Das georgische Kino überrascht immer wieder mit ganz alltäglichen, unscheinbaren Filmen wie Ioseb “Soso” Bliadzes "A Room of My Own – Chemi Otakhi". Ein durch seine Intensität und Kompromisslosigkeit erschütterndes Drama gelang dagegen dem Kroaten Juraj Lerotić mit seinem Debüt "Safe Place – Sigurno Mjesto".
Einen sicheren Platz suchen Bruno und seine Mutter für den jüngeren Bruder bzw. Sohn Damir nach dessen Selbstmordversuch. Doch wenn der Wille zu sterben übermächtig ist, scheinen alle Bemühungen von Angehörigen und Ärzten vergeblich.
Von der ersten Einstellung an, in der die Kamera von Marko Brdar in einer langen statischen Totalen den Eingang eines Hochhauses erfasst, in das sich Bruno zunächst mit Klingeln, dann mit Eintreten der Tür Zugang zu verschaffen versucht, entwickelt "Safe Place – Sigurno Mjesto" größte Intensität. Man spürt in diesem Film, in dem Juraj Lerotić einen Vorfall in der eigenen Familie verarbeitet, vom ersten Augenblick an die Panik und Angst des vom Regisseur selbst gespielten Protagonisten. Verzweifelt bricht er schon in der nächsten Einstellung die Wohnungstür auf und findet den blutenden Bruder Damir vor, der sich mit einem Messer die Pulsadern aufgeschnitten und am Hals verletzt hat.
Bald trifft die Rettung ein und bringt den Verletzten ins Krankenhaus. Bruno verständigt auch die Mutter. In höchstem Maße angespannt und besorgt sind beide, doch die Behörden reagieren emotionslos. Während die Polizei Bruno fast wie einen Verbrecher behandelt und eine genaue Schilderung der Ereignisse fordert, reagiert der behandelnde Arzt abweisend auf die Frage der Mutter nach Medikation und Therapie.
Dem Misstrauen der Betroffenen gegenüber den Behandlungsmethoden steht die Kälte der Behörde gegenüber. Bald haut Damir aber aus dem Krankenhaus ab und steht vor Brunos Wohnungstür. Als die Polizei ihn sucht, verstecken Bruno und die Mutter den Flüchtigen und brechen mit ihm zum Heimatort Split auf, den der verstörte Mann, der glaubt das Böse in sich zu tragen, mehrfach als seinen Sehnsuchtsort bezeichnet. Doch kurz nach der Ankunft verschwindet Bruno und es beginnt eine fieberhafte Suche.
Dringlichkeit und Dichte gewinnt "Safe Place" durch die völlige Fokussierung auf dem Kampf von Bruder und Mutter um den Suizidgefährdeten. Keine Vor- und keine Nebengeschichten gibt es hier, auch der Verzicht auf Musik trägt nicht unwesentlich zur Durchschlagskraft dieses Films bei.
Getragen wird dieses Drama, das durch die kompromisslose und stringente Inszenierung auch eindrücklich die Ohnmacht der Angehörigen, aber auch des Krankenhauses vermittelt, aber von den drei herausragenden HauptdarstellerInnen, die dafür sorgen, dass dieses Debüt erschüttert zurücklässt und nachhallt.
Gegenpol zur Stringenz und Geschlossenheit von "Safe Place" stellt die offene Erzählweise von "A Room of My Own – Chemi Otakhi" des Georgiers Joseb "Soso" Bliadze dar. Wenn die introvertierte Tina als Mitbewohnerin bei der extrovertierten Megi einzieht, bleibt lange offen, in welche Richtung sich die Handlung entwickeln wird.
Nichts Spektakuläres passiert, ganz aufs Alltägliche beschränkt sich Bliadze, dessen Film durch die Mund-Nasen-Masken in der Zeit der Covid19-Pandemie verankert ist. Er beschränkt sich darauf in teilweise extrem langen, statischen Einstellungen, die den beiden famosen HauptdarstelleriInnen Taki Mumladze, die auch als Co-Autorin fungierte, und Mariam Khundadze viel Raum zu lassen, um das Beziehungsgefüge der beiden Protagonistinnen auszuloten.
Wenig halten die beiden gegensätzlichen Frauen zunächst voneinander, gehen ihre eigenen Wege, denn Tina plant ja auch bald mit ihrem Freund zusammenzuziehen. Nur sukzessive gewährt Bliadze Einblick in die Biographie Tinas, die mit 25 schon eine gescheiterte Ehe hinter sich hat, doch langsam kommen sie sich näher, als Tina von ihrem neuen Freund sitzen gelassen wird.
Es braucht eine gewisse Zeit, bis man in den langsam dahin gleitenden Film eintaucht, doch mit Fortdauer wächst das Interesse für die beiden Frauen und gespannt folgt man speziell Tinas Entwicklung, die sich zunehmend öffnet. Bliadzes feinfühliger und geduldiger Blick auf diese Bewegung von Stillstand und Orientierungslosigkeit zu einem Neubeginn macht "A Room of My Own", dessen Titel an Viriginia Woolfs 1929 erschienenen Essay "A Room of One´s Own" angelehnt ist, zu einer kleinen Perle.
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