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AutorenbildWalter Gasperi

Der Ball ist rund, die Leinwand eckig: Fußballfilmfestival in St. Gallen


Von 14. bis 16. November 2019 findet zum fünften Mal im inzwischen geschlossenen St. Galler Kino Tiffany ein Fußballfilmfestival statt. Diskussionsrunden und eine Ausstellung runden das Programm ab, bei dem jeder Tag sich einem anderen Schwerpunkt widmet. - Ein kurzer Blick auf das Verhältnis von Fußball und Film und das St. Galler Filmprogramm.


Fußball und Kino - schon die äußerlichen Parallelen sind unübersehbar: Wie die Fußballfans gebannt von den Rängen der Stadien auf das bewegte Geschehen auf dem Spielfeld blicken, so folgt der Kinozuschauer den Ereignissen auf der Leinwand. Auch zeitlich entsprechen die 90 Minuten eines Spiels in etwa der Länge eines Spielfilms.


Gerade diese Parallele erweist sich bei genauerer Betrachtung aber als Nachteil für eine Darstellung im Kino. Im Gegensatz zu einem Boxkampf mit seinen kurzen Schlagabtauschen oder einem Autorennen mit spektakulären Crashs lebt Fußball nicht von Einzelszenen, sondern gewinnt seine Spannung aus taktischen Spielereien, Raumaufteilung, dem Wechsel von Angriff und Abwehr und vor allem aus der festgelegten Spieldauer, die einem Countdown im Spielfilm entspricht.


Weil aber nur das Spiel als Ganzes spannend ist und isolierte Szenen rein illustrativen Charakter besitzen, können nur in Echtzeit gefilmte Spiele wie das kurze Tischfußballspiel in Sebastian Schippers „Absolute Giganten“ (1999) und die furiose Plansequenz mit Herbert Zimmermanns legendärer Radioreportage des WM-Finales von 1954 als akustischem Hintergrund in Rainer Werner Fassbinders „Die Ehe der Maria Braun“ (1978) echte Spannung und Dramatik entwickeln. Beliebig und fad wirken dagegen aus dem Zusammenhang gerissene Fußballszenen wie in Sönke Wortmanns „Das Wunder von Bern“ (2003).


Von allem, nur nicht vom Spiel kann laut Wim Wenders ein Fußballfilm erzählen, denn gegen die Dramaturgie eines Fußballspiels könne man mit den Mitteln des Films nur verlieren. Dies liegt wohl auch daran, dass die TV-Übertragungen der Spiele mit Vorberichten, wechselnden Kamerapositionen und schnellen Schnitten selbst gezielt die Strategien des Erzählkinos einsetzen, um Gefühle zu wecken und die Dramatik des realen Spiels zu steigern.


Im Spielfilm ist Fußball deshalb niemals Selbstzweck, sondern wird funktionalisiert für eine andere, darüber hinaus reichende Erzählung. So geht es in Marcus H. Rosenmüllers „Trautmann“ (2018) um Leben und Karriere des Deutschen Bert Trautmann, der als deutscher Fallschirmjäger gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von den Briten gefangen genommen wurde, nach seiner Freilassung 1949 in England blieb, zwar zunächst mit nationalistischen Ressentiments gegen den Angehörigen des Weltkriegsgegners zu kämpfen hatte, dann aber zur Tormann-Legende aufstieg.


Neben diesem Spielfilm wird am ersten Festivaltag auch die Dokumentation „Bobby Robson – More than a Manager“ (2018) gezeigt. Gabriel Clarke und Torquil Jones zeichnen darin mit Archivmaterial und Interviews die Karriere des legendären englischen Fußballspielers und –trainers, dessen Todestag sich heuer zum zehnten Mal jährt, nach.


Am zweiten Tag steht unter dem Motto „Wahnsinnige Fußballgeschichten“ neben einem Kurzfilmblock auch die Dokumentation „The Lost World Cup“ (2012) auf dem Programm. Lorenzo Garzella und Filippo Marzelloni spüren darin dem Gerücht nach, dass während des Zweiten Weltkriegs 1942 eine Fußballweltmeisterschaft in Patagonien stattgefunden haben soll.


Abgeschlossen wird dieser Festivaltag mit Gabriel Abrantes und Daniel Schmidts völlig durchgeknalltem Spielfilm „Diamantino“ (2018), in dessen Mittelpunkt ein unübersehbar Ronaldo nachempfundener einfältiger Fußballstar steht. Diesen wirft die Begegnung mit einem afrikanischen Flüchtling so sehr aus der Bahn, dass er beim nächsten Spiel den entscheidenden Elfmeter verschießt. Aber auch die Steuerfahndung ermittelt gegen Diamantino, während eine Direktorin den begnadeten Fußballer klonen will.


Mit klassischer Filmkunst hat dies nichts zu tun, orientiert sich vielmehr am trashigen B-Kino der 1970er Jahre. Wenn man sich aber darauf einstellt und einlässt, kann man an diesem knallbunten und schrillen Film, der an Themen lustvoll hineinpackt, was sich gerade anbietet, dank seines Einfallsreichtums und seiner Unbekümmertheit durchaus Spaß haben.


Starke Frauen bestimmen schließlich den letzten Festivaltag. Soheil Beiraghi erzählt in seinem Spielfilm „Aragh-e-Sard“ („Cold Sweat“, 2018) von der Kapitänin des iranischen Frauen Futsal-Nationalteams, die gegen den Willen ihres Mannes um die Ausreisebewilligung zum Finale des Asien-Cups kämpft. Die Ukrainerin Alisa Kovalenko porträtiert dagegen in ihrem Dokumentarfilm „Home Games“ („Domashni Igri“, 2018) eine junge Fußballerin, die hofft über den Sport der Armut zu entkommen. Die Britin Rebekah Fortune wiederum erzählt in „Just Charlie“ (2017) von einem Mädchen, das im Körper eines Jungen steckt und sich langsam outen muss, als sie in die Jugendmannschaft aufgenommen wird.


Abgeschlossen wird das Festival mit „Take the Ball, Pass the Ball – Das Geheimnis des perfekten Fußballs“ (2018), in dem Duncan McMath beleuchtet, wie Pep Guardiola zwischen 2008 und 2012 als Trainer den FC Barcelona zu Höchstleistungen antrieb.


Weitere Infos und genaues Programm des Festivals finden Sie hier

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