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  • AutorenbildWalter Gasperi

Bonnard, Pierre et Marthe

Martin Provost interessiert sich in seinem Biopic weniger für das künstlerische Schaffen des Postimpressionisten Pierre Bonnard als vielmehr für dessen Beziehung zu seiner Muse und Lebensgefährtin Marthe: Die Bilder sind prächtig, doch dem Film mangelt es insgesamt an Spannung.


Über die künstlerische Entwicklung Pierre Bonnards (1867 – 1947) erfährt man im Film Martin Provosts, dem 2008 mit dem Biopic über die naive Malerin Séraphine Louis ("Séraphine") sein größter Erfolg gelang, nur wenig. Beiläufig wird auch nur erwähnt, dass er sich der Kunst erst nach Abbruch des auf Druck des Vaters begonnenen Studiums der Rechtswissenschaften zuwandte.


Der Titel gibt dagegen schon die Stoßrichtung dieses Künstlerfilms vor: Gesellschaftliche Hintergründe und geschichtliche Entwicklungen werden weitgehend ausgespart, der Fokus liegt ganz auf Pierre und Marthe Bonnard (1969 – 1942), die in rund einem Drittel der Gemälde des Postimpressionisten zu sehen sein soll.


In drei Kapitel gliedert Provost "Bonnard, Pierre et Marthe" dabei und lässt auf den ersten im Paris des Jahres 1893 spielenden Abschnitt, einen zweiten im August 1918 spielenden folgen, um den Film schließlich 1942 im südfranzösischen Le Cannet enden zu lassen. Ein anekdotisches Aneinanderreihen von Ereignissen wird so verhindert, bruchlos wird innerhalb der einzelnen Abschnitte erzählt.


Schon mit der ersten Szene fokussiert Provost auf dem Maler (Vincent Macaigne) und seiner Muse (Cécile de France), wenn Bonnard die Näherin Marthe, die sich als verarmte italienische Aristokratin ausgibt, in seiner engen Dachwohnung malt. Dichte entwickelt dieser zehnminütige Auftakt durch die räumliche Enge ebenso wie durch die Konzentration auf dieses Duo.


Hals über Kopf verlieben sich der Maler und sein Modell schon in dieser Szene, doch immer wieder kommt es in der Folge zu Spannungen. Denn einerseits entzieht sich Marthe der großbürgerlichen Pariser Gesellschaft, die Pierre finanziell unterstützt, andererseits reagiert sie eifersüchtig zunächst auf dessen Beziehung zur Mäzenin Misia (Anouk Grinberg) und später zur Kunststudentin Renée (Stacy Martin). – Für sich allein will sie, der ein Arzt schon früh aufgrund ihrer Herzschwäche ein kurzes Leben prophezeit, Pierre haben.


Sieht man am Beginn freilich Pierre noch beim Malen, so tritt dieser Aspekt in der Folge gegenüber der Beziehung zu Marthe in den Hintergrund. Gegensätze zeigen sich, wenn sie heiraten will, er das aber als spießbürgerlich ablehnt, oder wenn sie Kinder will, er sich aber dagegen sträubt.


Mehr als Pierre rückt Provost so auch die von Cécile de France mit viel Einfühlungsvermögen gespielte, eigenwillige Marthe ins Zentrum. Spürbar macht de France, wie Marthe Besitzanspruch auf Pierre erhebt und darunter leidet, dass sie nicht immer seine volle Aufmerksamkeit genießt, sondern diesen immer wieder mit anderen Menschen und auch Frauen teilen muss.


Große Dramatik stellt sich dabei aber kaum ein. Vielmehr verlegen sich Provost und sein Kameramann Guillaume Schiffman darauf engen und dunklen Szenen in Paris sommerlich-lichtdurchflutete Bilder vom Leben im Landhaus in Veronnet, das Pierre und Marthe bald kaufen, gegenüberzustellen. In dieser malerischen Landschaft weckt dieses Künstlerbiopic mit Bildern der sanft dahinfließenden Seine, den Menschen in weißen Kleidern und dem satten Grün der Wiesen und Wälder dabei immer wieder Assoziationen an Gemälde der Impressionisten, doch die Handlung plätschert recht gleichförmig dahin.


Zwar erzählt Provost zumindest ansatzweise auch von einer Emanzipation Marthes, wenn diese während einer Romreise ihres Partners in den 1920er Jahren selbst zu malen beginnt und ihre Bilder schließlich auch in Paris ausstellt, doch auch dieser Aspekt wird nicht entscheidend weiterentwickelt, sondern verpufft schließlich wieder. – Entschieden an Zuspitzung und Verdichtung fehlt es diesem Film.


Bildschön ist das zwar anzusehen, ebenso solide inszeniert wie gespielt, aber insgesamt bleibt "Bonnard, Pierre et Marthe" doch auch ein kraftloser und langatmiger Film, dem auch Cécile de France und Vincent Macaigne erst im letzten Abschnitt, wenn es um Altern und Sterben geht, Leben und bewegende Kraft einzuhauchen vermögen.



Bonnard, Pierre et Marthe Frankreich / Belgien 2023 Regie: Martin Provost mit: Cécile de France, Vincent Macaigne, Stacy Martin, Anouk Grinberg, André Marco Länge: 122 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.


Trailer zu "Bonnard, Pierre et Marthe"




 

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