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AutorenbildWalter Gasperi

Asphalt-Cowboy


Der junge Joe Buck bricht aus der texanischen Provinz auf, um sein Glück in New York zu suchen, aber seine Träume erfüllen sich nicht. John Schlesingers 1970 mit drei Oscars ausgezeichnetes Drama, das nicht nur große Rollen für Jon Voight und Dustin Hoffman bietet, sondern auch durch ungewöhnliche Erzählweise packt, ist bei Studiocanal auf DVD und Blu-ray erschienen.


Erstmals drehte der Brite John Schlesinger 1969 in den USA, erzählte aber nicht von der Erfüllung des amerikanischen Traums, sondern vielmehr von dessen Zerplatzen. Dieses Spiel von Traum und Realität kündet schon die erste Einstellung an, in der die Kamera langsam von einer Kinoleinwand als einem Ort der Träume zurückfährt und den Blick auf ein tristes, längst geschlossenes Autokino in der texanischen Provinz öffnet.


Während in einem Schnellimbiss nach dem Tellerwäscher und Aushilfskellner Joe Buck (Jon Voight) gerufen wird, macht sich dieser in seiner kleinen Wohnung mit einem schicken Cowboy-Outfit schön. Den ganzen Vorspann folgt ihm die Kamera von Adam Holender durch die texanische Kleinstadt, bis der Cowboy im Schnellimbiss ankommt. Dort verabschiedet er sich aber sogleich und erklärt nach New York zu ziehen.


Die Busfahrt nutzt Schlesinger, um immer wieder kurze Rückblenden in Kindheit und Jugend Bucks einzuschneiden. Einblick öffnen diese in die Liebessehnsucht und die Zerstörung der großen Liebe des Mittzwanzigers, der nun in New York als „Mietrammler“ seine Liebesdienste reichen Damen anbieten will. Doch die Frauen, die er anspricht, lassen den Provinzler abblitzen, oder aber bitten ihrerseits ihn um Geld statt ihn zu bezahlen.


Kaum sozialen Kontakt findet der mit Jon Voight ideal besetzte Buck hier. Immer wieder zeigt ihn die Kamera isoliert in einer großen Menschenmenge auf den Straßen von New York, gleichgültig ist sein Schicksal der Masse. Einseitige Kommunikation gibt es einzig über das Transistorradio, das er stets bei sich trägt.


Auch der an Tuberkulose leidende und hinkende italoamerikanische Kleinkriminelle „Ratso“ Rizzo (Dustin Hoffman) nützt das Landei zunächst nur aus, doch als Buck ihm wieder begegnet kommt es nicht zum großen Streit, sondern es entwickelt sich langsam eine tiefe Freundschaft. Dieser wachsenden emotionalen Nähe stehen aber die gesellschaftliche Kälte, die sich auch im Wechsel der Jahreszeiten von Sommer auf Winter manifestiert, und der sich zunehmend verschlechternde Gesundheitszustand Rizzos gegenüber.


Schlesinger zeichnet ein schmutziges Bild von New York, spart die High-Society und die Sehenswürdigkeiten aus, taucht ab in heruntergekommene Wohnungen, schäbige Hotels und Kinos, in denen Homosexuelle Bucks Dienste in Anspruch nehmen wollen. In grotesken Momenten wird hier spürbar, wie diese sexuelle Neigung gesellschaftlich verdrängt wird, wenn ein Student sich vor der Mutter fürchtet, ein Geschäftsmann mit seiner Familie telefoniert, während Buck in seinem Hotelzimmer steht.


Neben diesem ungeschönten Blick auf Amerika, mit dem auch mit den Versprechungen der Western und der Cowboy-Welt gebrochen wird, fallen in „Asphalt Cowboy“ die abrupten Rückblenden, Traumvorstellungen und Vorausblenden auf, bei denen auch Farbe und Schwarzweiß wechseln. Deutlich mehr am modernen europäischen Kino eines Alain Resnais oder eben auch am britischen Free Cinema, dem Schlesinger entstammt, als am klassischen amerikanischen Kino orientiert sich „Asphalt- Cowboy“ dabei.


In Opposition zur Anonymität und Einsamkeit in der Großstadt, die auch mit einer zunehmenden Desillusionierung Bucks, einer materiellen Verarmung und einem gesellschaftlichen Abstieg, wenn er vom Hotel in eine schäbige Wohnung übersiedelt und seine Liebesdienste auch Männern anbietet, verknüpft ist, steht die Entwicklung der Freundschaft zwischen Buck und Rizzo.


Großartig spielt Dustin Hoffman, der kurz zuvor in „Die Reifeprüfung“ einen adretten Studenten verkörpert hat, diesen mittellosen, dem Tod geweihten Kleinkriminellen. Keine Zukunft kann es für dieses Duo geben, doch Rizzos letzten Traum wird Buck mit einer Busfahrt nach Florida noch erfüllen.


So schließt sich der Kreis: Der Fahrt von Texas nach New York, wo Buck den Cowboy spielte, steht am Ende nicht nur die Fahrt von New York nach Florida gegenüber, sondern auch eine Selbstfindung Bucks, der nun sein Cowboykostüm und seine Lederstiefel in einem Mülleimer entsorgt und zunehmend tiefere Gefühle für den sterbenden Rizzo entwickelt.


An Sprachversionen bieten die bei Studiocanal erschienene DVD und Blu-ray die englische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras umfassen neben einem ausführlichen, deutsch untertitelten Audiokommentar des Produzenten Jerome Hellman zwei zehnminütige Dokus, in denen sich Mitarbeiter einerseits über den Regisseur John Schlesinger äußern, andererseits die kontroverse Aufnahme des Films, der als erster ohne Jugendfreigabe den Oscar für den besten Film erhielt, nachzeichnen. Dazu kommt eine weitere 30-minütige Doku, in der ebenfalls Mitarbeiter wie die Darsteller Dustin Hoffman, Jon Voight, Sarah Miles, der Produzent Jerome Hellman, der Kameramann Adam Holender, die Tochter des Drehbuchautors Waldo Salt sowie Schlesingers Lebensgefährte Michael Childers aus 35 Jahren Distanz auf die Entstehung von „Asphalt-Cowboy“ blicken.


Trailer zu "Asphalt-Cowboy"



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