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AutorenbildWalter Gasperi

Der große Eklektiker: Brian De Palma


Dressed to Kill (1980)

Praktisch bei jedem seiner Filme hat sich der 1940 geborene Brian De Palma an der Filmgeschichte abgearbeitet, vor allem an Hitchcock hat er sich immer wieder orientiert, aber auch an anderen Meistern. Dem großen Stilisten, dem das Zürcher Kino Xenix im Juni eine Retrospektive widmet, geht es dabei freilich weniger um Inhalt als vielmehr um die Demonstration seiner virtuosen Inszenierungskunst.


Hitchcock hat es Brian De Palma angetan, von der Stephen-King-Verfilmung „Carrie“ (1976) über „Dressed to Kill“ (1980) bis zu „Blow Out“ (1981) hat er immer wieder die legendäre Duschszene aus „Psycho“ zitiert. Hitchcocks „Vertigo“ (1958) hat De Palma seine Reverenz erwiesen mit „Obsession“ („Schwarzer Engel“, 1976), in dem ein Geschäftsmann einer Doppelgängerin seiner vor 15 Jahren verstorbenen Frau begegnet und sich in diese verliebt.


Fast beliebig ließen sich diese Zitate fortsetzen, die sich nicht auf die Filme beschränken, die sich ganz offen am Werk des „Master of Suspense“ orientieren. Auch in dem in den 1940er Jahren spielenden „The Black Dahlia“ (2006) arbeitet De Palma mit dem klassischen „Vertigo“-Motiv der obsessiven Liebe zu einer scheinbar oder tatsächlich Verstorbenen, während in „Blow Out“ auch die Treffen an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen und U-Bahnstationen an das Vorbild erinnern.


Dabei war das erste filmische Vorbild des 1940 geborenen Regisseurs, der nach einem abgebrochenen Physik-Studium an der Columbia University Kunst studierte, Jean-Luc Godard. Nach drei Kurzfilmen drehte er mit „The Wedding Party“ (1964) seinen ersten abendfüllenden Spielfilm. Während er hier mit Zeitlupe, Standbild und weiteren filmischen Mitteln experimentierte, erzählte er im folgenden Thriller „Murder à la mode“ (1966) aus drei verschiedenen Blickwinkeln und in drei verschiedenen optischen Stilen die Geschichte eines Mordes.


Für 43.000 Dollar entstand anschließend auf den Straßen von New York mit „Greetings“ (1968) eine gewaltreiche bissige Satire auf die vom Vietnamkrieg erschütterte USA, die bei der Berlinale ausgezeichnet und in den USA mit Jugendverbot belegt wurde. Kultige Unterhaltung gelang ihm mit seiner poppigen Version des Schauerromans „Phantom der Oper“, den er unter dem Titel „Phantoms of the Paradise“ (1974) in einen Konzertpalast der 1970er Jahre verlegte.


In die Fußstapfen Alfred Hitchcocks war er aber schon zwei Jahre zuvor mit dem blutigen Psychothriller „Sisters“ (1972) getreten, zu dem auch Hitchcocks Hauskomponist Bernard Herrmann – ebenso wie danach zu „Obsession“ – die Filmmusik beisteuerte. Sein erster großer Kassenerfolg gelang ihm mit „Carrie“ (1976), in dem sich ein gemobbter Teenager schließlich an ihren Mitschülerinnen und der dominanten Mutter grausam rächt.


Statt funktional ist De Palmas Inszenierung dabei immer barock. Er frönt seiner Lust am Visuellen, arbeitet mit Splitscreen, Farbspielen, Zeitlupe, Steadycam-Kamera und spektakulären Plansequenzen. Im beobachtenden Blick der Kamera – vor allem in dem auf duschende junge Frauen - wirken seine Filme oft voyeuristisch, werfen aber auch Fragen zum Voyeurismus auf.


Am offensivsten reflektierte er über das Medium wohl in „Blow Out“, der sich nicht nur an Hitchcock, sondern auch an Michelangelo Antonionis „Blow Up“ (1966) orientiert und in dessen Mittelpunkt ein Tontechniker steht, der glaubt, bei einer Aufnahme einen Schuss aufgenommen zu haben.


Ein überaus gewalttätiges dreistündiges Remake von Howard Hawks´ klassischem Gangsterfilm „Scarface“ (1932) drehte er 1983 und verlegte die Handlung vom Chicago der 1930er Jahre ins Florida der frühen 1980er Jahre, während er mit „The Untouchables“ (1987) in die Chicagoer Gangsterszene der Prohibitionszeit eintauchte. Doch nicht nur am klassischen amerikanischen Kino orientierte er sich hier, sondern zitierte in einem Showdown in einem Bahnhof auch unübersehbar die berühmte Treppenszene aus Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“.


Nicht die Erwartungen erfüllen konnte der Science-Fiction-Film „Mission to Mars“ (2000), bei dem sich De Palma zumindest im letzten Teil an Stanley Kubricks „2001 – A Space Odyssey“ (1968) orientierte, großzügiges Kino bot dagegen „The Black Dahlia“ (2006), in dem, unterstützt von der brillanten Ausstattung von Dante Ferretti, die Atmosphäre des Film noir der 1940er Jahre evoziert und ein schillerndes Bild Hollywoods als ein Ort trügerischer Träume und falscher Ruhmversprechen, glänzender Oberflächen und verbrecherischer Abgründe gezeichnet wurde. Mit der Struktur des Films, Settings und Figuren knüpft dieser große Eklektiker dabei an Howard Hawks´ „The Big Sleep“ (1946) und Roman Polanskis „Chinatown“ (1974) an, erweist aber auch Paul Lenis „The Man Who Laughed“ (1928) explizit seine Reverenz.


Mag de Palmas Lust am visuellen Exzess bei Thrillern durchaus erfreuen, bei einem Antikriegsfilm wie dem im Vietnamkrieg spielenden „Casualties of War“ („Die Verdammten des Krieges“, 1989) wirkt er ebenso deplatziert wie die Hitchcock-Zitate, auf die er auch hier nicht verzichtet. Viel Beachtung fand dagegen der ein amerikanisches Kriegsverbrechen im Irak anprangernde „Redacted“ (2007), der von den französischen Cahiers du Cinéma zwar zum besten Film des Jahres gekürt wurde, im deutschsprachigen Raum aber nie in die Kinos kam.


Dieses Schicksal widerfährt auch seinem neuesten, erst nach vielen Problemen fertiggestellten Thriller „Domino“ (2019), der nur als Video on Demand und auf DVD erscheinen wird. An Ruhestand scheint der 79-Jährige dennoch nicht zu denken, denn mit dem Krimidrama „Sweet Vengeance“ und dem Horrorfilm „Predator“ sollen laut Imdb zwei weitere Filme in Vorbereitung sein.


Trailer zu "Dressed to Kill"



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