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AutorenbildWalter Gasperi

Besuch aus dem Jenseits: Geisterfilme

A Ghost Story (David Lowery, 2017)

Ein Subgenre des Horrorfilms ist der Geisterfilm. Die Spielarten reichen dabei vom spukenden Haus über von bösen Mächten besessene Menschen bis zur nur angedeuteten Geisterwelt im Arthouse-Film. Das Stadtkino Basel lädt im Oktober unter dem Motto "Spooktober" mit einer Filmreihe zu heftigem Horror und wohligem Gruseln ein.


Geisterhaft ist die Welt des Films schon an sich, sollen doch Bilder den Eindruck von Realität erzeugen und die Zuschauer:innen im dunklen Kinosaal in eine Welt eintauchen und in ihr versinken lassen, die im Grunde reine Illusion ist.


Verdoppelt wird diese Illusion noch, wenn es im Film selbst um Geister geht. Ein Klassiker ist hier das spukende Haus, das sich literarisch schon beim römischen Schriftsteller Plinius dem Jüngeren findet. Quer durch die Filmgeschichte finden sich Filme über Häuser, in denen ein Geist sein Unwesen treibt, meist weil an diesem Ort ein grässliches Verbrechen begangen wurde.


Klassiker sind hier Robert Wises "The Haunted – Bis das Blut gefriert" (1963) und Stanley Kubricks "The Shining" (1980). In den Horror wird dabei Gesellschaftskritik verpackt, wenn in Nia Da Costas Remake des 1990er-Jahre Horrorfilms "Candyman" (2020) in die angebliche Rückkehr eines untoten Sklaven auch die Themen "Gentrifizierung, Polizeigewalt oder systemischer Rassismus" (epd Film, 09/2021) verpackt werden. Aber auch Tobe Hoopers "Poltergeist" (1982) reflektiert kritisch gesellschaftliche Entwicklungen, wenn ein Bauprojekt, das die Friedhofsruhe von Toten stört, Auslöser für die Terrorisierung einer Familie ist.


Kommt hier der Schrecken aus den Gräbern und verbreitet sich über das Rauschen des Fernsehers, so versucht in Oren Pelis "Paranormal Activity" (2007) ein junger Mann mittels Überwachungskameras dem Unheimlichen auf die Spur zu kommen, von dem sich seine Freundin bedroht fühlt. Im besten Falle verschwimmen dabei immer die Grenzen zwischen Präsenz der Geister und deren Imagination durch psychisch angeschlagene oder sogar wahnsinnige Protagonist:innen.


In Wes Cravens "Nightmare on Elm Street" (1984) werden dagegen vier Jugendliche in ihren Albträumen von einem als tot geltenden Kindermörder heimgesucht, der durch die Träume zu neuem Leben zu erwachen scheint. Aber Geister können Menschen nicht nur in Schrecken versetzten, sondern speziell der Teufel höchstpersönlich kann auch von ihnen Besitz ergreifen. Einen der großen Kassenerfolge der 1970er Jahre und einen Schocker par Excellence entwickelte William Friedkin aus dieser Ausgangssituation 1973 mit "The Exorcist" (1973). Friedkin erzählt darin nach dem gleichnamigen Roman von William Peter Blatty von einem Mädchen, das von einem Dämon besessen ist, der mit rationalen Mitteln nicht bekämpft werden kann.


Gewissermaßen auf den Kopf stellt David Lowery den Geisterfilm mit "A Ghost Story" (2017). Hier werden nämlich nicht die Bewohner:innen eines Hauses von unheimlichen Mächten bedroht, sondern vielmehr wird der im engen 4:3-Format gedrehte Film aus der Perspektive eines Geistes erzählt.


Großer Hokuspokus ist dazu nicht nötig, es reicht aus, dass der Tote sich im Krankenhaus erhebt, sich das Leichentuch überzieht und seiner Witwe nach Hause folgt. Ohne Kontakt aufnehmen zu können, sitzt er im Vorstadthaus und während für die Witwe langsam das Leben weitergeht, sie eine neue Bekanntschaft macht, auszieht und eine neue Familie einzieht, bleibt der Geist an das Haus gebunden.


So erzählt Lowery leise und in langen Einstellungen, die teilweise auch die Geduld des Zuschauers strapazieren, von Verlust und Einsamkeit, aber auch von der Vergänglichkeit der Welt und dem Vergehen der Zeit, das im Kontrast zur stets gleichbleibenden Existenz des Geistes steht.


Lowerys Geist ist aber bei weitem nicht der einzige harmlose Vertreter in diesem Subgenre. Schon Oscar Wildes mehrfach – beispielsweise 1944 von Jules Dassin - verfilmter "The Canterville Ghost" war mehr ein bedauernswertes, an seiner Unsterblichkeit leidendes Wesen als ein gefährlicher Aggressor und auch in David Leans "Blithe Spirit" ("Geisterkomödie", 1945) und Norman Z. McLeods "Topper"-Filmen (ab 1937) verbreitet die Rückkehr von Toten mehr Witz als Schrecken.


Liebenswürdig ist auch Brad Silberlings "Casper" (1995), in dem sich ein junger Geist nach Freundschaft und menschlichem Kontakt sehnt, während in Jerry Zuckers "Ghost – Nachricht von Sam" (1990) ein jung verstorbener Banker als Geist seine Geliebte zu beschützen versucht. Statt um Bedrohung verhandelt der Geisterfilm so auch menschliche Themen wie Einsamkeit, Sehnsucht nach Nähe und Empathie.


Gleichzeitig spielt der Geisterfilm natürlich vorzugsweise auch immer wieder mit dem Unerklärlichen, dem Uneindeutigen zwischen Realität und Einbildung und verwickelt die Zuschauer:innen in dieses Spiel. So bleiben die Ereignisse in M. Night Shyamalans "The Sixth Sense" (1999) und Alejandro Amenábar in "The Others" (2001) bis zum Ende undurchschaubar, wird doch einerseits eine scheinbar rationale Geschichte erzählt, während andererseits unerklärliche Momente immer wieder für Irritation sorgen. Erst am Ende wird in diesen Filmen mit einem finalen Twist Licht in die Sache gebracht und die Zuschauer:innen werden gezwungen die ganze zuvor gesehene Handlung zu überdenken und neu einzuordnen.


So spielen Geisterfilme vielfältig auf der Klaviatur des Kinos, können gruselige Unterhaltung ebenso wie romantische oder komödiantische bieten und können zur Reflexion über Leben und Tod ebenso wie über Vergänglichkeit oder auch gesellschaftlich relevante Themen anregen.


Weitere Informationen zur Filmreihe im Stadtkino Basel und Spieldaten finden Sie hier.


Trailer zu "A Ghost Story"




 

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