Baz Luhrmann zeichnet das Leben des King of Rock´n´Roll Elvis Presley von der Mitte der 1950er Jahre bis zu seinem Tod am 16. August 1977 aus der Perspektive seines Managers Colonel Tom Parker nach. – Wie gewohnt mobilisiert der Australier alle filmischen Mittel, bietet an der Oberfläche prachtvolles Kino, doch trotz starker Schauspieler*innen kommt die menschliche Komponente zu kurz.
Wo Baz Luhrmann draufsteht, ist Baz Luhrmann drin. Der Australier ist ein Meister des Verpackungskino, bei dem Augen- und Ohrenfutter im Übermaß geboten wird und nie in Frage steht, dass der eigentliche Star des Films der Regisseur ist. Ob "William Shakespeare´s Romeo and Juliet" (1996), "Moulin Rouge" (2001) oder "The Great Gatsby" (2013) – immer ging es zunächst darum eine spektakuläre Show und großes Ausstattungskino zu bieten. Das inszenatorische Feuerwerk stand im Vordergrund, die Schicksale der Charaktere kamen dadurch aber immer wieder zu kurz.
Nicht anders ist das beim Biopic "Elvis". Mit dem in den späten 1990er Jahren todkrank im Krankenhaus liegenden Colonel Tom Parker (Tom Hanks) wird von Beginn an der Manager von Elvis als Erzähler eingeführt. Aus seiner Perspektive erzählt Luhrmann, lässt Parker aber schon am Beginn darauf hinweisen, dass er von Elvis und dessen Umwelt durchaus kritisch gesehen wurde, ihm sogar die Schuld am Tod des King gegeben wurde. Die Frage von Wahrheit und Lüge wird bei diesem Auftakt zwar mehrfach aufgeworfen, doch in der Folge wird dieses Thema nicht weiterentwickelt und verdichtet, sondern verliert sich.
Weit greift Parker in seiner Erzählung zurück, berichtet über seine Anfänge auf dem Jahrmarkt, seinen Einstieg in die Country-Musik bis zu seiner Entdeckung von Elvis, der seiner Meinung nach nur durch ihn zum Star wurde. Wie er Elvis den Weg aus einem Spiegelkabinett weist, lässt diesen 1929 illegal in die USA eingewanderten Niederländer schon als mephistophelischen Verführer erscheinen.
Enormen Drive entwickelt "Elvis" am Beginn durch geraffte Erzählweise, spektakuläre raumgreifende Kamerafahrten und Totalen sowie einen dynamischen Schnitt. Diese Dichte und dieses Tempo hält mit dem Auftritt des jungen Elvis an, denn Parker fasst teils in Form eines Comics auch die Kindheit des späteren Rockstars zusammen, erinnert an seine ersten Aufnahmen bei Sun Records in Memphis, Tennessee und den zentralen Umstand, dass er als Weißer in eine afroamerikanische Domäne einbrach und in seiner Musik weiße Country-Musik mit afroamerikanischem Blues mischte.
Eindrücklich vermittelt Luhrmann beim Hayride in Louisiana auch die Energie von Elvis und die Wirkung nicht nur seines Gesangs, sondern vor allem seines Hüftschwungs auf das vorwiegend weibliche Publikum. Die Konzerte sind in der Folge auch das Herzstück des Films. Mitreißend machen hier Kameraarbeit und dynamischer Schnitt mit dem Wechsel zwischen Großaufnahmen von Elvis und Blicken ins Publikum die Energie von Elvis und die Stimmung in den Konzertsälen erfahrbar.
Aber bei einem sich über 20 Jahre erstreckenden Handlungsbogen kann vieles nur angerissen und wenig vertieft werden. Sehr verknappt wird so Einblick geboten in den Rassismus der 1950er Jahre, die Verurteilung von Elvis´ Auftritten als obszön und Parkers – erfolglosen - Versuch seinen Star zu einer allgemein akzeptierten Performance zu bewegen.
Sein zweijähriger Aufenthalt als Soldat in Deutschland wird auf die beginnende Beziehung zu seiner späteren Frau Priscilla reduziert, sehr kursorisch wird auch die wenig erfolgreiche Filmkarriere abgehandelt. Mehr Raum widmet Luhrmann dem – letztlich erfolglosen - Versuch von Elvis sich Ende der 1960er Jahre von Parker zu lösen. "Caught in a trap" wird so zum zentralen Song und in den elektrisierenden Auftritten im International Hotel in Las Vegas werden nochmals der enorme körperliche Einsatz von Elvis, aber auch die Begeisterung, die er entfachen konnte, spürbar.
Doch so überzeugend in seiner Zurückhaltung Tom Hanks auch den fiesen Manager Parker, der hier zum Dämon, der Elvis nicht nur aufgebaut, sondern vor allem auch zugrunde gerichtet hat, hochstilisiert wird, und so leidenschaftlich und mitreißend Austin Butler auch Elvis spielt, so fehlt diesem weit ausholenden Biopic letztlich doch die menschliche Komponente und die emotionale Dichte.
Aufgrund der Kürze der Szenen und Luhrmanns Lust an der bombastischen Überinszenierung gewinnt kaum ein Moment Tiefe. Dünn gesät sind die stillen Momente, in denen die Tragik hinter der glänzenden Karriere spürbar wird, und auch die Beziehung zwischen Parker und Elvis wird nicht dramatisch verdichtet. Rudimentär bleibt auch die Einbettung in den gesellschaftlichen und zeithistorischen Hintergrund mit Hinweis auf die Ermordung von Martin Luther King, Robert Kennedy und Sharon Tate, während die Ermordung von John F. Kennedy und der Vietnamkrieg beispielsweise völlig außen vor bleiben.
Im Zentrum steht die Feier der Bühnenpräsenz und der Musik von Elvis. Wie dies Luhrmann unter Mobilisierung aller filmischen Mittel von Kamera über Schnitt und Ausstattung bis hin zu Splitscreen und Einsatz von echtem oder nachgestelltem Archivmaterial und natürlich der grandiosen Musik gelingt, beeindruckt zweifellos, dennoch bleibt der Eindruck einer spektakulären Jahrmarktshow des Filmzauberers Luhrmann zurück, bei der sich hinter der brillanten Verpackung eine Leere verbirgt.
Elvis USA 2022 Regie: Baz Luhrmann mit: Tom Hanks, Austin Butler, Olivia DeJonge, Richard Roxburgh, Kodi Smit-McPhee, Luke Bracey, Kelvin Harrison Länge: 157 min.
Läuft derzeit in den Kinos
Trailer zu "Elvis"
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