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AutorenbildWalter Gasperi

Daaaaaalí!

Kein Biopic über Salvador Dalí, sondern eine verspielte Hommage und Persiflage, in der Quentin Dupieux ganz im Stil des von fünf Schauspielern verkörperten Surrealisten seiner Lust an schrägen und absurden Szenen frönen kann: Ein hinreißendes Vergnügen, das sich allen Erzählkonventionen verweigert.


Quentin Dupieux, der zunächst als Musiker unter dem Pseudonym Mr. Oizo bekannt wurde, ist unbestritten derzeit der Meister des absurden Kinos. Mal lässt er in "Rubber" (2010) einen Autoreifen, mal in "Le Daim - Deerskin" ("Monsieur Killerstyle" , 2019) eine Lederjacke morden, dann versuchen wieder zwei trottelige Gangster in "Mandibules – Eine Fliege kommt selten allein" (2020) mit einer Riesenfliege den großen Bankraub zu landen.


Gemeinsam ist seinen Filmen aber auch, dass sie kaum einmal länger als 70 Minuten sind und vielfach selbstreflexiv mit dem Kino oder in "Yannick" (2023) mit dem Theater spielen. Wenig verwunderlich ist es, dass Dupieux Salvador Dalí zu seinen Vorbildern zählt und nun einen Film über den berühmtesten Surrealisten drehte.


Dass man dabei kein biederes Biopic erwarten darf, lässt schon der mit sechs "a" geschriebene Titel "Daaaaaalí!" erahnen. Zwar eröffnet Dupieux seinen Film, bei dem er nicht nur für Regie und Drehbuch, sondern auch für Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnet, mit einer Reproduktion von Dalis Bild "Necrophilic Fountain Flowing from a Grand Piano" (1932), das am Ende in einen überraschenden Kontext gestellt wird, doch nach diesem Auftakt rückt die junge Journalistin Judith (Anaïs Demoustier) ins Zentrum.


Wie bei einem Vorstellungsgespräch erzählt sie direkt in die Kamera über ihren Weg zum Journalismus, bis ihre Assistentin sie informiert, dass Dalí demnächst zum Interview im Hotelzimmer eintreffen wird. Hinreißend dehnt Dupieux dessen Weg über einen schier endlosen Hotelgang, um den Maler über sich selbst als einzig wahres und größtes Kunstwerk parlieren zu lassen, doch das Interview platzt dann, da Judith nur mit Schreibblock und Stift ausgerüstet ist und für Dalí ein Interview ohne große Kamera nicht in Frage kommt.


Herrlich kann so der französische Filmemacher schon in dieser Szene die Exzentrik Dalís, der sich gleichermaßen als Anarchist wie als Monarchist sieht, feiern, sich aber auch liebevoll über dessen Arroganz und Eitelkeit lustig machen. Mit sichtbarem Vergnügen spielt Edouard Baer mit kunstvollem Schnurrbart und jedes Wort betonend in diesen Begegnungen mit Judith den Surrealisten, der in anderen Szenen auch von Gilles Lellouche, Pio Marmaï, Jonathan Cohen und Didier Flamand gespielt wird. Zu komplex ist laut Dupieux die Figur Dalís, als dass sie von einem Schauspieler verkörpert werden könnte. - Ein Verfahren, das an Todd Haynes´ Bob Dylan-Film "I´M Not There" erinnert.


Als Leitlinie ziehen sich nun Judiths immer wieder scheiternden Versuche doch noch ein Interview zu bekommen durch den Film. Satirisch blickt Dupieux dabei auch auf das Filmgeschäft, wenn der Produzent Judith ein größeres Budget geben will, sie aber auch immer wieder niedermacht und von ihr verlangt, sich anders zu kleiden und sich eine neue Frisur machen zu lassen, um bei Dalí besser anzukommen. Beiläufig wird aber auch der Kunstmarkt aufs Korn genommen, wenn ein kleines Gemälde allein durch die Signatur Dalís bei einer Auktion um einen Millionenbetrag verkauft wird.


Gleichzeitig begleitet der Film aber auch Dalí zunächst beim Malen des Gemäldes "The Fine and Average Invisible Harp" (1932), bei dem mit einer Holzgabel der verzogene Kopf des menschlichen Modells gestützt werden muss.


Wie diese Szene von den Filmen der Monty Pythons inspiriert scheint, so weckt ein Essen auf einem Bauernhof, bei dem ein Bischof einen surrealen Traum erzählt, der in der Folge immer wieder aufgegriffen, variiert und fortgeführt wird, unweigerlich Erinnerungen an die Filme Luis Bunuels. Denn einerseits ist auch das Werk des spanischen Meisterregisseurs durchzogen von Essenszenen und Abrechnungen mit dem Katholizismus andererseits arbeitete er bekanntlich bei seinen ersten Filmen "Un chien andalou" (1929) und "L´âge d´or" (1930) mit Dalí zusammen.


Daneben sieht Dalí aber auch mehrfach sein gealtertes Ich, wobei diese Szene später aus Sicht dieses alten Dalí wiederholt und variiert wird. Aber auch der, den Judith schließlich über den Künstler dreht, scheint nicht zu enden, weil Dalí stets Änderungen wünscht und auf jedes "Fin" auf dem Bildschirm eine neue Schlussvariation folgt.


Was in der Beschreibung vielleicht verkopft und schwer durchschaubar klingt, wird in Dupieux´ leichthändig-verspielter Inszenierung zu einer ebenso hinreißenden wie an Einfällen überquellenden Wundertüte an Gags, die sich nicht um Konventionen schert und nicht an biographischen Fakten zu Dalí interessiert ist. Aber in seiner wunderbar befreiten Erzählweise vermittelt "Daaaaaalì!" mehr vom Denken des großen Surrealisten als ein biederes Biopic und feiert mit dieser Freiheit und der Lust am Absurden auch die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten eines von jedem Realismus befreiten Kinos.


 

Daaaaaalí! Frankreich 2023 Regie: Quentin Dupieux mit: Anaïs Demoustier, Edouard Baer, Jonathan Cohen, Gilles Lellouche, Pio Marmaï, Didier Flamand Länge: 78 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen - ab 6.9. in den österreichischen Kinos Filmkulturclub Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 18.9., 18 Uhr + Do 19.9.,19.30 Uhr


Trailer zu "Daaaaaalí!"



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