Zur Entstehungszeit in den 1950er Jahren von der Kritik als kitschig kritisiert, gelten Filme wie "All That Heaven Allows", "Written on the Wind" und "Imitation of Life" heute als Meisterwerke des Melodrams. Geprägt hat ihr Regisseur Douglas Sirk damit zahlreiche Filmemacher von Rainer Werner Fassbinder über Pedro Almodóvar und Wong Kar-Wai bis Todd Haynes und Francois Ozon. Das Filmfestival Locarno widmet dem 1987 verstorbenen Deutsch-Amerikaner die heurige Retrospektive.
Ohne "All That Heaven Allows" kein "Angst essen Seele auf" (1973) von Rainer Werner Fassbinder und kein "Far from Heaven" (2001) von Todd Haynes. Nirgends zeigt sich der Einfluss des Meisters des Melodrams deutlicher als bei diesen Remakes, aber auch die Filme von Pedro Almodóvar und Wong Kar-Wai bauen in Farb- und Lichtdramaturgie sowie in der Bildsprache auf den Melodramen Sirks auf.
Während die Filme Sirks bei den amerikanischen Kritikern in den 1950er Jahren nur wenig Beachtung fanden und als "women´s weepies" abgetan wurden, schwärmten in Frankreich Francois Truffaut über "Written on the Wind" und Jean-Luc Godard über die Remarque-Verfilmung "A Time to Love and A Time to Die" und rund 15 Jahre später (1971) begeisterte sich in Deutschland auch Rainer Werner Fassbinder dafür und erklärte: "Ich habe sechs Filme von Douglas Sirk gesehen. Es waren die schönsten der Welt dabei."
Der Grund für den Wandel dieser Einschätzung liegt wohl in einem neuen Blick auf die Filme. Sah man in den 1950er Jahren vor allem die tränendrückenden Frauengeschichten, so erkannte man später das kritische Amerikabild, das Sirk zeichnete und die Ironie, die seine Filme durchzieht bis hin zu den für diesen Regisseur typischen unhappy Happy Ends. Ausführlich arbeitet diesen Aspekt Thomas Brandlmeier in seiner großartigen Monographie "Douglas Sirk und das ironisierte Melodram" heraus.
Am 26. April 1897 in Hamburg als Detlef Sierck als Sohn eines Volksschullehrers geboren, studierte er nach dem Abitur kurz Jus, Philosophie und Kunstgeschichte, wurde schon 1920 Dramaturgie-Assistent am Deuschen Schauspielhaus in Hamburg und ein Jahr später Dramaturg und führte 1922 erstmals Regie.
Den Höhepunkt seiner Theaterlaufbahn erreichte er 1929 mit der Ernennung zum Direktor des Alten Theaters Leipzig, an dem er bis 1935 über 100 Stücke inszenierte. Um der rigorosen NS-Zensur auszuweichen, begann er ab 1934 bei der Ufa als Filmregisseur, da beim Film die Freiheiten größer als beim Theater waren.
Schon mit seinem zweiten langen Spielfilm "Stützen der Gesellschaft" (1935), in dessen Mittelpunkt ein skrupelloser Werftbesitzer steht, präsentierte er sich als Spezialist für Gesellschaftsdramen und Melodramen. Mit der Selma Lagerlöf-Verfilmung "Das Mädchen vom Moorhof" (1935), vor allem aber mit "Zu neuen Ufern" (1937) und "La Habanera" (1937), mit denen er Zarah Leander zum Star machte, setzte er diesen Weg fort. Gleichzeitig zeigt sich mit den beiden letzten Filmen auch schon seine Vorliebe für weibliche Hauptfiguren.
Aufgrund des Erfolgs dieser Filme erhielt Sierck 1937 seinen Reisepass zurück, den man ihm aufgrund einer Denunziation vorläufig entzogen hatte. Diese Gelegenheit nutzte Sierck, um mit seiner jüdischen Ehefrau Hilde Jary zunächst nach Frankreich und dann 1939 über die Niederlande in die USA zu emigrieren.
Aus Sierck wurde in der neuen Welt Sirk, doch der Neustart gestaltete sich schwierig. Genaue Kenntnis der amerikanischen Kleinstadt, die in seinen großen Melodramen eine wichtige Rolle spielen wird, gewann Sirk in dieser Zeit aber als Hühnerfarmer in Südkalifornien. Die Rückkehr ins Filmgeschäft gelang ihm 1942 mit dem Antinazifilm "Hitler´s Madman", in dem er die Geschichte des Attentats auf Reinhard Heydrich und die anschließende NS-Vergeltungsmaßnahme im tschechischen Ort Lidice nachzeichnete.
Kleine unabhängige Produktionen wie die von Sirk selbst sehr geschätzte Gaunerkomödie "A Scandal in Paris" (1946), oder der Film noir "Sleep, My Love" (1947) folgten, ehe er aber 1948 unter dem Hollywood-Studio-System arbeitete.
Ab 1950 stand er bei Universal unter Vertrag. Er drehte für dieses Studio zwar auch eine Komödie wie "Has Anybody Seen My Gal"" (1952), in der James Dean einen kurzen Auftritt hat, den Abenteuerfilm "Captain Lightfoot" ("Wenn die Ketten brechen", 1955) oder den Western "Taza, Son of Cochise" (1954), doch sein Hauptwerk sind unbestritten die neun Melodramen, die er in diesem Jahrzehnt drehte.
Schauplatz ist dabei immer wieder die amerikanische Kleinstadt, in der die Träume der Protagonist*innen vom Glück immer wieder am Neid und den engen Moralvorstellungen einer konservativen und bornierten Gesellschaft zerbrechen.
Wie der von ihm entworfene Spielzeugroboter funktioniert so der Fabrikant Cliff in "There´s Always Tomorrow" (1956). In Routine erstarrt ist seine Ehe und die teilweise fast erwachsenen Kinder sehen in ihm nur den Ernährer. Das Einfamilienhaus ist zum Gefängnis geworden und Geländer und Gitter betonen das Eingesperrtsein.
Bewegung kommt in Cliffs monotones Leben als eine Jugendfreundin auftaucht, die in New York als Modedesignerin arbeitet. Doch die Kinder hintertreiben die sich anbahnende Beziehung. Das Ende behauptet zwar, dass Cliff das Glück in seiner Familie finden wird, allein dran glauben will man kaum.
Die Protagonistin von "All I Desire" (1953) floh dagegen einst aus dieser kleinbürgerlichen Enge, doch der Traum von der Schauspielkarriere erfüllte sich auch in der Großstadt nicht. Die Witwe in "All That Heaven Allows" (1956) glaubt dagegen in ihrer Heimatstadt mit dem deutlich jüngeren Gärtner glücklich werden zu können, muss aber bald erkennen, dass sich nicht nur ihre vermeintlichen Freundinnen, sondern auch ihre beiden erwachsenen Kinder vehement dagegen stellen.
In unterschiedlichen Kontexten geht es bei Sirk immer wieder um das Scheitern von Träumen und Sehnsüchten. Weder finden die Flieger in der in den 1930er Jahre spielenden Faulkner-Verfilmung "The Tarnished Angels" (1957) ihr Glück, noch die superreiche Öl-Familie in "Written on the Wind" (1956) und in "Imitation of Life" (1959) opfert die Schauspielerin Lora ihr privates Glück dem beruflichen Erfolg.
Ihre Kraft entwickeln diese Filme durch Sirks Mise-en-Scene, seine Arbeit mit Kostümen und Ausstattung mit wiederkehrenden Bildmotiven und Farben. Immer wieder betonen so Fenster und Treppen die Distanz zwischen Figuren, verweisen Masken auf die Verstellung oder werfen Spiegel Identitätsfragen auf.
Nach "Imitation of Life" zog sich Sirk mit gerade mal 62 Jahren nach einer Erkrankung vom Filmgeschäft und von Hollywood zurück und ließ sich mit seiner Frau im Tessin in der Nähe von Lugano nieder.
Sporadisch führte er in den 1960er Jahren Regie an deutschen Theatern und drehte als Gastdozent an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (1974 – 1978) drei Kurz- und Lehrfilme. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk (1978) und dem Bayerischen Filmpreis (1986) starb Douglas Sirk am 14. Januar 1987 im Alter von 89 Jahren in Lugano.
Weitere Informationen zur Retrospektive des Locarno Film Festival und Spieldaten finden Sie hier.
The Films of Douglas Sirk (Trailer)
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