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AutorenbildWalter Gasperi

Dolls


Auf blutige Splatter-Momente kann Stuart Gordon in seinem 1987 entstanden Klassiker des Puppenhorrors weitgehend verzichten. Sein Film lebt von der dichten Atmosphäre, einer Fülle liebevoll gestalteter und animierter Puppen, die sich an gefühlskalten Erwachsenen unerbittlich rächen, und der geschickten Arbeit mit Märchenmotiven. Bei Koch Films ist Gordons Kultfilm in einem Mediabook auf DVD und Blu-ray erschienen.


Auf der Fahrt durchs ländliche England gerät eine amerikanische Familie in ein unvermittelt aufziehendes heftiges Gewitter. Als der Wagen im Schlamm stecken bleibt, entdeckt man ein altes gotisches Haus, in dem man übernachten will.


Nicht nur mit dem Motiv vom "Haunted House" spielt Stuart Gordon hier, sondern er präsentiert mit Rosemary auch eine böse Stiefmutter wie aus dem Märchenbuch. Auf diese Märchenspur lenkt Gordon freilich auch, wenn er die kleine Judy im Auto und später auch im Haus "Hänsel und Gretel" lesen lässt. Ihrem Vater und seiner neuen Frau ist das siebenjährige Mädchen nur lästig. Ausgesprochen lieblos behandeln sie Judy, doch als Rosemary Judys Teddy in die Büsche wirft, scheint die Rache auf dem Fuß zu folgen.


Bissig ist Gordons Blick auf die gemeinen und aggressiven Erwachsenen. Zum Ehepaar werden in dieser Hinsicht im Haus noch zwei punkige junge Frauen kommen. Der naive Ralph hat die beiden Tramperinnen in seinem Wagen mitgenommen, doch das Unwetter hat das Trio ebenfalls in dieses Haus eines alten Ehepaares, das Puppen herstellt, verschlagen. Die beiden bösartigen Ladies sind bald nur auf Diebstahl aus, während Ralph, der sich als Erwachsener viel Kindliches bewahrt hat, sich bestens mit der kleinen Judy versteht.


Statt auf blutige Splatter-Szenen setzt Gordon auf den Aufbau einer unheimlichen Atmosphäre. Gekonnt arbeitet er dazu mit dem alten Haus, dem endlosen Gewitter und der immer wieder nur von Kerzenlicht erhellten Nacht. Auch die kompakte Handlungsführung mit der Beschränkung auf diese eine Nacht und dem Haus mit seinen zahlreichen Räumen als einzigem Schauplatz sowie der sehr überschaubare Cast von nur sieben Figuren sorgen für Dichte. Ganz zutreffend ist Letzteres freilich nicht, denn in diesem Haus gibt es eben noch als heimliche Stars dieser Genreperle zahllose Puppen, die bald zum Rachezug gegen die bösen Erwachsenen ausholen werden.


Reiz gewinnt "Dolls" dabei auch durch die liebevoll gestalteten Puppen, deren Bandbreite sich von Soldaten über einen Kasperl bis zum Cowboy, der sein Lasso schwingt, spannt. Jedes dieser kleinen Spielzeuge, die David Allens Stop-Motion-Animation zum Leben erweckt, wäre für sich allein freilich machtlos, aber gemeinsam sind sie stark, bringen die im Vergleich zu ihnen riesenhaften Menschen zu Fall und setzen bei ihrer Rache auch Messer, Sägen und Eisenpfeile ein.


An die Abenteuer von Jonathan Swifts Gulliver im Lande Lilliput können diese Szenen ebenso erinnern wie an die Rache der Ausgestoßenen in Tod Brownings "Freaks". Gerettet werden dabei wie im klassischen Märchen nur die reinen Seelen, denn "Dolls" ist auch ein durch und durch moralischer Film. Wer aber die Puppen, die gegenüber ihrem Besitzer stets loyal und treu sind, nicht achtet, sie verlacht oder sogar zerstört, beschwört einen Kampf heraus, bei dem der Mensch letztlich nur verlieren kann.


Dass "Dolls" auch nach 34 Jahren noch prächtig funktioniert und spannende Unterhaltung bietet, liegt aber auch an der schnörkellosen Inszenierung. So ansatzlos dieser schlanke 77 Minuten lange Mix aus Horror- und Märchenfilm einsetzt, so kurz gehalten ist auch das Ende, bei dem sich freilich schon die Ankunft der nächsten Opfer ankündigt.


An Sprachversionen bieten die bei Koch Films in einem Mediabook erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben dem englischen Trailer und einer Bildergalerie für drei Szenen den Vergleich von Storyboard und Film, das deutsch untertitelte 30-minütige Feature "Toys of Terror" mit Interviews mit Regisseur Stuart Gordon, dem Produzenten, Schauspielern und Special-Effects-Spezialisten über die Entstehung des Films sowie einen – nicht untertitelten – englischen Audiokommentar von Stuart Gordon und Drehbuchautor Ed Naha und einen zweiten Audiokommentar mit den Schauspielern.


Trailer zu "Dolls"



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