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AutorenbildWalter Gasperi

Der große Schatten

Aktualisiert: 1. Juni

Mitten im Zweiten Weltkrieg drehte Paul Verhoeven mit NS-Star Heinrich George und Heidemarie Hatheyer ein intensives, in der Theaterszene spielendes Melodram. – Bei Pidax Film ist der durch starke Hauptdarsteller:innen immer noch packende Film in restaurierter Fassung auf DVD erschienen.


1942 tobte der Zweite Weltkrieg, doch davon ist in "Der große Schatten" nichts zu spüren. Auch nationalsozialistische Propaganda findet sich in diesem Melodram nicht. Ziel war wohl vielmehr, das Publikum vom bedrückenden Alltag in die Traumwelt des Kinos zu entführen.


Unmittelbar setzt der Film mit einer Theaterprobe zu Calderons Stück "Der Richter von Zalamea" ein. Aufgrund einer Zugverspätung trifft die angesehene Schauspielerin Gisela Ahrens (Heidemarie Hatheyer) mit ihrem Mann Robert Jürgensen (Will Quadflieg) und ihrem Kind verspätet ein. Sofort stürzt sie sich aber in die Proben, bis sie erkennen muss, dass der Souffleur der einst berühmte Schauspieler und Theaterintendant Conrad Schroeter (Heinrich George) ist.


Als Robert erklärt, dass Gisela unter diesen Umständen nicht spielen könne, wird in einer fast den ganzen Film umspannenden Rückblende die Vorgeschichte des Trios erzählt. Die Ankündigung eines Balls weist dabei zwar darauf hin, dass die Geschichte 1932, also noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten spielt, doch politische und gesellschaftliche Bezüge bleiben insgesamt konsequent ausgespart.


Ganz begeistert ist Conrad Schroeter, mit dessen Rolle als Intendant Heinrich George auch viel von seiner eigenen Biographie ins Spiel bringt, war er ab 1938 doch selbst auch Intendant am Berliner Schiller-Theater, als er bei einer Tournee die junge Gisela Ahrens kennenlernt. Er holt die aufstrebende Schauspielerin an sein Berliner Theater, nähert sich ihr privat aber nur zurückhaltend, denn er möchte an seinem Theater Getratsche vermeiden. So erklärt er ihr, dass sie sich zwischen privatem Glück in einer Beziehung mit ihm und einer Karriere als Schauspielerin entscheiden müsse.


Weniger zurückhaltend agiert dagegen Robert Jürgensen, der als Schauspieler an Schroeters Theater arbeitet. Er nützt die erste Gelegenheit, um Gisela zu verführen und schwängert sie. Kurz darauf beginnt er aber auch eine Affäre mit Schröters Tochter Inge (Marina von Ditmar), die mit einem Arzt (Ernst Schröder) verlobt ist. Als es zu einem tragischen Zwischenfall kommt, endet Schröters Karriere abrupt, und der Film kehrt in die Gegenwart zurück.


Die Stärke dieses Melodrams liegt einerseits in der immer noch beeindruckenden schauspielerischen Leistung von Heinrich George. Galt dieser in der Weimarer Zeit noch als Linker ("Berlin Alexanderplatz"), der nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zunächst vom Spielbetrieb ausgeschlossen war, so arrangierte er sich bald mit dem Regime und spielte unter anderem mit Rollen in "Hitlerjunge Quex" (1933), "Jud Süß" (1940) und "Kolberg" (1945) eine zentrale Rolle in der Propaganda-Maschinerie.


Auf den Leib geschrieben war ihm die Rolle dieses Theaterintendanten und geschickt verbindet Paul Verhoeven die Filmhandlung mit Calderons Stück "Der Richter von Zalamea", indem er in der Rückblende am Ende Filmhandlung und Theateraufführung ineinanderfließen lässt. Seltsam unentschlossen ist allerdings die Haltung des Films gegenüber der Figur des Robert Jürgensen, der in der Rückblende als hinterhältiger Verführer erscheint, in der Gegenwart aber als liebevoller Ehemann.


Dennoch packt dieses Melodram immer noch, dank der dichten Verankerung im Theatermilieu und der geschickten Verzahnung Schroeters und Jürgensens mit den beiden Frauenfiguren Gisela und Inge. Beide Frauen verbindet dabei, dass sie kein Hausfrauendasein führen wollen, sondern eine Karriere anstreben. Dazu kommt bei Schroeters Tochter Inge noch, dass sie sich bisher von ihrem Vater, für den die Karriere immer im Zentrum stand, und nun von ihrem Verlobten, für den der Arztberuf stets Vorrang hat, vernachlässigt fühlt.


Politische Botschaft kann man am ehesten im Finale sehen, wenn Schroeter in der Rolle des Richters von Zalamea erklärt, dass Unglück nötig sei, um das Glück zu ertragen. Dies könnte man als Anspielung auf das Unglück des Kriegs lesen, das man eben ertragen muss, um danach eine glückliche Zeit genießen zu können.


An Sprachversionen bietet die bei Pidax Film erschienene DVD, die durch die digitale 4K-Restaurierung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung durch die Bildqualität besticht, die deutsche Originalfassung. Die Extras beschränken sich auf den Original-Trailer und eine Bildergalerie sowie ein Booklet mit einem informativen Beitrag von Anne Siegmayer, der Einblicke in die Karriere von Regisseur Paul Verhoeven und Hauptdarsteller Heinrich George sowie in die Produktion des Films bietet.

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