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AutorenbildWalter Gasperi

Cairo Conspiracy - Die Kairo Verschwörung (Boy from Heaven)


Ein Student soll für den ägyptischen Staatssicherheitsdienst in der islamischen Al-Azhar-Universität in Kairo spionieren: Packender Politthriller um das Verhältnis von weltlicher Macht und Religion, Intrigen und die Instrumentalisierung und Manipulation von Individuen.

Die Al-Azhar-Universität in Kairo, die 988 gegründet wurde, ist nicht nur eine der ältesten islamischen Hochschulen, sondern auch das Machtzentrum des sunnitischen Islams. Die von einem islamischen Gelehrten, dem Scheich al-Azhar, geleitete Institution wird zwar vom ägyptischen Staat unterhalten, gleichzeitig sind aber die Empfehlungen – die Fatwas - dieses Großimam, dessen Stellung im sunnitischen Islam der des Papstes in der katholischen Kirche entspricht, von so großer Bedeutung, dass sie jeder politische Führer Ägyptens berücksichtigen sollte, wenn er neue Gesetze beschließt. Ebenso wichtig wie labil ist folglich das Verhältnis zwischen dieser Universität und der weltlichen Macht. Von großer Bedeutung ist so für den Staat auch, wer als Großimam die Al-Azhar leitet.


Der als Sohn eines Ägypters und einer Schwedin 1972 in Stockholm geborene Tarik Saleh fürht die Zuschauer:innen mit den Augen des jungen Adam (Tawfeek Barhom) in diese abgeschottete Welt ein. Gefördert vom örtlichen Imam, erhält der junge Mann, der als Sohn eines strenggläubigen und patriarchalen Fischers im Nildelta aufgewachsen ist, ein Stipendium für die Al-Azhar Universität.

In eindrucksvollen Totalen fängt Kameramann Pierre Aïm das Leben an der Uni ein. In Reih und Glied sitzen die Studenten in weißem oder beigem Kaftan und mit weiß-rotem Fes bei den theologischen Vorlesungen in der Moschee oder gruppieren sich im Hof um ihre Professoren. Rezitation des Koran wird ebenso trainiert wie Kalligraphie.


Doch kurz nach Ankunft Adams stirbt der Großimam und wenig später wird ein Student, der Adam unter seine Fittiche genommen hat, aber Undercover für den Staatssicherheitsdienst spionierte, ermordet. Ersatz für diesen Informanten findet Oberst Ibrahim (Fares Fares) in Adam, der sich nicht nur das Vertrauen der radikalen Muslimbrüder erschleichen und diese manipulieren soll, sondern auch die Wahl des neuen Großimam beeinflussen soll. Denn während die Muslimbrüder den radikalen Scheich Durani forcieren, möchte der Staat den gemäßigten Scheich Beblawi an der Spitze der Universität.


Von Umberto Ecos "Der Name der Rose" ließ sich Saleh nach eigener Aussage bei der Schilderung der Al-Azhar-Universität beeinflussen. Prägnant stellt er diesem abgeschlossenen, streng geordneten religiösen Kosmos das weltliche Kairo gegenüber, in das Adam die Kontakte mit dem Oberst führen.


Nach Fahrten durch die überfüllten Straßen informiert er immer wieder unter großen Vorsichtsmaßnahmen in Cafés seinen Auftraggeber, der mit dem Versprechen von Leistungen für Adams Vater ebenso wie mit Drohungen den jungen Mann zur Weiterarbeit drängt. Zum willfährigen Werkzeug des Obersts wird Adam dabei und wirft jede Moral über Bord, wenn er Studenten manipuliert. Andererseits erscheint aber auch der Oberst als Marionette seines Chefs, der bei der Durchsetzung seiner Interessen keine Skrupel kennt und über Leichen geht.


An Spionageromane John Le Carrés erinnert dieser fast reine Männerfilm im Ränke- und Intrigenspiel des Staatssicherheitsdiensts. Aber auch die islamischen Würdenträger bekommen ihr Fett ab, wenn die Heuchelei eines Scheichs aufgedeckt wird. – Statt Gut und Böse gibt es in der Welt Salehs vor allem Grauzonen. Jeder verfolgt seine eigene Agenda, die immer auch die eigene Persönlichkeit korrumpiert. Da mag zwar der Oberst am Ende ein Gewissen entwickeln, ein Sympathieträger wird er damit so wenig wie Adam, der vom Staatssicherheitsdienst nicht nur manipuliert wird, sondern sich auch manipulieren und korrumpieren lässt.


Nicht zuletzt in diesen Ambivalenzen liegt die Stärke dieses geradlinig erzählten, packenden Politthrillers, mit dem Saleh an seinen Film noir "The Nile Hilton Hotel" (2017) anknüpft. Wie er dort einen Krimi-Plot um einen Mord an einer Sängerin benutzte, um ein atmosphärisch dichtes Porträt des durch und durch korrupten Mubarak-Regimes zu zeichnen, so dient hier der Thriller-Plot, um packende Einblicke in Welt der Al-Azhar Universität zu bieten und Machtstrukturen aufzudecken.


Drehen konnte Saleh seinen Film freilich nicht in Ägypten, aus dem er kurz vor Beginn der Dreharbeiten zu "The Nile Hilton Hotel" 2015 ausgewiesen wurde und in das er seither nicht mehr einreisen darf. Als Ersatz wählte er deshalb Istanbul, wo das Milieu der Kairoer Uni so perfekt nachgebaut wurde, dass es ebenso wie die Stadtszenen absolut authentisch wirkt. Ob der in Cannes mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnete Film allerdings auch in der arabischen Welt gezeigt werden wird, scheint zweifelhaft.


Die Kairo Verschwörung – Cairo Conspiracy (Boy from Heaven) Schweden / Frankreich / Finnland / Dänemark 2022 Regie: Tarik Saleh mit: Tawfeek Barhom, Fares Fares, Mohammad Bakri, Makram Khoury, Mehdi Dehbi, Moe Ayoub, Sherwan Haji Länge: 120 min.



Läuft derzeit in den Schweizer und deutschen Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen - ab 21.4. in den österreichischen Kinos


Trailer zu "Cairo Conspiracy - Die Kairo Verschwörung"



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