Zwei Freundinnen werden von einem High-Tech-Milliardär auf eine Privatinsel eingeladen, doch bald brechen in das Luxus- und Partyleben Irritationen ein: Schauspielerin Zoë Kravitz gelang mit ihrem Regiedebüt ein fulminanter Thriller, der virtuos Verunsicherung evoziert und am Ende auch bissig Gesellschaftskritik übt.
Eine - bislang völlig unübliche - Trigger-Warnung mit dem Hinweis, dass im Film sexuelle Gewalt vorkomme und er erwachsene Themen behandle, hat Amazon / MGM Zoë Kravitzs Regiedebüt vorangestellt. So irritierend dieser Vorspann angesichts der Tatsache ist, dass es eine Altersfreigabe gibt, so ist er vom Ende des Films her gesehen doch verständlich. Denn kurz sind diese Szenen der Gewalt zwar, aber doch von seltener Intensität.
Harmlos klingt auch nur der jetzige Titel "Blink Twice", wesentlich heftiger war da schon der Arbeitstitel "Pussy Island", den Kravitz dann einerseits verwarf, weil die Motion Picture Association sich weigerte, den Film unter diesem Titel zu bewerben, andererseits, weil sie zur Ansicht kam, dass Frauen sich von diesem Titel beleidigt fühlen und einen Kinobesuch ablehnen könnten.
Während dieser ursprüngliche Titel freilich eine klar männliche Perspektive zum Ausdruck bringt, bestimmt eine konsequent weibliche Perspektive die Handlung. Im Zentrum steht die Kellnerin Frieda (Naomie Ackie), die davon träumt die Aufmerksamkeit des Technologiemoguls Slater King (Channing Tatum) zu erregen.
Dieser hat sich zwar in der Vergangenheit ein nicht näher bezeichnetes Fehlverhalten zuschulden kommen lassen, hat dieses aber öffentlich bereut, sich einer Therapie unterzogen und lebt vorwiegend zurückgezogen auf einer Privatinsel.
Als Vorbild wird Slater so präsentiert, als Role Model für Reue und Umkehr. Doch so richtig trauen will man dem von Channing Tatum gespielten schmierigen Milliardär nicht, während die von Naomie Ackie mit Leidenschaft gespielte Frida in ihrer Begeisterung für Slater nicht zu bremsen ist.
Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung gelingt es ihr tatsächlich in einer Szene, bei der sich Kravitz am Aschenputtel-Märchen zu orientieren scheint, sich ihrem Idol zu nähern. Nicht genug damit werden sie und ihre Freundin Jess (Alia Shawkat) auch noch völlig überraschend auf dessen Insel eingeladen. Ein Traum scheint in Erfüllung zu gehen und Luxus und Partystimmung kennen keine Grenzen.
Zusammen mit ein paar anderen jungen Frauen, die ebenfalls eingeladen wurden, und Slaters Entourage genießt man Champagner und Cocktails am Pool, raucht Joints, wird am Abend mit kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnt, trägt edle weiße Kleider oder weiße Bikinis und schläft in prächtigen Zimmern.
Dichte gewinnt "Blink Twice" dabei auch durch die Konzentration auf das mondäne Anwesen und dessen überschaubare Bewohner:innen. In großartigen Bildern beschwören Kravitz, Kameramann Adam Newport-Berra und Production-Designer Robert Bonelli die glanzvolle Oberfläche dieses Schauplatzes. Doch wie man spätestens seit Filmen wie "The Menu" oder "Don´t Worry, Darling" weiß, muss sich hinter dieser scheinbar paradiesischen Welt ein Abgrund verbergen.
Mehr noch als mit der sprachlosen Dienerschaft, erzeugt Kravitz mit übertriebenen Groß- und Detailaufnahmen, irritierenden Details wie der immer wieder gestellten Frage nach einem Feuerzeug, einer intensiv duftenden exotischen Blume und Schlangen, die gejagt werden, sowie der Wiederholung und Variation von Szenen, aber auch durch das Sounddesign brillant eine Atmosphäre der Verunsicherung und Desorientierung. Nicht nur die Zuschauer:innen befällt aber zunehmend dieses Gefühl, sondern auch Frida, die schließlich beginnt Nachforschungen anzustellen.
Erst nach der ebenso ausführlichen wie brillanten Beschwörung dieser hemmungslosen, aber eben auch verstörenden Partywelt wandelt sich "Blink Twice" im letzten Drittel zu einem zwar geradlinigen, aber nichtsdestotrotz hochspannenden und zunehmend blutigen Rache-Thriller, der, perfekt zur #meToo-Bewegung passend, gnadenlos mit der Macht und dem Machtmissbrauch der – hier ausnahmslos weißen - Männer abrechnet und zudem alle zuvor eingestreuten Details geschickt aufklärt.
Da feiert Kravitz in ihrem mit Geena Davis ("Thelma & Louise"), Christian Slater und Kyle MacLachlan auch in den Nebenrollen perfekt besetzten Regiedebüt nicht nur die Kraft der Solidarität der Frauen, sondern gibt sich auch nicht mit einem simplen Ende zufrieden, sondern wartet bei diesem bitterbösen satirischen Thriller auch noch mit einem großartigen finalen Twist auf.
Blink Twice USA 2024 Regie: Zoë Kravitz mit: Naomie Ackie, Channing Tatum, Adria Arjona, Kyle MacLachlan, Christian Slater, Geena Davis, Alia Shawkat, Haley Joel Osment Länge: 103 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.b. im Cineplexx Hohenems.
Trailer zu "Blink Twice" (besser erst nach Filmbesuch anschauen)
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