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AutorenbildWalter Gasperi

Die Filme des Jahres 2024

Aktualisiert: vor 9 Stunden

The Zone of Interest (Jonathan Glazer, 2023)

Vom radikalen Holocaust-Film bis zum mitreißenden Musical hatte das Filmjahr 2024 einiges zu bieten: Eine subjektive Liste der Top 30.


Einen völlig neuen, aber zutiefst beeindruckenden Ansatz in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust wählte Jonathan Glazer bei "The Zone of Interest". Yorgos Lanthimos gelang dagegen mit "Poor Things" eine vor Einfallsreichtum sprühende und visuell berauschende Emanzipationsgeschichte, während Bertrand Bonello in "The Beast – La bête" kühn Science-Fiction-Film, Historiendrama und düsteren Thriller verbindet. Hirokazu Kore-edas "Monster – Die Unschuld" beeindruckte durch die brillante Konstruktion, während Payal Kapadias "All We Imagine as Light" durch die Mischung von Poesie und Realismus sowie die großartige Bildsprache begeisterte.


1. The Zone of Interest: Jonathan Glazer erzählt vom Schrecken des Holocaust, ohne ihn zu zeigen, lässt ihn über die Tonebene aber ungleich erschreckender vor dem inneren Auge aufsteigen, gibt aber auch der "Banalität des Bösen" ein Gesicht und gewinnt in der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen Zeitlosigkeit.

2. Poor Things: Yorgos Lanthimos inszeniert die Entwicklung einer jungen Frau als bildgewaltigen, immer wieder überraschenden, zwischen Realismus und grandioser Künstlichkeit pendelnden und von trockenem schwarzem Humor durchzogenen grandiosen Trip.

3. The Beast – La Bête: Bertrand Bonellos auf drei Zeitebenen spielender Mix aus Kostümfilm, Thriller und Science-Fiction ist ein ziemlich verstörender Brocken von einem Film: Visuell brillant, aufregend erzählt und mit einer großartigen Léa Seydoux in der Hauptrolle, aber auch sehr kühl und verkopft.

4. All We Imagine as Light: Die Inderin Payal Kapadia erzählt in ihrem in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichneten zweiten Langfilm subtil und poetisch in großartigen Bildern von der wachsenden Solidarität von drei Frauen in Mumbai, deren Leben von gesellschaftlichen Normen und Klassengegensätzen eingeschränkt wird.

5. Monster – Die Unschuld: Hirokazu Kore-eda legt in seinem meisterhaften Drama durch Perspektivenwechsel Schicht für Schicht neue Sichtweisen auf seine beiden jugendlichen Protagonisten und ihre Geschichte frei: Ein atemberaubend komplex aufgebauter Film über den vielfach täuschenden ersten Eindruck und die Schwierigkeit zur Wahrheit vorzudringen.

 

6. All of Us Strangers: Zwischen Traum und Realität pendelnd lotet Andrew Haigh in betörenden Bildern intensiv Einsamkeit, Sehnsucht nach Liebe, Trauer und Ängste aus.

7. Emilia Pérez: Ein mexikanischer Drogenboss möchte als Frau ein neues Leben beginnen: Eine unglaubliche Story, doch Jacques Audiard macht daraus einen mitreißenden Film, in dem er zudem seine Protagonistinnen ihre Gefühle singend vortragen lässt.

8. Evil Does Not Exist: Ryūsuke Hamaguchis poetisch-meditative Parabel über das Verhältnis von Mensch und Natur bleibt bei aller Einfachheit doch voller Rätsel.

9. Wicked: Kino als ein Ort, in dem man das Staunen wieder lernen kann: Jon M. Chus erster Teil der Verfilmung des Musicals "Wicked – Die Hexen von Oz" bietet unglaublich bildmächtige und mitreißende Unterhaltung, in der auch aktuelle politische Strömungen thematisiert und kritisiert werden.

10. The Room Next Door: Julianne Moore und Tilda Swinton brillieren in Pedro Almodóvars zurückhaltend inszeniertem, aber bewegendem Sterbehilfedrama.

 

11. Anora: Sean Baker lässt in seiner mitreißend inszenierten und herausragend gespielten Tragikomödie um eine New Yorker Stripperin und einen russischen Oligarchensohn lustvoll gesellschaftliche Gegensätze aufeinanderprallen.

12. Favoriten: Ruth Beckermanns Dokumentarfilm über eine migrantischstämmige Wiener Volksschulklasse ist eine eindrucksvolle Hommage sowohl an eine engagierte Pädagogin als auch an ihre Schützlinge, deckt aber auch Missstände im Bildungssystem auf.

13. Robot Dreams: Fernab von Pixar und Disney gelang Pablo Berger ein ebenso einfacher wie berührender und mit seiner Liebe zum Detail begeisternder Animationsfilm um einen einsamen Hund und einen Roboter.

14. Ivo: Minna Wündrich brilliert in Eva Trobischs unspektakulärem, aber dichtem Drama über den Alltag einer ambulanten Palliativpflegerin.

15. Love Life: Kōji Fukada lotet in leiser und ruhiger Inszenierung differenziert die Beziehungen der Protagonist:innen, die Brüchigkeit der Liebe und daraus resultierenden Verrat sowie den Umgang mit Trauer aus.

 

16. The Seed of the Sacred Fig: Herausragend gespieltes thrillerhaftes iranisches Kammerspiel über das permanente Misstrauen eines repressiven Regimes auf der einen Seite und das schwelende und langsam wachsende und in Auflehnung mündende Misstrauen der unterdrückten Bevölkerung auf der anderen Seite.

17. C´è ancora domani – Morgen ist auch noch ein Tag: Häusliche Gewalt ist ein ernstes Thema, doch Paola Cortellesi erzählt davon in ihrem 1946 spielenden Debüt, das in Italien zum Kassenschlager avancierte, mit einer Leichtigkeit und einem Einfallsreichtum, dass einem das Herz aufgeht, verharmlost das Thema aber nie.

18. Tatami: Eine iranische Judoka soll sich bei der WM auf Druck des Regimes vom Wettkampf zurückziehen: Guy Nattiv und Zar Amir Ebrahimi verbinden Sport und Politik zu einem intensiven und hochspannenden Thriller.

19. Dune – Part Two: Denis Villeneuve verpackt Coming-of-Age- und Liebesgeschichte in einen bildmächtigen Science-Fiction-Film über Macht und Ausbeutung, über ökologische Krise und Rebellion.

20. The Holdovers: Alexander Paynes Tragikomödie um einen misanthropischen Lehrer, der über die Weihnachtsferien im Internat einige Schüler beaufsichtigen soll, besticht durch trockene Inszenierung, prägnante Zeichnung von eigenwilligen Figuren und treffsichere Dialoge sowie ein Gespür für die Verbindung von Witz und berührenden Szenen.

 

21. Wenn ich nur Winterschlaf halten könnte: Die Mongolin Zoljargal Purevdash erzählt in ihrem ungeschönten Sozialdrama in starken Bildern von einem Teenager, der sich im eisigen Winter von Ulaanbaatar sich einerseits um seine beiden jüngeren Geschwister kümmern und sich andererseits auf einen wichtigen Physik-Wettbewerb vorbereiten muss.

22. Green Border: Agnieszka Holland erzählt aufrüttelnd vom brutalen und menschenverachtenden Vorgehen der Wachen an der belarussisch-polnischen Grenze gegen Migrant:innen.

23. Explanation for Everything – Eine Erklärung für Alles: Gábor Reisz lotet in seinem meisterhaft verdichteten und messerschafen Gesellschafsporträt bestechend die Spaltung Ungarns unter Premierminister Victor Orban aus.

24. My Favourite Cake - Ein kleines Stück vom Kuchen: Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha verbinden in ihrer wunderbar sanft und rund erzählten, bittersüßen Tragikomödie die Geschichte einer iranischen Witwe, die sich nach einem Mann sehnt, mit expliziten regimekritischen Spitzen.

25. In Liebe, Eure Hilde: Mit einer großartigen Liv Lisa Fries in der Hauptrolle erzählt Andreas Dresen ruhig und unspektakulär die Geschichte Hilde Coppis, die von den Nationalsozialisten wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" hingerichtet wurde.


26. Der Spatz im Kamin: Den Zwillingsbrüdern Ramon und Silvan Zürcher gelingt zum Abschluss ihrer "Tier"-Trilogie ein von einem großartigen Ensemble getragenes und mit Fingerspitzengefühl inszeniertes, meisterhaftes Psychogramm familiärer Spannungen.

27. The Bikeriders: Jeff Nichols erzählt anhand der Geschichte des fiktiven Motorradclubs Vandals unaufgeregt und atmosphärisch dicht von Freiheitssehnsucht und einem Umbruch der US-Gesellschaft in den frühen 1970er Jahren.

28. Woman of .... - Frau aus Freiheit: Getragen von der herausragenden Małgorzata Hajewska-Krzysztofik in der Hauptrolle vermitteln Małgorzata Szumowska und Michał Englert intensiv sowohl die psychischen Belastungen als auch die gesellschaftlichen Repressionen gegenüber einer Transfrau in Polen.

29. Konklave: Edward Berger gelang mit der Verfilmung von Robert Harris´ Bestseller um die Intrigen während einer Papstwahl ein konzentrierter, wendungsreicher und großartig gespielter Thriller.

30. Blink Twice: Der Schauspielerin Zoë Kravitz gelang mit ihrem Regiedebüt ein fulminanter Thriller, der virtuos Verunsicherung evoziert und am Ende auch bissig Gesellschaftskritik übt.



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