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AutorenbildWalter Gasperi

Dark Waters - Vergiftete Wahrheit


Todd Haynes zeichnet den mühsamen Kampf des Anwalts Robert Bilott gegen den amerikanischen Chemie-Giganten DuPont nach, der durch jahrzehntelange Kontaminierung des Wassers die Gesundheit zahlreicher Amerikaner schwer schädigte. – Ein nüchterner, exzellent besetzter und extrem dichter, auf Tatsachen beruhender Thriller.


Nicht unbedingt die erste Wahl für einen Thriller um einen Umweltskandal scheint Todd Haynes zu sein, der mit "Far from Heaven" und "Carol" Meisterwerke des modernen Melodrams schuf. Doch der 59-jährige Amerikaner beweist mit "Dark Waters" seine Wandlungsfähigkeit und stemmt auch dieses Projekt scheinbar mühelos.


So ungewöhnlich dieser Thriller, der auf einem 2016 erschienenen Artikel der New York Times aufbaut, für den Regisseur ist, so typisch ist er für die Produktionsgesellschaft Participant. Seit der Gründung 2004 ist man dort auf kritische Produktionen zur amerikanischen Realität fokussiert. Der Bogen der Filme, die durch Participant ermöglicht wurden, spannt sich von George Clooneys kritischem Blick auf die McCarthy-Ära in "Good Night, and Good Luck" (2005) über Niki Caros Sozialdrama "North Country – Kaltes Land" (2005) und Laura Poitras Edward Snowden-Doku "Citizenfour" (2014) bis zu Tom McCarthys "Spotlight" (2015) und Steven Spielbergs "The Post" (2017).


Wie prädestiniert ist die Geschichte des Kampfes des Anwalts Robert Bilott (Mark Ruffalo) gegen den amerikanischen Chemie-Giganten DuPont für Participant. Abweisend reagiert Bilott zwar zunächst auf die Bitte eines Viehzüchters aus seiner Heimatstadt, DuPont zu klagen, da seine Rinder seiner Meinung nach durch eine angrenzende Mülldeponie erkranken und schließlich verenden. Als Wirtschaftsanwalt, der gerade Chemiekonzerne vertritt, will Bilott nichts damit zu tun haben, doch die Sache lässt ihn nicht los.


So sucht er den Viehzüchter auf und der Lokalaugenschein schürt den Verdacht eines Umweltskandals. Immer mehr verbeißt sich Bilott in den Fall, durchforstet Unmengen an Akten und zerrt DuPont schließlich vor Gericht.


Mit Zeitinserts, die sich von den 1990er Jahren bis 2017 ziehen, macht Haynes deutlich, wie mühsam der Kampf gegen diesen Chemiekonzern, der sogar von der Regierung geschützt wurde, war. Keine großen Gerichtszenen stehen dabei im Zentrum, sondern vielmehr das mühsame Aktenstudium Bilotts und sein zermürbender Versuch Licht in die Sache zu bringen. Lange dauert es hier schon, bis er durchschaut, dass sich hinter der Abkürzung PFOA Perfluoroctansäure verbirgt, das bei der Herstellung von Teflon-Pfannen, Teppichen und Outdoor-Kleidung verwendet wird, aber hochgradig krebserregend ist.


Gerade in der nüchternen Inszenierung entwickelt "Dark Waters" seine Intensität und Spannung. In der 1975 spielenden Auftaktszene, in der drei Teenager nachts über einen Zaun klettern und in einem See baden, bis sie von Arbeitern vertrieben werden, spielt Haynes zwar ebenso unübersehbar mit der Auftaktszene von Steven Spielbergs Welthit "Jaws" wie in einer Tiefgaragenszene mit einem klassischen Thrillermoment, bricht aber dabei die damit geschürten Erwartungen: An klassischen Filmthrill und Filmhorror soll der Zuschauer zwar denken, die Variation soll aber bewusst machen, dass es hier eben um den realen Horror eines Umweltskandals geht


Mit verwaschenen Grau- und Blautönen, kaltem Licht und kahler Landschaft erzeugt Ed Lachman, der schon bei Haynes "Far from Heaven", "Carol" und zuletzt "Wonderstruck" die Kamera führte, eine beklemmende Atmosphäre. Etwas seltsam mutet freilich an, dass trotz des zeitlich breiten Erzählrahmens beinahe jede Szene im frostigen Winter spielt.


Gering wiegt dieser Einwand aber, denn durch die treibende Musik von Marcelo Zarvos und das dicht aufgebaute Drehbuch (Mario Correa und Matthew Michael Carnahan), das mit der familiären Situation von Bilott und den physischen Auswirkungen seines extremen Stresses auch für einen persönlichen Background sorgt, baut Haynes durchgehend große Spannung auf. Zu verdanken ist dies freilich auch einem von Mark Ruffalo angeführten, bis in die Nebenrollen hinein perfekt gecasteten Ensemble. Weil Ruffalo diesen Anwalt, der 2017 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, dabei so zurückhaltend spielt, wird auch jede Heroisierung vermieden.


Auch der Umstand, dass der Ausgang des Kampfes von Bilott schon bekannt oder leicht zu recherchieren ist, tut der Wirkung von "Dark Waters" keinen Abbruch. Denn über den konkreten Kampf dieses Anwalts gegen den scheinbar übermächtigen Chemiekonzern hinaus erzählt "Dark Waters" zeitlos und universell von Zivilcourage und bedingungslosem Einsatz für die Schwachen, die nicht gehört und beachtet werden.


Unaufdringlich wird dabei nicht nur ein Bild der großen gesellschaftlichen Kluft in den USA gezeichnet, sondern auch dem Karrieredenken und der Profitgier von Anwälten, die – wie zunächst auch Bilott – vorzugsweise große Konzerne vertreten, der Einsatz für Gerechtigkeit gegenübergestellt. Andererseits verdichtet Haynes geschickt die Vielzahl der Menschen, die durch die Umweltsünden DuPonts an Krebs erkrankten und starben, auf wenige Charaktere, deren Schicksale emotional bewegen.


Das Kino wird mit "Dark Waters" damit sicher nicht neu erfunden, denn ganz in der Nachfolge klassischer Thriller wie Alan J. Pakulas Watergate-Film "All the President´s Men" oder Michael Manns "Insider" bewegt sich dieser Film. Wenn aber so perfekt wie hier auf diesem Instrumentarium gespielt wird, dann wird immer noch starkes Kino geboten, das nicht nur perfekt unterhält, sondern auch Missstände einem breiten Publikum bekannt macht und mit dem Engagement Bilotts zeigt, wie man dagegen Widerstand leisten kann und muss.


Läuft ab Donnerstag, den 9.10. in den österreichischen und deutschen und ab Donnerstag, den 16.10. in den Schweizer Kinos.


Trailer zu "Dark Waters - Vergiftete Wahrheit"



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