FRÜHWERK
Das schwarze Buch – The Black Book
1794 versucht Robespierre in Frankreich mittels Terror die Alleinherrschaft an sich zu reißen, doch seine Gegner versuchen ihn daran zu hindern und zu stürzen. Was vom Hintergrund her ein Historienfilm ist, wird durch die geniale Schwarzweißfotografie von John Alton und den Krimiplot zu einem Film noir. Anthony Manns ebenso eigenwilliger wie spannender Genre-Mix ist bei Koch Media in der Reihe Film Noir Collection auf DVD erschienen.
Statt in der finsteren amerikanischen Großstadt spielt dieser Film noir im spätrevolutionären Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Historizität wird hier schon mit der genauen Datierung auf den 26. Juli 1794 behauptet und in expressiven Großaufnahmen werden die historischen Protagonisten Robespierre, Danton, Barras, Saint Juste und Fouché vorgestellt.
Die absolute Machtergreifung durch Robespierre steht unmittelbar bevor. Danton hat er schon hinrichten lassen, Barras sitzt schon im Gefängnis. Vom Exil in Österreich aus versucht General Lafayette aber den Coup Robespierres zu verhindern und schickt Charles d´Aubigny in der Rolle des Straßburger Henkers Duval nach Paris. Dort soll er Robespierres schwarzes Buch, das eine Todesliste enthält, ausfindig machen. Die Veröffentlichung der Liste soll anschließend die Massen mobilisieren. Doch d´Aubigny muss ständig fürchten sich zu verraten und enttarnt zu werden, denn seine Gegner sind äußerst misstrauisch.
Historisch ist nur der Hintergrund, denn d´Aubigny agiert wie ein Undercover-Agent in einem zeitgenössischen US-Krimi. Meisterhaftes Spannungskino bietet Anthony Mann dabei, wenn er eine Szene dehnt, in der der Protagonist beim Verlassen eines Gefängnisses fast von Duvals echter Frau enttarnt wird, oder wenn er sich mit seiner Helferin in einem Bauernhof verstecken muss. Perfekt wird auch die Parallelmontage eingesetzt, wenn die Befragung durch Soldaten, die die Flucht verzögert, immer wieder durch Bilder der sich nähernden Verfolger unterbrochen wird.
Dazu kommt die geniale Schwarzweißfotografie von John Alton. Er ist der perfekte Kameramann für einen Film noir, filmte auch einen Western wie Anthony Manns «Devil´s Doorway» in diesem finsteren schwarzweißen Stil, was ihm einen seltsamen Look verlieh. Auch hier arbeitet Alton mit starken Hell-Dunkel-Effekten, löst immer wieder die weißen Gesichter aus dem dunklen Hintergrund heraus, macht mit Weitwinkelobjektiv die Räume eng und beklemmend – und vermittelt damit auch die Beklemmung der Zeit -, indem er Boden und Decke in eine Einstellung presst.
Historisch ist das zwar bis hin zum Ende, in dem sich ein Soldat als Napoleon Bonaparte zu erkennen gibt und damit schon die Zukunft Frankreichs angedeutet wird, alles andere als sorgfältig recherchiert und korrekt, besticht aber als dichter Thriller in historischem Gewand.
An Sprachversionen bietet die bei Koch Media in der Reihe Film noir Collection erschienene DVD die englische Original- und die deutsche Synchronfassung, aber keine Untertitel. An Extras gibt es abgesehen von einer Bildergalerie zwar nur ein Booklet von Thomas Willmann, doch dieses möchte man aufgrund der fundierten Informationen, die hier geboten werden, nicht missen.
(zuerst erschienen auf: Kultur-online am 6.2. 2014)
b) WESTERN
Meuterei am Schlangenfluss – Bend of the River
Kann ein Mensch sich ändern und wie pervertiert Gier nach Gold den Charakter? - Anthony Mann verhandelt diese Fragen in seinem meisterhaften Western, der bei Koch Media auf Blu-ray und DVD in bestechender Bildqualität und – neben der englischen Originalfassung - mit der originalen deutschen Kino-Synchronfassung erschienen ist.
Anthony Mann fackelt in seinem 1952 entstandenen Western nicht lange, sondern versetzt den Zuschauer sogleich in einen beschwerlichen Treck durch den rauen Nordwesten der USA in Richtung Oregon. Angeführt wird die Gruppe, die sich im «gelobten Land» als Farmer niederlassen will, von Glyn McLyntock (James Stewart). Dass dieser eine dunkle Vergangenheit hat, wird klar, als er einen anderen Westerner, Emerson Cole (Arthur Kennedy), der ihn wiedererkennt, vor dem Galgen rettet.
Beide haben eine Banditen-Laufbahn hinter sich, verschweigen diese aber wohlweislich den Siedlern. Während McLyntock freilich ein neues Leben als Farmer beginnen will, bleibt Cole lieber in der nächsten Stadt. Ist diese zunächst noch eine beschauliche Siedlung, so erscheint sie als Tollhaus, als McLyntock und der Chef der Siedler zurückkehren, um sich um die Lieferung der versprochenen Nahrungsmittel und Rinder zu kümmern.
Goldfunde haben nicht nur zahlreiche Abenteurer angezogen, sondern auch die Preise ins Unermessliche steigern lassen. Jeder versucht hier ein Geschäft zu machen, Gier bestimmt das Handeln, Menschlichkeit und Gemeinschaftssinn sind auf der Strecke geblieben. Dennoch hilft auch Cole zunächst McLyntock und den Siedlern, fällt ihnen aber in den Rücken, als er auf andere Weise mehr verdienen kann.
In großen, aber nie selbstzweckhaften, sondern immer aus der Handlung resultierenden Panoramaaufnahmen - gedreht wurde in Oregon feiert Mann die Schönheit der unverfälschten Natur, der Berge und Flüsse. Hier gibt es nichts Kulissenhaftes. Aus dem Raum heraus wird die Handlung erzählt und ist untrennbar mit ihm verknüpft. Atmosphärische Dichte und mitreißende Kraft entwickelt «Bend of the River» allein schon aus dieser starken räumlichen Verankerung.
Zivilisationskritisch stellt Mann aber auch dieser atemberaubenden, aber auch rauen Landschaft, die dem Menschen viel abverlangt, aber aus der er mit seiner Arbeit einen Ort der Gemeinschaft und des glücklichen Zusammenlebens schaffen kann, die Stadt mit Geschäftemachern und Goldgräbern gegenüber, unter denen jeder nur an sich denkt und das Recht des Stärkeren herrscht.
Die Utopie schwingt hier mit, dass mit einem Neubeginn mit dieser Korrumpierung und Pervertierung des Menschen und der Gemeinschaft gebrochen werden kann, gleichzeitig hängt aber auch die Erinnerung an diese Entwicklung an anderen Orten wie ein Damoklesschwert über der neuen Siedlung, lässt auch für diese für die Zukunft den Sturz des Paradieses in Barbarei befürchten.
Gleichzeitig verpacken Mann und sein Drehbuchautor Borden Chase in die schnörkellos erzählte und hervorragend aufgebaute Handlung aber auch einen Diskurs über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Wandlung eines Menschen. Da muss der Chef der Siedler, der zunächst der Ansicht ist, dass ein Mensch sich nie wandeln könne und ein Verbrecher wie ein fauler Apfel von der Gemeinschaft entfernt werden müsse, zwar seine Meinung revidieren, gleichzeitig zeigt sich am Beispiel Coles aber auch, dass diese Wandlung keine Selbstverständlichkeit ist, ein Rückfall in ein altes Verhalten immer wieder möglich ist.
Großartig verkörpert folglich auch Manns-Stammschauspieler James Stewart McLyntock als einen zerrissenen Mann, der mit seiner Vergangenheit brechen möchte, aus dem aber immer noch, wenn er provoziert wird, die alte Gewalttätigkeit und Aggressivität herausbricht, wenn auch nun im Einsatz für die Siedler.
Durchaus doppeldeutig kann bei diesem reichen und vielschichtigen Western auch der Originaltitel «Bend of the River» – der im deutschen Titel vorkommende «Schlangenfluss» wird im ganzen Film nie erwähnt – gelesen werden. Denn einerseits kann dieser real auf die Biegung des Flusses bezogen werden, aber natürlich auch auf die Möglichkeit des Menschen zu einer Wandlung seines Charakters und der Fähigkeit eine neue Richtung im Leben einzschlagen.
Das ist eine der großen Stärken von Manns Western, dass sie einerseits packend eine ganz konkrete Geschichte erzählen, in ihr aber ganz selbstverständlich und unprätentiös existentielle menschliche und gesellschaftliche Fragen diskutieren.
An Sprachversionen bietet die bei Koch Media erschienene Blue-ray und DVD die englische Original- und die deutsche Kino-Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben dem Kinotrailer Bildergalerien mit Artworks und Set-Fotos auch die viel gescholtene deutsche TV-Synchronisation.
(erschienen auf: Kultur-online am 21.9. 2017)
Draußen wartet der Tod – The Last Frontier
Ein Trapper heuert in einem Fort als Pfadfinder an, doch bald kommt es aufgrund des umbesonnenen Kommandanten, der rücksichtslos das Leben seiner Männer riskiert, zu Konflikten. Bei explosive media ist Anthony Manns 1955 gedrehter Western, der nicht nur mit prächtigen Landschaftsaufnahmen punktet, auf Blu-ray und DVD erschienen.
Der Diskurs über Zivilisation und Freiheit, der sich durch den ganzen Film zieht, setzt schon mit der Exposition ein: Drei Trappern werden hier von den Indianern ihre Gewehre, Pferde und Felle abgenommen. Im Grunde sind aber nicht sie das Problem, denn bisher ließen sie die Indianer ungehindert jagen, sondern das Vordringen der Armee, die auch in dieser Region ein Fort errichtet hat. Die Bedrohung des Lebensraums der Indianer wirkt sich so unmittelbar auf das Leben der drei Individualisten aus.
Ein echter Wilder ist der Trapper Jed Cooper (Victor Mature), hat noch nie etwas vom Christentum gehört, kennt keine Vorgesetzten und macht mehr oder weniger, was er will. Sein Versuch vom Fort den Verlust, der ihnen von den Indianern zugefügt wurde, ersetzt zu bekommen, scheitert verständlicherweise. Weil der Kommandant aber dem Trio ein Gehalt anbietet, wenn sie als Pfadfinder anheuern, bleiben Cooper und seine beiden Freunde dort.
Zivilisation, die hier mit dem Regelwerk der Armee und strenger Unterordnung verbunden ist, trifft so auf die Ungebundenheit und Individualität Coopers, der gleichwohl von den Uniformen fasziniert ist. Mit Captain Riordan (Guy Madison) und seinem Vorgesetzten Oberst Marston (Robert Preston), der bald von einem anderen, von den Indianern niedergebrannten Fort eintrifft, treffen aber auch zwei völlig unterschiedliche Offiziere aufeinander.
Während Riordan besonnen und mit Hausverstand agiert, Verständnis für Cooper zeigt, ist Marston ein brutaler Schinder, der die militärische Lage völlig falsch einsetzt und blindlings das Leben seiner Männer aufs Spiel setzt. Fast zwangsläufig muss es zwischen Marston und Cooper zum Konflikt kommen, der sich noch dadurch verschärft, dass sich Cooper in Marstons Frau Corinna (Anne Bancroft) verliebt.
Mit dieser kommt ein weiterer Aspekt des Diskurses über zivilisatorische Zwänge und Freiheit des Individuums ins Spiel, denn Corinna ist unglücklich in ihrer Ehe und schloss sie auch nicht freiwillig, sondern wurde von ihren Eltern früh Marston versprochen.
Zivilisation und Urzustand treffen aber auch mit den Schauplätzen aufeinander, wenn auf der einen Seite die offene Landschaft mit unberührten Wäldern und einem vergletscherten Berg im Hintergrund stehen und auf der anderen Seite das abgeschlossene quadratische Fort mit seinen Palisaden.
Es ist der Diskurs über dieses Spannungsfeld, das den Reiz dieses prächtig fotografierten Western ausmacht. An die großen Western, die Anthony Mann mit James Stewart drehte, reicht «Draußen wartet der Tod» aber nicht ganz heran. Denn das ist zwar zweifellos routiniert und schnörkellos inszeniert, beeindruckt mit langen Einstellungen, in denen viele Szenen gefilmt sind, lässt es aber insgesamt - nicht nur aufgrund des unpassenden Endes - an den Ambivalenzen und der Schärfe, die Manns Meisterwerke auszeichnen, vermissen.
An Sprachversionen bietet die bei explosive media erschienene Blu-ray und DVD die englische Originalfassung und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras beschränken sich auf eine Bildergalerie sowie Trailer zu weiteren Filmen dieses Labels.
(erschienen auf: Kultur-online am 4.1. 2018)
Stern des Gesetzes – The Tin Star
Ein abgebrühter Kopfgeldjäger und ein junger, unerfahrener Sheriff, ein feiges Kleinbürgertum, das unter Führung eines Revolverhelden schnell zum lynchwütigen Mob wird. – Pointierte Gegensätze, vielschichtige Charaktere, treffliche Besetzung und konzentrierte Inszenierung machen Anthonys Manns 1957 entstandenen Western zu einem immer noch starken Filmerlebnis. Bei Schröder Media ist der Klassiker auf DVD erschienen.
Obwohl 1957 gedreht, ist «The Tin Star» schwarzweiß. Der raue und ungeschönte Look, den dieser Western dadurch erhält, passt gut zum pessimistischen Blick Anthony Manns auf die menschliche Gesellschaft.
Klassisch ist der Beginn mit der Ankunft eines Fremden in einer Westernstadt. Ohne Worte kommt Mann dabei aus, beschränkt sich darauf die Reaktionen der misstrauischen Bürger auf die Ankunft des Reiters, der auf seinem Packpferd einen Toten mit sich führt, zu zeigen.
Wenn dieser Morgan Hickman (Henry Fonda) im Büro des Sheriffs ankommt, trifft nicht nur ein erfahrener älterer Mann, der aus Verbitterung zum Kopfgeldjäger wurde, auf einen noch recht hilflosen jungen Vertreter des Gesetzes (Anthony Perkins), sondern damit werden auch die beiden Protagonisten vorgestellt. Trefflich besetzt sind sie mit Henry Fonda und dem etwas linkischen Anthony Perkins.
Wie hilflos dieser Ben Owens ist, wird bald deutlich, als ihn der machtgierige Bart Bogardus, der gern selbst Sheriff wäre und die Stadt kontrollieren will, nach einem Mord an einem Halbblut provoziert und Owens nur dank des Eingreifens Hickmans dem Tod entgeht. Doch der Kopfgeldjäger ist in der Kleinstadt nicht gern gesehen, bekommt weder ein Hotelzimmer noch lässt Bogardus ihn sein Pferd in seinem Mietstall einstellen.
Aufnahme findet er nur bei einer verwitweten jungen Frau und ihrem Sohn, die ebenfalls Ausgestoßene sind, da sie die Frau eines Indianers war und der Junge ein Halbblut ist. Der in seinem Job als Sheriff völlig überforderte Owens bittet dennoch Hickmann um Hilfe.
Im Zentrum steht so eine Lehrer-Schüler-Geschichte, aber Anthony Mann erzählt auch, wie der Kopfgeldjäger zurück in eine bürgerliche Existenz findet, und reflektiert beiläufig über das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft.
Manns Blick auf die Gesellschaft ist dabei die des verbitterten Hickmann, der erkannt hat, dass die Bürger zwar dem Sheriff schmeicheln, solange sie ihn brauchen, ihn aber nicht unterstützen, wenn er selbst Hilfe braucht. Wie Will Kane in Fred Zinnemanns «High Noon» ist auch hier der Sheriff in Notsituationen auf sich gestellt, muss erkennen, dass ihn die Honoratioren der Stadt im Stich lassen, wenn die Masse dem Aufruf des gewalttätigen Bogardus zu Lynchjustiz folgt.
Spiegelbildlich wiederholt sich dabei am Ende das Duell vom Anfang, der Ausgang wird freilich ein anderer sein. Mit Genugtuung kann so auch Hickman schließlich die Stadt wieder verlassen – nun freilich nicht mehr allein.
Wunderbar stringent aufgebaut ist das Drehbuch von Dudley Nichols, prägnant sind die Dialoge, in denen auch trockener Humor nicht fehlt, und variantenreich ist die Filmmusik von Elmer Bernstein. Wie präzise und konzentriert Inszenierung und Bildsprache (Kamera: Loyal Griggs) sind, zeigt sich schon in der Eröffnungsszene, in der innerhalb von wenigen Minuten trefflich die Charaktere und ihre Beziehungen vorgestellt werden.
Zum Meisterwerk wird «The Tin Star» aber vor allem auch dadurch, wie Mann hier einerseits eine ganz einfache Geschichte erzählt, andererseits in dieser ganz selbstverständlich und nie aufgesetzt, aber prägnant und schlüssig grundsätzliche und zeitlose gesellschaftliche Fragen verhandelt.
So geht es um Lernprozesse und das Wachsen eines Mannes, um Ausgrenzung und die Nähe, die sich unter den Ausgegrenzten entwickelt, um die Verführbarkeit der Masse und schließlich um die Heuchelei eines Bürgertums, das Ämter mit dem Nimbus einer großen Ehre versieht, um leichter jemanden für einen ungeliebten und vor allem gefährlichen Job zu finden.
An Sprachversionen verfügt die bei Schröder Media erschienene DVD über die englische Original- und die deutsche Synchronfassung, aber über keine Untertitel. Extras gibt es keine.
(erschienen auf: Kultur-online am 3.8. 2017)
Der Mann aus dem Westen – Man of the West
Ein Mann hat seine kriminelle Vergangenheit schon Jahre hinter sich gelassen, doch dann trifft er wieder auf seine alte Bande. Anthony Mann entwickelt aus diesem klassischen Westernthema einen grandiosen, in freier Natur spielenden Film, bei dem nicht Action, sondern die Beziehungen zwischen den Figuren im Mittelpunkt stehen. Koch Media hat Manns letztes Meisterwerk auf DVD herausgebracht.
Durch die endlos weite Landschaft nähert sich ein Westerner auf seinem Pferd langsam dem Bildvordergrund. Das Cinemascope-Format betont nicht nur die Weite des Raums, sondern vermittelt auch eine Ahnung von der Zeit, die nötig ist, um diesen Raum zu überwinden. Von der Wildnis kommt der wortkarge Mann schließlich in eine Stadt, zu einem Saloon und zum Bahnhof der Eisenbahn, die ihm völlig fremd ist und ihn verunsichert.
Mit Skepsis folgt man diesem Mann, der sich beim Einstellen des Pferdes als Link Jones (Gary Cooper) vorstellt, dann aber dem Sheriff gegenüber, der ihn zu erkennen glaubt, einen anderen Namen angibt: Ein Geheimnis muss er mit sich tragen. Wie er vor dem Saloon der abreisenden Sängerin Billie (Julie London) über den Weg läuft, so am Bahnhof einem professionellen Falschspieler.
Ganz auf dieses Trio fokussiert Anthony Mann bei der Zugfahrt, bei der wieder wechselnde Tageszeiten das Verstreichen von Zeit und damit das Zurücklegen von großen Distanzen betonen. Als der Zug überfallen wird, dann aber den Gangstern davon fährt, bleiben Jones, der Falschspieler und die Saloon-Sängerin allein zurück. Sie wollen sich zur nächsten Stadt durchschlagen, kommen aber bald zu einer verfallenen Farm, in der Jones auf seine ehemalige Bande trifft, die immer noch von seinem Onkel angeführt wird...
Ganz auf das Verhältnis von Jones zur Sängerin, die er zum Schutz als seine Frau ausgibt, und zur Bande, zu Onkel Dock Tobin (Lee J. Cobb), der glaubt, dass der Neffe von sich aus zu ihm zurückgekehrt sei, und zum argwöhnischen Cousin konzentriert sich Anthony Mann. Keine Nebenhandlungen gibt es hier, keine Nebenfiguren. Glasklar entwickelt sich in offener Landschaft die Geschichte.
In der Härte, die «Der Mann aus dem Westen» in seiner unsentimental-nüchternen Erzählweise, entwickelt, verweist dieser Western schon auf den Italo-Western voraus. Legendär ist der brutale Kampf zwischen Jones (Gary Cooper) und seinem Cousin Claude (John Dehner), an dessen Ende Jones seinen Gegner regelrecht auszieht. Nicht weniger unvergesslich ist aber auch die Szene, in der ein Stummer tödlich getroffen laut schreiend durch eine Geisterstadt rennt.
Dort wollte Dock Tobin mit seiner Bande die Bank überfallen, doch stellte sich beim Erkunden der Lage heraus, dass die Bergwerksstadt schon seit Jahren verlassen ist. Tobin wird damit als ein von der Zeit längst überholter Gangster dargestellt, sein Ende ist vorprogrammiert, während die Zukunft Jones gehört, der bürgerlich geworden ist.
Doch eine gemeinsame Zukunft mit der Sängerin wird es nicht geben. Mag sie ihn auch lieben, er denkt nur an seine Familie. Wie Jones in der ersten Einstellung in der Totale aus der Tiefe des Raums langsam näher kam, so entfernt sich nun der Pferdewagen mit Jones und Billie in den Raum. – Kein Happy-End, sondern ein offenes Ende und ein neuer Anfang ist das: die Zukunft kann erst beginnen, nachdem ein Schlussstrich unter die Vergangenheit gezogen wurde.
Meisterhaft ist dieser Western in seiner Klarheit, in der Geradlinigkeit und Konzentration, mit der Mann die Geschichte erzählt, und in der Einbettung der Handlung in die freie Natur. In der konkreten kleinen Geschichte spiegelt sich dabei auch die gesellschaftliche Entwicklung, die viele Western thematisieren: den Übergang von rauen Gangstern, die im Grenzbereich ihr Unwesen treiben, zur zivilisiserten Welt, in der für solche Typen kein Platz mehr ist. Deutlich wird das auch in der Funktion, in der Jones unterwegs ist: Er soll für sein neue Heimatstadt, die bezeichnenderweise «Good Hope» heißt, in Fort Worth eine Lehrerin anheuern.
Die Kunst von Mann besteht freilich darin, dass solche Implikationen nie prätentiös ausgebreitet werden, sondern unterschwellig mitlaufen. So gelassen und stoisch wie Gary Cooper diesen Jones spielt, ist die Erzählweise: «Der Mann aus dem Westen» ist ein Film, der zunächst einmal ganz einfach gesehen werden will und dessen größte Qualität in seiner kristallinen Klarheit besteht.
So abgespeckt wie Manns Film sind auch die Extras dieser von Koch-Media herausgegebenen DVD. Zwar wartet das Booklet mit Jean-Luc Godards berühmten Artikel über diesen Western auf, daneben wird an Zusatzmaterial aber nur der Trailer und eine Bildergalerie geboten. Bei Sprachen kann man zwischen dem amerikanischen Original und Deutsch wählen, auch sind deutsche Untertitel zuschaltbar.
(erschienen auf: Kultur-online am 1.3. 2012)
c) „AMERICANA“
In geheimer Kommandosache – Strategic Air Command
Anthony Mann und James Stewart – ein Duo, das für einige der besten Western der 1950er Jahre verantwortlich zeichnet. Routiniert inszeniert ist zwar auch diese Hymne auf die US-Luftwaffe, die bei Schröder Media auf DVD entschieden ist, bleibt aber in der Handlungsführung und Figurenzeichnung doch blass.
Im Zweiten Weltkrieg war Robert «Dutch» Holland (James Stewart) Bomberpilot, jetzt zeichnet sich, obwohl er nicht mehr ganz der Jüngste ist, eine lukrative Baseball-Karriere und glückliche Ehe mit Sally (June Allyson, die auch schon 1953 in dem ebenfalls von Anthony Mann gedrehten «Die Glenn Miller Story» den Ehemann von James Stewart spielte) ab. Doch Mitte der 1950er Jahre ist der Zweite Weltkrieg zwar schon zehn Jahre vorüber, doch stets droht aus dem Kalten Krieg ein echter Krieg zu werden und die USA bauen ihre Luftwaffe aus. Auf einen erfahrenen Mann, wie Holland will man da nicht verzichten. Seine Frau sieht es zwar nicht gerne, akzeptiert aber, dass er dem Ruf eines Generals folgt, steckt zurück und zieht aus dem neuen Haus zu ihm zum Luftwaffenstützpunkt.
Bürgerliches Leben und Eheglück hier, Dienst für den Staat - selbstverständlich zur Erhaltung des Friedens – dort – konsequent spielt Anthony Mann diesen Gegensatz durch, wirkliche Spannung will sich in «In geheimer Kommandosache» daraus aber kaum entwickeln. Zu klar und eindeutig ist das Bekenntnis des Films für die Luftwaffe und deren Notwendigkeit.
Ausgiebig feiert Mann die Langstreckenbomber, zuerst die Propellermaschinen, dann die Düsenjets. Bald begleitet die Kamera von William H. Daniels sie auf der Seite, bald im Rücken, zeigt, wie die schweren Maschinen nur mühsam abheben, wie sie das Fahrwerk aus- oder einfahren, wie sie majestätisch durch Wolkenformationen fliegen oder in der Luft aufgetankt werden.
Mann scheint geradezu vernarrt in die Technik und die stahlgrauen Kolosse. Ganz in stahlgrau und ins Blau der Uniformen ist folglich auch sein Film getaucht, dessen Handlung letztlich sehr dürftig ist. Er zeigt zwar die Angst der Ehefrau und ihre zunehmende Abneigung gegenüber der Air Force, betont aber bis zum Ende immer, dass dieses Opfer der Frauen eben nötig ist zum Erhalt des Friedens.
Zu wenig Profil gewinnen hier letztlich die Figuren, zu wenig Reibungen entstehen, denn einerseits bekennt sich der Film voll und ganz zur Air Force, andererseits zeigt er selbstverständlich auch Verständnis für Hollands Frau. Echte Spannung kann sich folglich nur in den Flugszenen entwickeln, in denen technische Probleme, schlechte Wetterbedingungen oder auch Übermüdung für brenzlige Situationen sorgen.
Doch auch hier schöpft Mann nur in der Schlussszene das dramatische Potential aus, während zuvor bei einer Notlandung auf Grönland, die in der Eiswüste Verschollenen viel zu schnell gerettet werden, so dass kaum ein Gefühl für die gefährliche Situation aufkommen kann.
An Sprachversionen verfügt die bei Schröder Media erschienene DVD über die englische Originalfassung und die deutsche Synchronfassung, aber über keine Untertitel. Extras werden keine geboten.
(erschienen auf: Kultur-online am 19.7. 2018)
Die Glenn Miller Story
In seinem 1954 gedrehten Biopic zeichnet Anthony Mann das Leben Glenn Millers von seinen musikalischen Anfängen um 1930 bis zu seinem Tod im Dezember 1944 nach. Der Klassiker, der durch flüssige und runde Inszenierung, sorgfältige Ausstattung und Besetzung sowie Millers Hits immer noch zu unterhalten vermag, ist bei Koch Media in der Reihe «Masterpieces of Cinema» als Blu-ray erschienen.
Eine Posaune ist das erste, was man in diesem Film sieht. Wieder einmal holt sie Glenn Miller (James Stewart) aus dem Pfandhaus, denn wenig erfolgreich ist er noch mit seiner Musik und muss sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Auf Inserts zu Ort und Zeit verzichtet Anthony Mann, doch lässt sich die Handlung durch die Autos um 1930 datieren und als Schauplatz durch die Cable Cars San Francisco ausmachen.
Auch im Folgenden wird auf Inserts verzichtet werden, bruchlos und fließend entwickelt sich so eine sich über zehn Jahre spannende Handlung, ohne in episodisches Erzählen abzugleiten. Auf einen Besuch bei seiner Jugendfreundin Helen (June Allyson) wird bald die Hochzeit folgen, auch wenn dazwischen zwei Jahre liegen. Misserfolge werden weggesteckt werden und angetrieben und unterstützt von seiner Frau wird Miller schließlich seinen Traum vom neuen Klang verwirklichen, wird den Glenn-Miller-Sound schaffen und damit Karriere machen.
Immer stärker rückt mit diesem Erfolg die Musik von Miller in den Mittelpunkt und zahlreiche seiner Hits von «Moonlight Serenade» über «In the Mood» und «Pennsylvania 6-5000» bis «Chattanooga Choo Choo» bekommt man zu hören. Trotz Tiefschlägen leicht ist der Erzählton, in einem Mix aus Komödie und Romantik erzählt Mann von der Beziehung zwischen Miller und seiner Frau und zieht erst im Finale emotional kräftig an, wenn der inzwischen berühmte Musiker, der mit seiner Band im Rahmen der Truppenbetreuung für die in Europa kämpfenden US-Soldaten Konzerte gibt, bei einem Flug im Dezember 1944 von London nach Paris am Zielort nie ankommt und seine Frau unter dem Weihnachtsbaum per Radio das Konzert hört, das seine Band zum Andenken an Miller spielt.
Nichts erfährt man über die Kindheit Millers, auch nichts über die Wurzeln seiner Begeisterung für die Musik, weitgehend ausgespart bleibt auch der historisch-gesellschaftliche Hintergrund. Ganz auf die sich nur langsam entwickelnde Karriere Millers und seine Beziehung zu Helen beschränkt sich der Film. Weder dürften freilich die Geldsorgen und die Armut so harmlos gewesen sein, wie es hier in den weichen Technicolor-Farben und den stets sauberen Anzügen von James Stewart wirkt, noch dürfte die Ehe mit Helen so problemlos und stets glücklich gewesen sein, wie sie hier geschildert wird.
Mann verklärt Miller zwar und Stewart spielt ihn – im Gegensatz zu den Protagonisten in Manns Western – gänzlich ungebrochen als den netten Jungen von nebenan, der seinen großen Traum schließlich verwirklicht. Sauber und rund wird hier eine Geschichte erzählt, nichts zu kritisieren gibt es an der Ausstattung und William Daniels Kameraarbeit, die den Handlungsfluss ebenso wie der Schnitt von Russell F. Schoengarth perfekt unterstützt, getragen wird der Film aber zweifellos von Millers Hits, auf die man hier wieder Lust bekommt.
Aber auch die Besetzung der Hauptrollen mit James Stewart und June Allyson, die zwar nicht besonders vielschichtige und schillernde, sondern zutiefst kleinbürgerliche, aber in ihrer Warmherzigkeit sehr sympathische Charaktere zeichnen, trägt zum überzeugenden Gesamteindruck bei.
Ecken und Kanten sucht man zwar vergebens, und mit seinem einfachen Menschenbild, dem Fehlen jeglicher Abgründigkeit und Ambivalenzen wird mehr Legendenbildung betrieben als authentisch ein Leben nachgezeichnet. Ein filmisches Meisterwerk ist das kaum, bietet aber immer noch solide, und im Finale auch bewegende Unterhaltung für die ganze Familie.
An Sprachversionen bietet die bei Koch Media in der Reihe «Masterpieces of Cinema» erschienene Blu-ray die englische Originalfassung und die deutsche Synchronfassung sowohl von 1954 wie von 1985 sowie englische und deutsche Untertitel. An Extras gibt es neben einem Booklet, einer Bildergalerie und dem englischen sowie dem deutschen Trailer vor allem die um etwa drei Minuten längere deutsche Synchronfassung von 1954.
(erschienen auf: Kultur-online am 20.11. 2014)
God´s Little Acre – Gottes kleiner Acker
Anthony Manns 1958 gedrehte Verfilmung von Erskine Caldwells Besteller ist ein Familiendrama aus den amerikanischen Südstaaten, das weniger auf Emotionalität als vielmehr auf einen bösen Blick auf das Milieu und schwarzen Humor setzt. Stark gespielt, facettenreich und gezielt mit bizarren Details und der erotischen Komponente spielend hat der damalige Skandalfilm, den SchröderMedia auf DVD herausgebracht hat, auch nach 40 Jahren noch Einiges zu bieten.
Mit einem Schwenk über eine Farm, auf der aber nicht Baumwolle angebaut wird, sondern vielmehr Löcher gegraben werden, eröffnet Westernspezialist Anthony Mann seine Verfilmung von Erskine Caldwells Roman, der während der großen Depression im Hinterland von Georgia spielt.
Ty Ty Walden (Robert Ryan) gräbt mit seinen beiden Söhnen den Boden nicht nur um, sondern buddelt an verschiedenen Stellen verzweifelt metertief um den angeblich vom Großvater vergrabenen Goldschatz zu finden. Bald kommt die ihre Reize gezielt ausstellende Gattin des einen Sohnes dazu und rasch bricht ein Ehestreit aus, denn Griselda (Tina Louise) verachtet ihren Mann mehr als sie ihn liebt. Auch ein leicht debiler Sheriff, der Werbung für seine Wahl machen möchte, trifft ein und wirbt um Darling Jill, die nymphenhafte Tochter Waldens.
Kein realistisches Familienporträt, sondern ein grotesk überzeichnetes entwirft Anthony Mann in dieser Exposition. In der Absage an den Kapitalismus, die Gier und das grenzenlose Streben nach Reichtum findet sich auch hier ein Thema, das sich durch seine Western zieht.
Und wie in «The Naked Spur» (1953) ist es Robert Ryan, der eindrucksvoll diesen gierigen Mann spielt. Gleichzeitig ist dieser Ty Ty Walden tief religiös, glaubt aber mit Gott Geschäfte machen zu können, einen Gott einmal geweihten Streifen des Landes einfach wieder verlegen zu können, sollte sich das Gold auf «Gottes kleinem Acker» finden.
Aber nicht nur für das Werk Anthony Manns typische Motive, sondern auch im US-Melodram der 50er Jahre immer wieder auftauchende Themen finden sich in «God´s Little Acre». Das Streben nach Reichtum und das Vordringen in die Erde ist zentrales Thema von George Stevens großem Epos «Giants» (1956), das Nymphchen findet sich in Elia Kazans «Baby Doll» (1956) und in Douglas Sirks «Written on the Wind» (1956) und die innerfamiliären Konflikte erinnern teilweise auch an Elia Kazans Steinbeck Verfilmung «East of Eden» (1955).
Während diese Filme allerdings Emotionalität aufbauen, den Zuschauer mit den Figuren leiden lassen, blickt Mann kalt und mitleidlos auf seine Protagonisten, zeichnet sie und ihr Streben mit bösem Blick. Böse rechnet Mann aber auch mit der verbohrten Religiosität Ty Tys ab, macht deutlich, dass dieser hinter der Fassade durchaus auch sexuelles Interesse an seiner Schwiegertochter hätte und lässt ihn zu völlig irrealen Mitteln bei der Schatzsuche greifen, wenn er einen Albino als Wünschelrutengänger einsetzt.
Aber der Blick des von Kameramann Ernest Haller in meisterhaftem Schwarzweiß gefilmten Dramas weitet sich dann auch von der Farm über Familienangehörige auf die Stadt und schafft damit einen weiteren Gegensatz. Denn eine Tochter Ty Tys hat den Fabriksarbeiter Will (Aldo Ray) geheiratet, der nach Schließung des Betriebs aber zunehmend in Alkohol flüchtet, während sich ein anderer Sohn eine reiche Witwe geangelt hat und in einem noblen Stadthaus wohnt.
Glücklich scheint in all dem Streben und der Gier niemand zu sein und ein revolutionärer Versuch Bills die Fabrik für die Arbeiter selbst in Betrieb zu nehmen endet tragisch. – Reaktionär ist dann freilich das Ende, mit dem sich der Kreis zum Anfang schließt, sich Ty Ty aber auf seine eigentliche Aufgabe als Farmer wieder konzentriert und das Bild von der dadurch geheilten und gereinigten Familie evoziert wird.
Bild- und Tonqualität der von SchröderMedia herausgegebenen DVD lassen nichts zu wünschen übrig, bedauerlich freilich, dass nur die deutsche und englische Sprachfassung, aber keine Untertitel verfügbar sind. Und das Bonusmaterial bietet neben zwei Trailern und einer Bildergalerie alternative Szenen, in der beispielsweise der sexuelle Aspekt in einer Badeszene noch weiter getrieben wird.
(erschienen auf: Kultur-online am 24.12. 2009)
d) KRIEGSFILM
Men in War – Tag ohne Ende
Nichts anderes als das, was der amerikanische Originaltitel verspricht, zeigt Anthony Mann in seinem Antikriegsfilm: Ein Lieutenant mit dem kleinen Rest seines Trupps auf dem Marsch durch Feindesland und der Konflikt mit einem brutalen Sergeant. – SchröderMedia hat dieses schnörkellos-nüchterne Meisterstück des physischen Kinos als DVD herausgebracht.
Korea, 6. September 1950 – Geographisch und zeitlich ist die Handlung mit diesem Insert genau verankert, was in den folgenden 100 Minuten gezeigt wird, ist aber zeitlos und auf jeden Krieg übertragbar. Von einem umgestürzten Jeep aus schwenkt die Kamera über eine Graslandschaft, von der Rauchschwaden aufsteigen. Vor der sengenden Hitze haben einzelne Soldaten im Schatten Zuflucht gesucht. Ein Funker versucht Kontakt zum Bataillon herzustellen - erfolglos. Auf sich gestellt ist folglich Lieutenant Benson (Robert Ryan) mit seinem schon auf 17 Mann reduzierten Trupp und muss versuchen sich durch das Feindesland durchzuschlagen.
Kaum etwas passiert, auf Musik wird lange verzichtet, aber man spürt die innere Anspannung und Nervosität der Männer und fühlt, dass hier jeden Moment etwas passieren kann. Gesteigert wird diese Spannung noch durch die lautlose Ermordung eines Soldaten mit einem Bajonett. Der Lieutenant, der fürsorglich für seine Männer sorgt und sich für sie verantwortlich fühlt, befiehlt alles zum Aufbruch vorzubereiten. Da rast plötzlich ein Jeep durch die Ebene auf den Trupp zu. Gelenkt wird der Wagen von einem Sergeant (Aldo Ray), der sich einzig seinem seit einem Granateneinschlag unter Schock stehenden Colonel verpflichtet fühlt.
Während der Sergeant den Colonel so schnell wie möglich ins Lazarett bringen will, verpflichtet der höherrangige Lieutnant ihn den Jeep dem Trupp zur Verfügung zu stellen.
Mehr Konflikt als Kooperation entwickelt sich so, denn im Gegensatz zum Lieutenant kennt der Sergeant keine Rücksicht, macht keine Gefangenen, sondern knallt Koreaner rücksichtslos ab, erweist sich aber andererseits in seiner instinktiven Einschätzung der Situation dem Lieutenant auch immer wieder als überlegen. Durch Artilleriefeuer und ein Minenfeld führt der Marsch und am Ende muss eine Höhe gestürmt werden. Sukzessive dezimiert wird so der Trupp und gewonnen ist auch am Ende nichts. Viel ist es da schon, wenn man überlebt hat.
Ungemein kompakt hat der vor allem durch Western mit James Stewart in der Hauptrolle («Winchester ´73», «Naked Spur») bekannte Anthony Mann «Men in War» inszeniert. Es gibt weder Vor- noch Nebengeschichten, keine Reflexion über Sinn und Gräuel des Krieges, keine antikommunistische Propaganda, sondern einzig die physische Aktion, aus der sich freilich wieder eine eindeutige Absage an den Krieg ergibt. Keine Glorifizierung, kein Heldenaufbau wird hier betrieben und mag auch der weitgehend unsichtbar bleibende Feind als verschlagen gezeichnet werden, so macht Mann doch deutlich, dass auf der Gegenseite genauso Männer mit Familien kämpfen und sterben.
«Men in War» ist auch ein Musterbeispiel dafür, wie wenig man im Grunde für einen starken, ja meisterhaften Film braucht. Da reicht ein kleiner Trupp von Männern, mit Robert Ryan und Aldo Ray zwei charismatische Schauspieler als Gegner, und der Marsch durch eine menschenleere, aber mit Gefahren aufgeladene Graslandschaft. So minimalistisch die Handlung ist, so sehr hält sich Mann auch im Einsatz filmischer Mittel zurück, setzt Musik nur in wenigen Momenten zur Akzentuierung ein, verzichtet bis zum Ende auf große Feuergefechte, arbeitet dafür mit Variation der Gefahren und stellt der äußeren Bedrohung immer wieder den internen Konflikt gegenüber.
Ein zeitloses Meisterwerk des physischen amerikanischen Kinos ist dieser 1958 gedrehte Film durch seine unsentimentale, schnörkellos-nüchterne Erzählweise und seine nichts beschönigende, sondern die Härte noch betonende Schwarzweißfotografie.
Schwächen zeigt hier nur die von SchröderMedia herausgebrachte DVD. Denn während die Bildqualität passt, stört auf der Tonebene ein fast durchgängiges Hintergrundrauschen. Schwach ist auch, dass es nur eine amerikanische und eine deutsche Sprachfassung, aber keine Untertitel gibt, und spärlich ist mit einer Serie von Postern und Aushangbildern zum Film das Bonusmaterial.
(erschienen auf: Kultur-online am 26.11. 2009)
e) EUROPÄISCHE EPEN
Der Untergang des Römischen Reichs
Zusammen mit Joseph L. Mankiewicz´«Cleopatra» markiert Anthony Manns 1964 gedrehter Monumentalfilm einen Endpunkt des Genres, das erst rund 35 Jahre später mit «Gladiator» wieder aufblühte. Von der Story her war Anthony Manns Film auch die wichtigste Grundlage für Ridley Scotts Oscar-Sieger. Koch-Media hat den Klassiker mit umfangreichem Bonusmaterial auf DVD herausgebracht.
Wie «Gladiator» beginnt auch «Der Untergang des Römischen Reichs» nicht in Rom, sondern an der Donaugrenze, wo Kaiser Marc Aurel im 2. Jahrhundert nach Christus gegen die Germanen kämpft. Doch wirft Scott den Zuschauer mit einer wilden Schlacht gegen die Germanen den Zuschauer sofort mitten ins Geschehen hinein, so lässt sich Anthony Mann rund 45 Minuten Zeit für die Exposition, in der er die Figuren vorstellt und zusammenführt.
Da ist einmal der alte und körperlich angeschlagene Philosophenkaiser (Alec Guiness), der von Krieg nichts hält und von einem friedlichen Reich träumt, daneben sein ähnlich denkender Militärtribun Livius (Stephen Boyd), dem der Kaiser die Herrschaft übergeben will, sowie als Gegenpol Marc Aurels jähzorniger und brutaler Sohn Commodus (Christopher Plummer), der mit Livius befreundet ist. Dazwischen steht Marc Aurels Tochter Lucilla (Sophia Loren, die ihren Vater und Livius liebt, ihren Bruder aber hasst. Als Marc Aurel durch Gift ermordet wird, wird Commodus zum Kaiser und übt bald eine brutale, die Provinzen ausbeutende Herrschaft aus, was zum offenen Konflikt mit Livius und Lucilla führt.
Bewundern muss man an dem dreistündigen Epos unumwunden die Ausstattung und die Massenszenen, die freilich nur auf einer großen Leinwand ihre Wirkung entfalten können. Was heute mit Computeranimationen recht einfach simuliert werden kann, musste damals noch nachgebaut werden. Etwas schwerfällig wirkt dagegen die Erzählweise. Ganz im Gegensatz zu seinen kompakten und stringenten Western, verheddert sich Mann hier immer wieder in pathetischen Rededuellen. Und auch die Figur der Lucilla passt nicht in diesen (Männer)film, und dient nur dazu dem Publikum eine Liebesgeschichte zu bieten.
Überzeugend sind dafür wiederum die visuelle Gestaltung und der Aufbau. In kalte Farben getaucht sind die Szenen in Germanien, wobei die Düsternis beim Begräbnis Marc Aurels durch Schneefall noch gesteigert wird. Leuchtendes Rot und glänzend weißer Marmor dominieren dagegen in Rom, während in den in Vorderasien spielenden Szenen in Sandfarben die Hitze und Trockenheit zum Ausdruck kommen. Gelungen auch die Verteilung der Handlung über das Reich, wobei Rom nicht Hauptschauplatz, wohl aber Dreh- und Angelpunkt ist.
Wie vieles an «Gladiator» erinnert, so ist «Der Untergang des Römischen Reichs» unübersehbar auch von früheren Monumentalfilmen beeinflusst. So werden wie in «Ben Hur» aus zwei Freunden erbitterte Feinde und auch ein spektakuläres Wagenrennen – wenn auch nicht in der Rennbahn, sondern auf offener Straße – fehlt nicht.
Auffallend im Hintergrund, nur angedeutet durch einen griechischen Philosophen, bleibt hier allerdings im Gegensatz zu den meisten anderen Filmen der 1950er und 1960er Jahre das Christentum. Als Produkt seiner Zeit erweist sich das Werk des Westernspezialisten Mann in seinen politischen Implikationen.
Historisch mag da einiges nicht stimmen. Der Tribun Livius ist eine völlig fiktive Figur und Commodus starb nicht im Kampf in der Arena, sondern im Bad erwürgt. In der Gegenüberstellung der brutalen Herrschaft von Commodus und der weltoffenen, auf friedliche Koeexistenz setzenden Idee von Mark Aurel und Livius spiegelt sich aber das amerikanische Weltverständnis der 60er Jahre. Mit Commodus wird auch den totalen Staaten des 20. Jahrhunderts, dem Nationalsozialismus ebenso wie dem Stalinismus eine Absage erteilt und das demokratische Modell, implizit freilich verwirklicht durch die USA als positive Alternative gefeiert.
Ein großes Meisterwerk ist Mann hier insgesamt sicher nicht gelungen, aber immer noch ein sehr ansehnlicher Film. Und die DVD-Ausgabe von Koch-Media besticht durch eine zweite DVD, die nochmals drei Stunden Bonusmaterial enthält. Eine Dokumentation über die Dreharbeiten des Films findet sich hier ebenso wie eine über den oscargekrönten Score von Dimitri Tiomkin, das Verhältnis von Historizität und Fiktion im Film oder über die Geschichte des Römischen Reichs.
(erschienen auf: Kultur-online am 24.10. 2010)
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