Éric Besnard erzählt in seiner historischen Komödie anhand eines Spitzenkochs, der statt für den Adel zu kochen, ein Landgasthaus für die einfachen Leute eröffnet von der Demokratisierung und Befreiung durch die Französische Revolution: Prächtige Bilder, kulinarische Genüsse und einehmende Schauspieler*innen sorgen für geschmackvolle, von feinem Humor durchzogene Unterhaltung.
Nur die Hände, die eine neue Delikatesse zubereiten, sieht man zunächst. Doch gerade dieses Amuse-Gueule aus Kartoffeln und Trüffeln wird den Spitzenkoch Pierre Manceron (Grégory Gadebois) zu Fall bringen. In der Großküche des Herzogs, in die die gleitende Kamera einen Einblick bietet, herrscht er zwar noch und gibt seine klaren Anweisungen, doch als er zum Feedback bezüglich seiner Speisen in den Festsaal gerufen wird, kommt es zum Eklat.
Zunächst erhält Pierre zwar viel Lob, doch heftig getadelt wird er, weil er mit diesem Amuse-Gueule die exakte Speisenfolge nicht eingehalten habe. Nicht nur das Machtverhältnis von Adel und Dienerschaft wird hier sichtbar, sondern auch die rigide Ordnung der vorrevolutionären absolutistischen Gesellschaft. Kartoffeln seien wohl etwas für Deutsche und Trüffel seien für Schweine wird Pierre kritisiert und er solle sich höflich entschuldigen. Doch dies verweigert der leidenschaftliche Koch und fliegt prompt aus dem Schloss des Herzogs (Benjamin Lavernhe).
So zieht sich Pierre mit seinem Sohn in die Poststation zurück, in der er aufgewachsen ist. Vom Kochen aber hat er genug. Die geheimnisvolle Louise (Isabelle Carré), die darum bittet, sie als Lehrling aufzunehmen, weist er deshalb zunächst ab, gibt ihrem Drängen aber schließlich doch nach. Als ein erster Durchreisender vom Essen begeistert ist, ist bald die Idee geboren, ein Gasthaus zu eröffnen, denn Reisende sind immer hungrig und zudem gibt es ja noch das Bürgertum der Region, das bislang nur zuhause gegessen habt.
Schon einleitende Inserts haben informiert, dass Essen bis zur Französischen Revolution für den Adel ein Mittel war, um zu prahlen, für das einfache Volk aber einzig der Nahrungsaufnahme diente. Außer Haus speiste man selten, das Gasthaus als Ort der Geselligkeit und des Genusses gab es noch nicht.
Von dessen Entstehung erzählt so Éric Besnard, der schon vor sechs Jahren mit dem Feelgood-Movie "Birnenkuchen und Lavendel" einen Publikumserfolg landete, nun in seiner Komödie. In vielfach nur von Kerzenlicht erhellten und in warme Farben getauchten Bildern (Kamera: Jean-Marie Dreujou), die immer wieder an Gemälde alter Meister und Stillleben erinnern, entwickelt sich der Film zu einem Augenschmaus, während gleichzeitig mit der Zubereitung der Köstlichkeiten wie sich am Spieß drehenden Hähnchen oder Geleefrüchten auch der kulinarische Genuss nicht zu kurz kommt.
Vorhersehbar ist sowohl, dass Pierre und Louise langsam zueinander finden werden, als auch dass es Rückschläge geben wird, doch mit dem prächtig eingefangenen Ambiente und den mit ihrem lustvollen Spiel einnehmenden Schauspieler*innen hält Besnard seinen Film locker am Laufen. Gelüftet werden muss ja auch noch das Geheimnis um Louise und es gibt auch noch den Herzog, mit dem nicht nur Pierre eine Rechnung offen hat.
Nie verlässt der Film diesen Landgasthof, fern ist Paris, aus dem Nachrichten vom zunehmenden Unmut und Unruhen des Volkes kommen. Doch in diesem beschaulichen Ambiente und der Entstehung des Gasthauses spiegelt Besnard geschickt den großen Umbruch, den die Französische Revolution bringen wird. An die Stelle der genau fest gelegten Speisefolge des Beginns tritt so hier eine Speisekarte, aus der man wählen kann, und nicht mehr abgeschieden sitzt die Elite in ihrem protzigen Speisesaal, sondern unterschiedlichste Menschen sitzen in kleinen Gruppen in der Gaststube oder im Garten an einzelnen Tischen.
Wie der Mensch mit dem Ballon in die Lüfte aufbricht, Jean-Jacques Rousseau ganz neue Ideen vertritt, so befreit sich auch die Küche von allen Zwängen und – fiktiv – wird Neues wie beispielsweise Pommes Frites oder das Schneiden von Brot in Scheiben erfunden. Aber auch das Bürgertum befreit sich von der Abhängigkeit. Herabgerissen wird dem arroganten Adel seine Perücken, aber einer erkennt auch die Zeichen der Zeit und wechselt schnell seine Position.
Ein Leichtgewicht ist "Delicieux" ("À la carte – Freiheit geht durch den Magen") zweifellos, bereitet aber mit der geschmackssicheren, von feinem Humor durchzogenen Inszenierung, mit seinen prächtigen Bildern und der leichthändigen Verknüpfung der Geschichte des Gasthauses mit dem gesellschaftlichen Aufbruch sowie der privaten Geschichte des wortkargen Pierre und Louises beträchtliches Vergnügen.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen
Trailer zu "Delicieux" (À la carte - Freiheit geht durch den Magen")
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