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AutorenbildWalter Gasperi

Electric Fields

In Lisa Gertschs beim heurigen Max Ophüls-Preis als bester Spielfilm ausgezeichneten Abschlussfilm bricht in sechs Episoden das Unerklärliche in die alltägliche Welt herein: Ein durch originelle Ideen, lakonische Erzählweise und bestechende Schwarzweißfotografie beeindruckendes Debüt.


Bevor man etwas sieht, hört man zu den weißen Titeln auf schwarzem Grund den Atem und die Schritte eines Menschen. Ein Mann (Michael Neuenschwander) sitzt in einem Zimmer, auf dem Bett liegt sein toter Vater. Doch wenn der Mann das Transistorradio einschaltet, öffnet der Tote die Augen und steht bald sogar auf, bricht aber unvermittelt zusammen, als der Empfang abbricht.


Die titelgebenden "elektrischen Felder" spielen aber nur in dieser und der folgenden Episode von Lisa Gertschs Abschlussfilm an der Zürcher Hochschule der Künste eine Rolle. Unerklärlich bleibt nämlich, wieso die Glühbirne die eine Kundin in einen aus der Zeit gefallenen, altertümlichen Elektroladen bringt, nicht nur dann weiterleuchtet, wenn der Strom ausgeschaltet wird, sondern auch wenn die Glühbirne aus der Fassung der Lampe geschraubt wird.


Herrlich schräg ist dieser Auftakt, erzeugt Witz durch die prägnante und trocken-lakonische Inszenierung, für die die vorwiegend statischen Einstellungen sorgen, und lässt den renommierten Schauspieler:innen wie Michael Neuenschwander und später Sabine Timoteo oder Julia Jentsch viel Raum bei der Verkörperung der weitgehend namen- und hintergrundlos bleibenden Figuren.


Stellt sich in dieser zweiten Episode noch eine Verbindung zur ersten her, wenn der Elektriker ein Transistorradio, das das aus der ersten Szene sein könnte, repariert, so gibt es zwischen den weiteren Episoden keine Querverbindungen.


Aber auch die Elektrizität spielt offensichtlich keine Rolle mehr, wenn eine Frau bei einem Bewerbungsgespräch von der Chefin (Julia Jentsch) zunehmend über private Dinge befragt wird, bis die Szene eine ebenso dramatische wie unerklärliche Wende nimmt.


Irritierend ist aber auch, wie ein Mann in seiner Wohnung mit den Blumen spricht, dann zu seinem Haus am See fährt, einem Baum umarmt und schließlich zwar die Schuhe am Steg ablegt, aber davon abgesehen voll bekleidet, in den See steigt, bis er verschwindet und in einer langen Einstellung ein Sturm aufzieht, der zwei Yachten auf der aufgewühlten Wasseroberfläche ziellos hin und her treibt.


Während diese Episode ganz ohne Worte auskommt, lässt in einer anderen die Erzählung einer Frau über ihre Rom-Erfahrungen ihre Bekannte oder Freundin (Sabine Timoteo) am nächsten Morgen in der Ewigen Stadt aufwachen. Sie streift durch die italienische Metropole, kommt zum Pantheon und steigt die Spanische Treppe hoch, bis sie wie einst ihre Freundin am Himmel fliegende Starenschwärme sieht.


Kein großer Spannungsbogen muss angesichts der Kürze der jeweils durch Schwarzfilm getrennten Episoden aufgebaut werden, sondern Prägnanz ist wesentlich. Die Konzentration auf eine Figur oder Zweierkonstellationen und zumeist auf einen Schauplatz sorgt für Dichte und die bestechenden Schwarzweißbilder von Kameramann Simon Bitterli verstärken die traumartige, der Realität enthobene Atmosphäre der einzelnen Geschichten.


Spürbar ist in der kunstvollen Gestaltung nicht nur die Liebe, sondern auch die Sorgfalt, die die 1992 in Bern geborene Filmemacherin in diesen Film steckte, den sie über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren schrieb und drehte. Mag dabei auch nicht jede Episode in gleichem Maße überzeugen, so beschwören sie doch durchgängig eindringlich ein Gefühl der Melancholie und Verlorenheit und kreisen um Einsamkeit, Trennungsschmerz und Sehnsucht nach Bindung.

 

 

Electric Fields Schweiz 2024 Regie: Lisa Gertsch mit: Michael Neuenschwander, Sophie Hutter, Ole Eisfeld, Nicolas Rosat, Julia Jentsch, Dagna Litzenberger Vinet, Sabine Timoteo, Jasmin Mattei, Antonia Scharl Länge: 80 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.


Teaser zu "Electric Fields"




 

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