In betörend schönen Bildern und ruhigem Erzähltempo erzählt Kamila Andini von der langsamen Emanzipation einer Frau im Indonesien der 1960er Jahre.
Wie in ihrem Coming-of-Age-Film "Yuni" erzählt Kamila Andini auch in ihrem neuen Film eine Emanzipationsgeschichte. Doch dieses Mal steht einerseits kein Teenager im Zentrum, sondern eine verheiratete Frau und statt in der Gegenwart spielt "Before, Now & Then" im Indonesien der 1960er Jahre.
Die Pre-Title-Sequenz führt aber nochmals 15 Jahre zurück und zeigt Nana mit ihrem Baby und ihrer Schwester auf der Flucht durch den Dschungel. Auf Nanas Frage, ob sie vor den Niederländern oder den Japanern flüchten, antwortet ihre Schwester nur "Nein, vor den anderen". Offen bleibt, wer diese "Anderen" sind, gewiss ist aber, dass diese den Vater töteten und Nanas Mann wohl verschleppten. In einem Traumbild sieht Nana diesen schemenhaft, doch schon beklagt sie das langsame Verschwinden der Erinnerung.
Im Gegensatz zum dramatischen Geschehen ist die Szene – wie der ganze Film – in warme und sanfte Farben getaucht und der Erzählrhythmus ist langsam, der Dialog zwischen den Schwestern ruhig. Sorgfältig kadriert sind die Bilder, in der Folge werden sie vielfach fast symmetrisch aufgebaut sein.
Mit dem Insert des Titels überspringt der Film 15 Jahre und versetzt ins Indonesien der 1960er Jahre. Nana hat einen reichen und älteren Großgrundbesitzer geheiratet und wohnt mit diesem und ihren drei Kindern in einer luxuriösen Villa. Vom Personal lässt sie sich frisieren oder die Füße massieren, doch in Alpträumen holt sie immer wieder die Erinnerung an ihren Ex-Mann ein.
Sie hat zwar von ihrem Mann gelernt die Ernte, die die Landwirtschaft abwirft, zu verwalten, doch davon abgesehen wird ihr Leben von der Führung des Haushalts und der Erziehung der drei Kinder bestimmt. Während ihr Mann mehr oder weniger offen eine Geliebte hat, ist Nanas Freiheit eingeschränkt.
Sie wirkt in der aufgeräumten Villa fast wie die penibel aufgestellten Blumenvasen oder die Möbel als Accessoire ohne eigenes Leben. Auch die ruhigen, vielfach statischen Einstellungen betonen diese Erstarrung. Freundlich ist zwar der Umgang mit ihrem Mann, aber Liebe scheint es hier keine zu geben.
Äußeres Zeichen für Nanas Einengung sind ihre zusammengebundenen und teilweise auch hochgesteckten Haare. Nichts scheint sie nach außen zu lassen, sondern Gefühle und Gedanken zu unterdrücken. Gegenpol dazu ist ihre frühere Haarpracht, die sie in einer Schatulle aufbewahrt und die an eine frühere Freiheit erinnert.
Radionachrichten, die im Hintergrund laufen, bringen mehrfach die politische Umbruchsphase ins Spiel. Vom Kampf gegen die Kommunisten ist hier zunächst die Rede, später wird von der Absetzung Präsident Sukarnos und der Machtübernahme General Suhartos (1966) berichtet.
Dem politischen Interesse der Unterschicht, die mit den Kommunisten zu sympathisieren scheint, scheint ein Desinteresse der Oberschicht gegenüberzustehen. Doch parallel zu dieser politischen Entwicklung beginnt sich auch Nana unter dem Einfluss der Fleischhauerin Ino, die nicht nur die Geliebte ihres Mannes ist, sondern der man auch nachsagt eine Kommunistin zu sein, aus der Abhängigkeit von ihrem Mann zu befreien.
In langen Gesprächen regt Ino Nana an, sich der Verdrängung ihres eigenen Ichs und ihrer Lebenslüge bewusst zu werden. Im Dschungel können die beiden Frauen die Haare offen tragen und auch in einem Sprung von einem Felsen in einen Fluss spürt Nana eine befreiende Kraft. Bald wird sie auch im Alltag die Haare offen tragen und auch beginnen, nach ihrem Ex-Mann zu recherchieren.
Mit großer Stilsicherheit hat Kamila Andini diese Emanzipationsgeschichte inszeniert. Die betörend schönen, immer wieder von tiefer Melancholie und Sehnsucht durchzogenen Bilder haben zurecht schon mehrfach zum Vergleich mit Wong Kar-Wais "In the Mood for Love" geführt. Wie Wong setzt auch Andini aufs Atmosphärische. Langsam schleichen sich so über die Bildsprache und das zurückhaltende, aber gleichzeitig intensive Spiel von Happy Salma die Emotionen ein, haken sich dann aber beim Publikum fest und lassen "Before, Now & Then", der im Titel auch den Bogen von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft schlägt, durch seine formale Geschlossenheit nachwirken.
Before, Now & Then Indonesien 2022 Regie: Kamila Andini mit: Happy Salma, Laura Basuki, Arswendy Bening Swara, Ibnu Jamil, Rieke Diah Pitaloka, Chempa Puteri, Arawinda Kirana Länge: 103 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen
Trailer zu Before, Now & Then" ("Nana")
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