Nur sieben Filme hat Sergio Leone gedreht, aber zumindest mit «Für eine Handvoll Dollar» und «Spiel mir das Lied vom Tod» Kultfilme, die seit ihrer Entstehung in den 1960er Jahren nichts an Faszination verloren haben. Am 3. Januar wäre der 1989 verstorbene Italiener 90 Jahre alt geworden.
Nirgends zeigt sich Leones Arbeit mit amerikanischen Mythen vielleicht prägnanter als in der Besetzung Henry Fondas in «C´era una volta il West» («Spiel mir das Lied vom Tod», 1967). Der aufrechte Paradeamerikaner, der bei John Ford 1939 der junge Abraham Lincoln, bei Sidyney Lumet der besonnenste der «Twelve Angry Men» («Die zwölf Geschworenen», 1957) und bei Hitchcock der zu Unrecht eines Bankraubs angeklagten Familienvater («The Wrong Man», 1957) war, spielte bei Leone einen brutalen Killer, der gleich bei seinem ersten Auftritt mit seiner Bande, eine Familie niedermetzelt.
Der Western, in dem im US-Kino vielfach auch von einem Neubeginn in einem freien und noch nicht zivilisierten Land geträumt wird, hat bei Leone alles Utopische verloren. Keine hehren Helden gibt es bei ihm, sondern Geldgier und Hinterlist bestimmen das Handeln der Protagonisten, Feigheit kennzeichnet die einfachen Bürger.
Die Faszination für das Kino war dem am 3. Januar 1929 in Rom geborenen Leone als Sohn des Filmpioniers Vincenzo Leone und der Schauspielerin Edvige Valcarenghi in die Wiege gelegt. Während des Faschismus hatte sich sein Vater zwar zunächst vom Filmgeschäft zurückgezogen, begann aber 1939 wieder Filme zu drehen und nahm den 10-jährigen Sergio regelmäßig zur Arbeit mit.
So wuchs der Junge einerseits in die Filmproduktion hinein, begeisterte sich andererseits auch fürs US-Kino, als dessen Filme mit dem Einmarsch der Amerikaner in seiner Heimat zu sehen waren. Mit 18 begann er im Filmgeschäft zu arbeiten, war Regieassistent bei Vittorio de Sicas «Ladri di bicletti» und gehörte in den 1950er Jahren bei den Dreharbeiten der amerikanischen Monumentalfilme «Quo Vadis» (Mervyn Leroy, 1951) und «Ben Hur» (William Wyler, 1959) zum zweiten Stab.
Diese amerikanischen Monumentalfilme regten auch zur Produktion nationaler billiger Sandalenfilme an. 1961 debütierte er als Regisseur mit «Il colosso di Rodi» («Der Koloss von Rhodos»), der aber als unoriginelles, kitschig-farbenprächtiges Serienwerk gilt.
Der Durchbruch gelang ihm aber schon mit seinem zweiten Film. Analog zu den deutschen Karl-May-Filmen begann man Anfang der 1960er Jahren auch in Italien Western zu produzieren. Während die Karl-May-Filme in Jugoslawien gedreht wurden, entdeckten die Italiener das südspanische Almeria als ideale Kulisse. Die Vorlage für seinen ersten Western fand Leone aber nicht bei den amerikanischen Klassikern, sondern in Akira Kurosawas «Yojimbo» (1961).
Vom mittelalterlichen Japan verlegte er in «Per un pugno di dollari» („Für eine Handvoll Dollar“, 1964) die Handlung in ein schmutziges Westernkaff. Weil dieses von Verbrecherbanden terrorisiert wird, engagieren die Bewohner einen wortkargen Fremden, der nur als «Joe» bezeichnet wird. Dieser beginnt die verfeindeten Banden gegeneinander auszuspielen.
Für die Hauptrolle wollte Leone zunächst Henry Fonda oder James Coburn, doch weil dafür das Budget nicht reichte, wurde der noch relativ unbekannte TV-Darsteller Clint Eastwood verpflichtet, der damit seinen Durchbruch schaffte. Die Produzenten waren vom Film zunächst entsetzt, gaben ihm aber dennoch eine Kinochance, um daran geknüpfte Subventionen zu erhalten: Eine Woche sollte der Film laufen, blieb dann wegen seines Erfolgs über Monate im Programm.
Eine Fortsetzung ließ auch nicht lange auf sich warten, denn schon im folgenden Jahr entstand «Per qualche dollaro in più» («Für ein paar Dollar mehr», 1965) und 1966 schloss Leone mit «Il buono, il brutto, il cattivo» («Zwei glorreiche Halunken») die so genannte «Dollar-Trilogie» ab.
Typisch für die Italo-Western Leones ist, dass er sich klassischer Western-Motive bedient, diese aber ins Extrem treibt und ihnen alles Edle raubt. Seine Figuren sind – wie der Titel «Il buono, il brutto, il cattivo» schon ahnen lässt – einerseits auf Typen reduziert, andererseits innerlich genauso schmutzig wie äußerlich.
Zentral in diesen Filmen sind immer wieder die Duelle, die Leone zelebriert und mit Retardierungen immer wieder dehnt. Entscheidende Bedeutung kommt dabei auch der Musik von Ennio Morricone zu, der ebenso konstanter Mitarbeiter Leones war wie der Kameramann Tonino delli Colli. Sie kommentiert einerseits die Szenen, steigert andererseits die Spannung der Duelle.
Der Erfolg der Trilogie ermöglichte es Leone seinen nächsten Film mit größerem Budget und in den USA zu drehen. Mit dem zweieinhalbstündigen epischen «C´era una volta il west» («Spiel mir das Lied vom Tod», 1967) gelang ihm sein zumindest in Europa erfolgreichster und bekanntester Film. Auch hier arbeitete er mit klassischen Western-Motiven vom Monument Valley als Schauplatz bis zum Eisenbahnbau, kritisiert aber in den brutalen Methoden der Eisenbahngesellschaft ungleich schonungsloser als der US-Western den Kapitalismus, der bei Leone im Werden der amerikanischen Nation begründet ist.
Die mit «Spiel mir das Lied vom Tod» begonnene «Amerika-Trilogie» setzte er mit «Giù la testa» («Todesmelodie», 1971), in dem er satirisch von der mexikanischen Revolution erzählte, fort, doch der Erfolg bei Publikum und Kritik blieb aus. Statt selbst Regie zu führen, zog er sich im folgenden Jahrzehnt auf die Tätigkeit des Produzenten zurück und landete mit «My Name is Nobody» (1973, bei dem er auch als Co-autor fungierte einen Erfolg.
Über Jahre bereitete er sein Gangster-Epos «Once Upon a Time in America» (1984) vor, mit dem er 1984 seine «Amerika-Trilogie» abschloss. Noch einmal arbeitete sich der Italiener in dem annähernd vierstündigen Film in komplexer Verschachtelung der Zeitebenen an amerikanischen Mythen ab, erzählt von Freundschaft und Verrat, von Gier und Korruption und zerplatzten Träumen.
Alles schien er damit über die USA gesagt zu haben und bereitete seinen ersten europäischen Film vor, der von der 900-tägigen Belagerung Leningrads im Zweiten Weltkrieg handeln sollte, doch am 30. April 1989 starb der der schwer übergewichtige Regisseur, der schon seit längerem Herzprobleme hatte, aber eine Operation ablehnte, in Rom an einem Herzinfarkt. Zu Hause vor dem Fernseher soll er gesessen sein und sich Robert Wises Anti-Todesstrafen-Film «I Want to Live» (1958) angesehen haben.
Kommentare