Mit zurückhaltender, aber meisterhaft kontrollierter Inszenierung und einem famosen Philip Seymour Hoffmann in der Hauptrolle zeichnet Bennett Miller ein dichtes Psychogramm des amerikanischen Autors Truman Capote. Bei Pidax Film ist das 2005 entstandene, großartige Debüt mit informativen Extras auf DVD und Blu-ray erschienen.
Auf das ruhige Erzähltempo stimmt schon die erste Einstellung von im Wind wogendem Korn ein, dem das Insert "15. November 1959" unterlegt ist. Es folgt eine Totale des Weizenfelds, dann ein abgeschiedenes Farmhaus, der Blick in ein Zimmer, eine junge Frau, die an die Tür klopft, eintritt und durch das Haus geht, bis sie in einem Bett eine Erschossene entdeckt. Fotos der Bewohner*innen machen klar, dass hier eine Familie ausgelöscht wurde.
Fast wortlos und ohne Musik läuft dieser Auftakt ab, bis Bennett Miller mit einem Schnitt in die Metropole New York und auf eine Party wechselt. Im Mittelpunkt steht der Schriftsteller Truman Capote (Philip Seymour Hoffman), der witzelt und provoziert und sichtlich nach Aufmerksam giert. Großartig spielt Philip Seymour Hoffman, der für seine Leistung mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, Capote als selbstgefälligen und eitlen Mann, der sich auch nicht zu schade ist, einen Zugangestellten heimlich zu bezahlen, damit er ihn und sein neuestes Werk vor anderen lobt.
Als Capote in der Zeitung von einem Mord in Kansas liest, bei dem eine vierköpfige Familie ausgelöscht wurde, ist sein Interesse geweckt. Mit der Autorin Nelle Harper Lee (Catherine Keener) als Recherchegehilfin bricht er nach Kansas auf, um mit einem Tatsachenroman über den Mord ein völlig neues literarisches Genre zu schaffen.
Harper Lee versucht auch immer wieder ans Gewissen des egozentrischen Capote zu appellieren, kritisiert seine Selbstgefälligkeit, sein Selbstmitleid und seine Empathielosigkeit gegenüber anderen, hält aber doch immer zu ihm. Als die beiden Mörder gefasst und bald auch zum Tode verurteilt werden, besucht Capote immer wieder Perry Smith (Clifton Collins Jr.) im Gefängnis, gibt vor sich für ihn zu interessieren, will im Grunde aber doch nur Informationen über die Mordnacht aus ihm herausholen.
Während er dem Verleger erklärt, dass er sich schon auf den Titel "Kaltblütig" festgelegt habe, behauptet er gegenüber Perry, dass er noch nicht wisse, wie sein Buch heißen soll. Und als ihn Perry auffordert, sich um einen Anwalt für eine Berufung zu kümmern, verschwindet er lieber an die spanische Costa Brava.
Nur für sich selbst scheint er sich zu interessieren, auch bei der Premiere der Verfilmung von Harper Lees Buch "To Kill a Mockingbird – Wer die Nachtigall stört" zeigt er kein Interesse für seine Jugendfreundin und ihren Erfolg, sondern suhlt sich in Selbstmitleid als bedauernswerter Autor, der sein Werk nicht beenden kann, da ihm einerseits noch entscheidende Informationen fehlen, andererseits der Fall noch nicht mit der Hinrichtung abgeschlossen ist.
Überhaupt kein Interesse zeigt so Capote auch, eine Berufung zu erreichen, sondern ist geradezu froh als die beiden Täter hingerichtet werden. Nicht einmal der Tod der Männer erschüttert ihn, sondern er jammert, wie sehr er unter dieser Erfahrung leide. – Unbeschadet überstand Capote diese mehrjährige Arbeit und die Ausbeutung und Manipulation der beiden Mörder freilich nicht, denn Nachspanninserts informieren, dass er nach dem Welthit "In Cold Blood – Kaltblütig", dessen Titel sich gleichermaßen auf den Mord wie auf Capotes Charakter bezieht, bis zu seinem Tod 1984 keinen weiteren Roman mehr fertigstellte und dem Alkohol verfiel.
Die akribische Recherche Capotes korrespondiert mit der Machart von Bennett Millers erstem Spielfilm, der sich ganz auf die sechsjährige Arbeit Capotes an diesem Tatsachenroman konzentriert. Improvisiert mögen zwar Szenen wie die Party am Beginn sein, doch weitgehend kennzeichnet "Capote" eine äußerst kontrollierte und bis ins Detail überlegte Inszenierung. Kalte Winterstimmung evozieren so nicht nur die kahlen Bäume und der bedeckte Himmel in Kansas, sondern auch der Verzicht auf grelle Farben. Dazu kommt die zurückhaltende und sehr ruhige, aber ungemein konzentrierte Regie Millers.
Nichts bläht er auf, dramatisiert nicht, sondern überlässt in langen Einstellungen immer wieder den Schauspieler*innen den Raum. Nicht nur Seymour Hoffmann, sondern auch Catherine Keener, Chris Cooper und Clifton Collins Jr. können hier brillieren und sorgen für ein packendes Filmerlebnis.
An Sprachversionen bieten die bei Pidax Film erschienene Blu-ray und DVD die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel. Die durchgehend deutsch untertitelten Extras umfassen neben einem kurzen Feature über Truman Capote und jeweils rund 15-minütige sehr informative Features über die Entwicklung des Drehbuchs und die Inszenierung des Films vor allem einen Audiokommentar von Bennett Miller und Philip Seymour Hoffman sowie einen zweiten Audiokommentar von Miller und Kameramann Adam Kimmel.
Trailer zu "Capote"
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