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  • AutorenbildWalter Gasperi

Columbia Pictures: The Lady with the Torch

Das Locarno Film Festival widmet die heurige Retrospektive dem Hollywood Studio Columbia Pictures, das 2024 seinen 100. Geburtstag feiert. Unter den 44 Filmen, die gezeigt werden, finden sich neben Klassikern von Frank Capra, Orson Welles, Howard Hawks, John Ford und Budd Boetticher auch Filme wenig bekannter und noch zu entdeckender Genre-Regisseure.


Wie der Löwe von MGM, die Bergspitze von Paramount, die sich drehende Weltkugel von Universal, der strahlende Sendeturm von RKO oder der überdimensionierte Adler von Republic Pictures gehört die im altrömischen Stil gekleidete Dame mit der Fackel von Columbia Pictures zu den ikonischen Logos der großen amerikanischen Filmstudios. Den patriotischen Charakter der an die Freiheitsstatue erinnernden Figur unterstrich dabei bis 1941 noch die amerikanische Flagge, in die die Frau gehüllt war.  


Gründer des Studios waren Harry Cohn (1891 – 1958), sein Bruder Jack Cohn (1889 – 1956) und deren Freund Joe Brandt (1882 – 1932). Gemeinsam arbeiteten sie in den 1910er Jahren bei Carl Laemmles Universal Studios, machten sich dann selbstständig und gründeten 1920 die Cohn-Brandt-Cohn Film Sales Corporation (CBC). Weil die Firma wegen ihrer kleinen Produktionen scherzhaft "Corned Beef and Cabbage Company" genannt wurde, änderte das Trio 1924 den Namen in Columbia Pictures.


Während Joe Brandt als Präsident fungierte, war Jack Cohn Vize-Präsident und Harry Cohn Produktionschef. Treibende Kraft war dabei immer Harry Cohn, der 1932 Brandt auszahlte und das Unternehmen selbst mit eiserner Hand führte. Schauspieler:innen formte er nach seinen Wünschen, als "Despot" und "Diktator" bezeichnete ihn Frank Capra in seiner Autobiographie.


Gleichwohl ist der Aufstieg von Columbia Pictures untrennbar mit Capra verbunden. Seinen ersten großen Erfolg feierte das Studio zwar mit George B. Seitz´ Seefahrerdrama "The Blood Ship" (1927), doch in der Folge sorgte Capra mit dem Abenteuerfilm "Submarine" (1928), in dem erstmals Toneffekte eingesetzt wurden, und der Krimikomödie "The Donovan Affair" (1929), der Columbias erster echter Tonfilm war, für einen Höhenflug. Als Gipfelpunkt dieser Entwicklung kann man "It Happened One Night" (1934) ansehen, der nicht nur die fünf Hauptoscars gewann, sondern auch als Prototyp der Screwball-Komödie gilt.


Mehrere weitere Meisterwerke wie " Mr. Deeds Goes to Town" (1936) , "Lost Horizon" ("In den Fesseln von Shangri-La", 1937) und "Mr. Smith Goes to Washington" (1939) bescherte Capra dem Studio, doch auch andere große Regisseure trugen zum Aufstieg bei. Howard Hawks drehte für Columbia beispielsweise die rasend schnellen Komödien "Twentieth Century" ("Napoleon vom Broadway", 1934) und "His Girl Friday" ("Sein Mädchen für besondere Fälle", 1940) ebenso wie den Fliegerfilm "Only Angel Have Wings" (1939), John Ford die Komödie "The Whole Town´s Talking" ("Stadtgespräch", 1935) ebenso wie das Offiziers-Biopic "The Long Grey Line" ("Mit Leib und Seele", 1955).


Als Glanzzeit von Columbia Pictures gelten die 1940er Jahre, in denen Harry Cohn die Produktion von Prestigefilmen forcierte. Rouben Mamoulian drehte in diesem Jahrzehnt den Stierkämpferfilm "Blood and Sand" ("König der Toreros", 1941), Fred Astaire wurde für die Musicals "You´ll Never Get Rich" ("Reich wirst du nie"; Sidney Lanfield, 1941) und "You Were Never Lovelier" ("Du warst nie berückender"; William A. Seiter, 1942) engagiert. An der Seite von Astaire spielte dabei jeweils Rita Hayworth, die Cohn zum glamourösesten Star des Studios aufbaute und die in Charles Vidors "Gilda" (1946) und "The Lady from Shanghai" (1947) ihres damaligen Ehemanns Orson Welles ihre wohl berühmtesten Rollen spielte.


Schon 1937 hatte man bei Columbia Pictures begonnen Fortsetzungsgeschichten herauszubringen, um so das Publikum Woche für Woche ins Kino zu locken. Auf "Jungle Menace" (1937) folgten so unter anderem "Batman" (1943) und "Superman" (1948).


Im Gegensatz zu anderen großen Studios hat sich Cohn aber immer auf die Produktion beschränkt und sich nie direkt am Kinogeschäft beteiligt. So blieb Columbia auch weitgehend von den finanziellen Einbrüchen durch die dramatischen Zuschauerrückgänge während der Weltwirtschaftskrise 1929 und in den 1950er Jahren durch das Aufkommen des Fernsehens verschont. Auch die Anti-Trust-Gesetze von 1948, die den Studios verboten, ihre Filme gleichzeitig herzustellen und selbst zu verleihen, tangierten Columbia nicht.


Die Retrospektive in Locarno, die sich auf die Zeit von 1929 bis 1959 beschränkt, bietet nicht nur die Möglichkeit Klassiker wiederzuentdecken, sondern auch Filme weniger bekannter Genreregisseure. Der Bogen spannt sich hier von John Brahms "Let Us Live" (1939) über William Castles "Mysterious Intruder" (1946) bis zu Joseph H. Lewis´ "The Undercover Man" (1949).


Auf die großen Oscar-Erfolge der 1950er Jahre wie "From Here to Eternity" ("Verdammt in alle Ewigkeit"; Fred Zinnemann, 1952), "On the Waterfront" ("Die Faust im Nacken"; Elia Kazan, 1954) oder "The Bridge on the River Kwai" (David Lean, 1957) wird bei der Retrospektive verzichtet. Dafür findet man aus diesem Jahrzehnt Nicholas Rays "Bitter Victory" (1957), Phil Karlsons "Gunman´s Walk" (1958), Budd Boettichers "Ride Lonesome" (1959) und Fritz Langs meisterhaften Polizeifilm "The Big Heat" (1953).


Nach dem Tod von Jack Cohn 1956 und von Harry Cohn 1958 geriet Columbia zum ersten Mal in die Verlustzone. Auch Erfolge wie David Leans "Lawrence of Arabia" (1962) oder Fred Zinnemanns "A Man for All Seasons" ("Ein Mann zu jeder Jahreszeit" 1966) konnten in den 1960er Jahren nicht über den Niedergang des Studiosystems hinwegtäuschen.


Doch mit Dennis Hoppers und Peter Fondas "Easy Rider" (1969) und in den 1970er Jahren unter anderem mit Martin Scorseses "Taxi Driver" (1976) und Robert Bentons Scheidungsdrama "Kramer vs. Kramer" (1979) landete das Studio auch weiterhin Erfolge. Auf die Übernahme durch die Coca-Cola Company 1982 folgte Ende der 1980er Jahre zwar der Verkauf an Sony, doch mit Filmen wie der "Spider-Man"- oder der "Men in Black"-Serie ist das Studio weiterhin erfolgreich und auch mit dem Logo der "Lady with the Torch" vor Beginn jedes Films wird die Tradition hochgehalten.


Weitere Informationen zur Retrospektive in Locarno finden Sie hier.


"Columbia Pictures 100 - A Century of Cinema"




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