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AutorenbildWalter Gasperi

Ein Solitär des deutschen Kinos: Bernhard Wicki

Aktualisiert: 18. Sept. 2019


In keine Schublade lässt sich der am 5. Januar 2000 verstorbene Bernhard Wicki einordnen, war so wenig Teil von „Papas Kino“ wie des Neuen Deutschen Films. Als Schauspieler feierte er in den 1950er Jahren Triumphe, höchst uneben verlief dagegen seine Karriere als Regisseur. Das Filmarchiv Austria widmet dem am 28. Oktober 1919 im niederösterreichischen St. Pölten geborenen Wicki anlässlich seines 100. Geburtstags eine Retrospektive.


Mit einem Paukenschlag trat Bernhard Wicki 1959 mit „Die Brücke“ als Regisseur in die Filmgeschichte. So erschütternd und realistisch wie in dieser Geschichte um sieben Jugendliche, die in den letzten Kriegstagen eine Brücke gegen die anrückenden Amerikaner verteidigen sollen und dabei sukzessive umkommen, hatte zuvor im deutschen Kino niemand von den Schrecken des Krieges und den Verbrechen an der Jugend erzählt.


Nicht nur zahlreiche Preise wie Golden Globe und Oscar-Nominierung folgten, sondern mit diesem zweiten Spielfilm nach „Warum sind sie gegen uns?“ (1958), in dem der Debütant die gesellschaftliche Kluft zwischen jugendlichen Angestellten und Arbeitern erkundete, öffnete sich für Wicki auch schon der Weg nach Hollywood.


Berühmt war der am 28. Oktober 1919 in St. Pölten als Sohn eines Schweizer Ingenieurs und einer Österreicherin geborene Wicki freilich nicht nur in Deutschland schon vorher. Wegen Mitgliedschaft bei einer kommunistischen Gruppe als 13-Jähriger wurde er zwar 1939 mehrere Monate im KZ Sachsenhausen inhaftiert, bekam aber dennoch während der NS-Zeit Rollen bei den Salzburger Festspielen, in Bremen oder beim Film „Der Postmeister“ (1940).


Vor Kriegsende ging er mit seiner Frau Agnes Fink in die Schweiz ans Schauspielhaus Zürich, wo er Friedrich Dürrenmatt kennenlernte, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Dem Film gegenüber war Wicki nach eigenen Aussagen eher ablehnend eingestellt, erst die Bekanntschaft mit Max Ophüls bei der Synchronisation von „Plaisir“ (1952) soll seine Haltung geändert haben.


In den 1950er Jahren spielte er in Paul Verhoevens „Ewiger Walzer“ (1954) Johann Strauss Sohn ebenso wie in Wolfgang Liebeneiners „Königin Luise“ (1957) an der Seite von Ruth Leuwerik Zar Alexander. Vor allem zu beeindrucken verstand er aber in G. W. Pabsts „Es geschah am 20. Juli“ (1955) als Hitler-Attentäter Oberst Stauffenberg und als jugoslawischer Partisan in Helmut Käutners Antikriegsfilm „Die letzte Brücke“ (1954). Bei Käutner, in dessen Komödie „Die Zürcher Verlobung“ (1957) er neben Liselotte Pulver und Paul Hubschmid er ebenfalls eine Hauptrolle spielte, gewann er als Volontär bei „Monpti“ (1958) auch Einblick in die Arbeit des Regisseurs.


Nach „Die Brücke“, der auf einem 1958 erschienenen autobiographischen Roman von Manfred Gregor beruhte, spezialisierte sich Wicki auf Literaturverfilmungen, konnte aber in den folgenden 30 Jahren nur acht Filme, einige davon „nur“ als Fernsehfilme realisieren. Beim Publikum entwickelte sich „Das Wunder des Malachias“ (1961), in dem der kompromisslose Regisseur satirisch auf die Gesellschaft der Adenauer-Ära blickte, zwar zum Erfolg, doch die Kritik reagierte reserviert.

Der Ruhm, den er sich mit „Die Brücke“ erworben hatte, verschaffte ihm aber nicht nur eine Rolle in Michelangelo Antonionis „La notte“ (1961), sondern sorgte auch dafür, dass ihn Darryl F. Zanuck für die Regie der deutschen Episoden von „The Longest Day“ (1962), in dem die Invasion in der Normandie im Juni 1944 nachgezeichnet wurde, nach Hollywood holte.

Wicki war mit dem Film zwar nicht ganz zufrieden, konnte aber Zanuck überreden, ihm die Regie von „The Visit“ (1964), einer Verfilmung von Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“, zu übertragen. Mit Ingrid Bergman und Anthony Quinn stand zwar eine hochkarätige Besetzung zur Verfügung, doch wurde ihm vorgeworfen, dass er weitgehend einem vordergründigen Realismus verfallen sei und aus der bitteren Parabel ein eher konventionelles Melodram mache (Lexikon des internationalen Films).


Mit Marlon Brando und Yul Brynner in den Hauptrollen drehte er anschließend den Spionage-Kriegsfilm „Morituri“ (1965), der zwar als Spannungskino gelobt wurde, aber die Produktionskosten kaum einspielte. Unzufrieden mit den Produktionsbedingungen in Hollywood kehrte Wicki nach Deutschland zurück, wo er nach einer Pause aufgrund einer Krankheit fürs Fernsehen mit Helmuth Qualtinger in der Hauptrolle Joseph Roths „Das falsche Gewicht“ (1971) inszenierte.

Nachdem sich Wickis Pläne Peter Handkes „Der kurze Brief zum langen Abschied“ und Hermann Hesses „Der Steppenwolf“ zu verfilmen zerschlagen hatten, meldete er sich 1977 mit „Die Eroberung der Zitadelle“ zurück. Bestenfalls kontrovers wurde aber dieses Drama über ein deutsches Gastarbeiterschicksal in Italien aufgenommen, vor allem das klischeehafte Italienbild wurde Wicki vorgeworfen.


Obwohl er Distanz gegenüber dem Neuen Deutschen Film wahrte und schon aufgrund seines Alters kaum zu dieser Bewegung dazugerechnet werden kann, trat er in Filmen wie Hans Werner Geissendörfers „Die gläserne Zeille (1977), Rainer Werner Fassbinders „Eine Reise ins Licht – Despair“ (1978) oder Wim Wenders´ „Paris, Texas“ (1984) auf.


Seinen nächsten eigenen Film konnte er erst 1984 mit der Verfilmung von Wolfgang Kohlhaases Hörspiel „Die Grünstein-Variante“ realisieren. In dem als Koproduktion zwischen WDR und DEFA in Babelsberg gedrehten Film erzählt Wicki reduziert auf eine Gefängniszelle, in der im Jahre 1939 in Paris ein Deutscher, ein Grieche und ein Pole auf das Urteil warten, von einer Schachpartie, in der der Pole, der zuvor noch nie Schach gespielt hat, den schachbegeisterten Deutschen besiegt.


Wiederum in der DDR, im Gegensatz zu dieser Studioproduktion aber an der Ostseeküste entstand die folgende Adaption von Alfred Anderschs „Sansibar oder der letzte Grund“ (1987). Obwohl diese Geschichte über die Flucht von sechs sehr unterschiedlichen Menschen vor den Nazis, fürs Fernsehen gedreht wurde, arbeitete Wicki mit 35-mm Filmmaterial und mit großen Bildfolgen, die nur auf der großen Leinwand ihre Wirkung entfalten können.


Schwierig gestalteten sich die Dreharbeiten zum Mammutprojekt „Das Spinnennetz“ (1986-1989), mit dem Wicki nach „Das letzte Gewicht“ zu seinem Lieblingsautor Joseph Roth zurückkehrte. Schon 1986 wurde mit den Dreharbeiten begonnen, doch diese mussten wegen einer Gehirnblutung Wickis unterbrochen werden und konnten erst im Dezember 1988 abgeschlossen werden.


Bildmächtig und kraftvoll schildert er in diesem dreistündigen Zeitbild der frühen Weimarer Republik das Aufkommen des Nationalsozialismus anhand der Geschichte eines skrupellosen Emporkömmlings. – Zu Wickis Vermächtnis wurde dieser Film, denn danach konnte er auch aufgrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes keine weiteren Filme mehr drehen und starb am 5. Januar 2000 in München.


Programm siehe auf Filmarchiv Austria








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