top of page
AutorenbildWalter Gasperi

Das Auge – Mortelle randonnée

Ein melancholischer Detektiv, der über die Trennung von seiner Tochter trauert, verfällt einer jungen Mörderin, die er verfolgt und bei ihren Taten unterstützt. – Claude Millers 1983 gedrehter, fulminanter Mix aus Thriller, schwarzer Komödie und Charakterstudie ist bei Pidax Film in digital restaurierter Fassung auf DVD erschienen.


Verloren sitzt der Detektiv Beauvoir (Michel Serrault), von dem immer nur mit seinem Spitznamen als "Das Auge" geredet wird, in seinem Büro und betrachtet ein Klassenfoto mit Grundschülerinnen, auf dem er versucht, seine Tochter auszumachen.


Nie hat er diese Marie offensichtlich gesehen, denn schon vor ihrer Geburt hat sich seine Frau, mit der er immer wieder telefoniert, von ihm scheiden lassen. Wie es in diesen Telefonaten nur um Marie geht, so drehen sich auch alle Gedanken Beauvoirs um sie. Keinen Anteil nimmt er mehr an diesem Leben und verliert sich in Selbstgesprächen.


Zumindest äußerlich Bewegung in diese Monotonie und Apathie bringt ein neuer Auftrag, bei dem er herausfinden soll, um wen es sich bei der Geliebten des Sohnes eines reichen Ehepaares handelt. Recht teilnahmslos heftet er sich an die Fersen der jungen Frau (Isabelle Adjani), bis er beobachtet, wie sie frühmorgens eine Leiche in einem See versenkt.


Rasch ergeben Beauvoirs Recherchen, dass sie den Geliebten ausgeraubt und ermordet hat. Statt Tat und Täterin anzuzeigen, folgt "Das Auge" aber der jungen Mörderin, die von Brüssel nach Nizza und bald weiter in den deutschen Kurort Baden-Baden reist, wo sie jeweils weitere Morde begeht.


Immer mehr sieht "Das Auge" in der jungen Frau seine abwesende Tochter, entwickelt sich vom reinen Beobachter zum Helfer, der ohne Wissen der Täterin die Opfer entsorgt, quasi zu ihrem Schutzengel wird und selbst einen Mord begeht, als sich die Beschattete ernsthaft verliebt.


Er bleibt ihr auch auf den Fersen, als sie sich mit einer jungen Anhalterin verbündet und das Duo beginnt, Banken zu überfallen. Aktiv muss er werden, als ein schmieriges Gangsterpaar die beiden Frauen zu verfolgen beginnt.


Nicht nur quer durch Europa führt so die im Original titelgebende "Tödliche Irrfahrt" ("Mortelle randonnée), für die Claude Miller Marc Behms Roman "The Eye of the Beholder" als Vorlage diente, sondern auch von der High-Society ins Arbeitermilieu, wenn diese Ersatztochter einen Job als Kellnerin in einer schäbigen Imbissbude in einem tristen Industrieviertel annimmt.


Immer mehr verliert sich der Detektiv dabei in seinen Grübeleien und Selbstgesprächen und steigert sich in den Wahn hinein, dass diese Fremde seine Tochter ist. Nahezu durch den ganzen Film beobachtet er zwar die junge Mörderin, doch zu einem direkten Kontakt kommt es erst am Ende. Beide bleiben einsam und wie er seiner Tochter nachtrauert, deren wahren Verbleib der Film erst am Ende preisgibt, leidet sie am frühen Verlust ihres Vaters.


Gesteigert wird die Melancholie gegen Ende noch durch einen Off-Erzähler, der ahnen lässt, dass es kein Happy End geben wird. Gleichwohl hat Miller diese Geschichte aber spielerisch leicht inszeniert. Souverän wechselt er zwischen Thriller und schwarzer Komödie, bietet vor allem aber die Charakterstudie zweier Verlorener. Ein großartiges, gegensätzliches Duo geben hier Michel Serrault als tiefmelancholischer Detektiv, der schon lange mit dem Leben abgeschlossen hat, und Isabelle Adjani als junge Mörderin, bei der abgesehen vom Vater-Trauma auf jede Psychologisierung verzichtet wird.


Nichts hat dieser 1983 entstandene Genre-Mix von seiner Faszination verloren, begeistert immer noch mit seiner schillernden Vielschichtigkeit, mit seinen überraschenden Stimmungswechseln und unvermuteten Handlungsumschwüngen.


An Sprachversionen bietet die bei Pidax Film in digital restaurierter Fassung erschienene DVD die französische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel. Die Extras beschränken sich auf eine Bildergalerie.



Trailer zu "Das Auge - Mortelle randonnée"



Comments


bottom of page