Zwei Männer, ein Leuchtturm und das weite Meer. – Robert Eggers reichen diese drei Elemente, um mit entsprechenden Schwarzweißbildern, beunruhigendem Sounddesign und den zwei großartigen Hauptdarstellern Willem Dafoe und Robert Pattinson einen atemberaubenden Mix aus Psychodrama und Albtraum zu entwickeln.
Bevor man etwas sieht, sorgt auf der Tonebene schon das Stampfen eines Schiffsmotors für Beunruhigung. Bald folgt auf der Bildebene ein Schiffsbug, der sich durchs Meer pflügt, dann der Blick von hinten auf zwei Männer an Deck. Auf einer kleinen Insel vor der Küste Neuenglands wird das Gepäck abgeladen und die beiden Männer, die sich um den Leuchtturm kümmern sollen, zurückgelassen.
Der zweite Spielfilm von Robert Eggers, dem 2015 mit dem Horrorfilm „The Witch“ ein weltweit gefeiertes Debüt gelang, spielt nicht nur Ende des 19. Jahrhunderts, sondern wirkt mit seinen düsteren Schwarzweißbildern und dem engen, fast quadratischen 1.19 : 1-Format auch wie aus der Zeit gefallen. An David Lynchs „Eraserhead“ oder „The Elephant Man“ erinnern diese expressiv-kraftvollen Bilder ebenso wie an klassische deutsche Stummfilme.
Um diese Stimmung zu evozieren hat Eggers zudem für die Dialoge ausschließlich historische Texte aus dem 19. Jahrhundert wie Logbücher von Leuchtturmwärtern oder Passagen aus dem Werk von Herman Melville verwendet. So schmutzig und rau wie das Ambiente ist, sind hier auch die Charaktere und Willem Dafoe und „Twilight“-Star Robert Pattinson zeigen keine Scheu vor dem Hässlichen. Während Dafoe als bärbeißiger alter und erfahrener Leuchtturmwärter hemmungslos furzt und rülpst, weht der Wind seinem Lehrling die Fäkalien, die er entsorgen muss, ins Gesicht.
Die beiden Männer und die Insel wird „The Lighthouse“ in den folgenden 100 Minuten nicht mehr verlassen. Beim Abendessen kommt es zum ersten Gespräch und die Machtverhältnisse werden vom alten Seebär klar festgelegt: Nur er wird sich um das Licht im Leuchtturm kümmern, sein junger Gehilfe hat nur niedere Arbeiten zu verrichten wie Kohle für den Ofen zu holen und den Boden zu schrubben.
Immer wieder wird der Alte den Jungen schikanieren, namenlos werden sie lange bleiben, bis der Junge den Chef doch auffordert, ihn mit seinem Namen anzureden und auch nach dessen Namen fragt. Vier Wochen sollen sie auf dieser Insel bleiben, doch als die Ablöse kommen soll, bricht ein Sturm los, der sie zu längerem Aufenthalt zwingt und die zwischen Aggression und homoerotischer Anziehung schwankende Beziehung zum Eskalieren bringt.
Als alte Seemannsgeschichte präsentiert sich dieses Kammerspiel nicht nur durch diese rauen und kernigen Figuren, deren Gesichter immer wieder in Großaufnahmen ins Bild gerückt werden, sondern auch durch die detailreiche Ausstattung, die großartige Kameraarbeit von Jarin Blaschke und das konsequent für Beunruhigung sorgende Sounddesign von Mark Corven, bei dem vor allem das immer wieder dumpf brummende Nebelhorn des Leuchtturms haften bleibt.
Wie eine Reminiszenz an Hitchcocks „The Birds“ wirkt die Konfrontation des Jungen mit Möwen, vor deren Tötung der Alte warnt, da sie Unglück bringe. Und mehrfach verschwimmen auch die Grenzen zwischen Realität und Wahn, wenn der junge Gehilfe, der zunächst eine kleine geschnitzte Figur einer Meerjungfrau findet, am Strand tatsächlich auf eine Frau mit dem Unterleib eines Fisches zu stoßen scheint. Gleichzeitig beginnt er aber auch zunehmend gegen die Allmacht seines Chefs aufzubegehren.
Wie jedes Märchen ist dabei natürlich auch dieses mit Bildern aufgeladen, die ebenso konkret sind wie auch symbolhaft. Überdeutlich phallischen Charakter hat so der Leuchtturm, der auf die Männlichkeit dieser Männer, auf die Eggers freilich ironisch blickt, stehen könnte. Das Licht des Leuchtturms kann man dagegen wieder als Metapher für Macht und Wissen lesen, an dem der alte Leuchtturmwärter seinen Gehilfen nicht teilhaben lassen will.
Vor allem aber ist „The Lighthouse“ mit einer Konsequenz und einer Rohheit inszeniert, die nicht nur im heutigen Kino selten zu finden ist, sondern auch perfekt zur Geschichte und zu den Charakteren passt: Ein atmosphärisch ungemein dichter, bildmächtiger, intensiv gespielter und verstörender Film ist so entstanden, in dem auch das Toben des Sturmes und das Tosen des Meeres kongenial mit der Konfrontation der beiden Männer korrespondiert und das Archaische dieses Kampfes verstärkt.
Läuft derzeit im Cinema Dornbirn (Deutsche Fassung) und im Skino Schaan (engl. O.m.U.) Spielboden Dornbirn: 3.1. 2020 (engl. O.m.U.)
Trailer zu "The Lighthouse - Der Leuchtturm"
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