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AutorenbildWalter Gasperi

Filmbuch: Art-Horror - Die Filme von Ari Aster und Robert Eggers


Die Filme von Ari Aster ("Hereditary", "Midsommar") und Robert Eggers ("The Witch", "The Lighthouse", "The Northman") bewegen sich zwischen Horrorfilm und Art-House-Kino. – Adrian Gmelch bietet in seinem im Büchner Verlag erschienenen Buch Einblick in die Entwicklung der beiden Regisseure und arbeitet anhand ihres Werks detailreich und differenziert Kriterien des neuen Subgenres Art-Horror heraus.


Nach einer Einleitung über die neue Blüte des Horrorfilms ab etwa 2010 und das neue Subgenre des Art-Horror fokussiert Adrian Gmelch, von dem zuletzt eine Monographie über M. Night Shyamalan erschien, auf den beiden Shooting-Stars Ari Aster (*1986) und Robert Eggers (*1983). Beide reüssierten schon mit ihren Debüts "Hereditary" (Aster) bzw. "The Witch" (Eggers) sowohl an der Kinokasse als auch bei der Kritik.


Parallel wird dabei Einblick in ihre filmische Sozialisation in Kindheit und Jugend geboten. Zentrale Einflüsse entdeckt Gmelch hier für Eggers beim deutschen expressionistischen Film und im Speziellen bei Murnaus "Nosferatu", an dessen Remake der Amerikaner derzeit arbeitet. Für Aster sei dagegen der frühe Kontakt mit "Erwachsenenfilmen" wie Hanekes "Die Klavierspielerin", von Triers "Dogville" bis zu Greenaways "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" und Kubricks "Clockwork Orange" prägend gewesen.


Diese vergleichende Gegenüberstellung der beiden Regisseure zieht sich durch das ganze, bestechend aufgebaute und strukturierte Buch. So werden auch ihre künstlerischen Anfänge mit Off-Broadway-Produktionen bei Eggers und Kurzfilmen bei Aster bis zur Genese ihrer beiden ersten Spielfilme "The Witch" (2015) und "Hereditary" (2018) parallel nachgezeichnet.


Quasi in einem Exkurs versucht der Autor anschließend den Horrorfilm zu definieren. Er stellt dabei unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze vor, blickt auch auf die Anfänge des Genres und arbeitet als wesentliche Merkmale das Final Girl, Jump Scares, die Scream Queen und den Final Twist heraus. Aber auch die Arbeit mit vergleichsweise langen Einstellungen in diesem Genre und mit dem negativen Raum sowie mit der Tonspur wird beleuchtet.


Über den Blick auf die jahrzehntelange Missachtung des Horrorfilms bei Oscarverleihungen und Filmfestivals nähert sich Gmelch dem modernen Horrorfilm, der diesem schlechten Ruf teilweise entgegenwirken will. In Aster und Eggers entdeckt er dabei Regisseure, die nicht grundsätzlich an Horror interessiert sind, sondern vielmehr ihre Filme aus Finanzierungsgründen ins Genre einbetten. Wesentliches Element des Art-Horror ist so für Gmelch, dass das Genre als Vehikel benützt wird, um Themen zu transportieren.


Detailreich arbeitet der Autor dazu auch die vielfältigen filmhistorischen Einflüsse auf Aster von Nicholas Roegs "Don´t Look Now - Wenn die Gondeln Trauer tragen" über die Farbdramaturgie von Powell/Pressburgers "The Red Shoes" und "Black Narcissus" bis zu den Filmen Ingmar Bergmans und des Sowjetrussen Sergei Paradshanov heraus und belegt diese auch immer wieder durch Bildvergleiche. Aber auch auf die Beeinflussung durch bildnerische Künstler wie den Fotografen Joel-Peter Witkin oder die schwedische Malerin Hilma af Klint geht Gmelch in seiner ungemein faktenreichen Darstellung ein.


Nicht weniger detailliert geht er auf Eggers ein. Bei diesem arbeitet der Autor den Einfluss von Stanley Kubricks "Shining", Benjamin Christensens Stummfilm "Häxan", Ingmar Bergmans "Schreie und Flüstern", Jean Gremillons "Der Leuchtturmwärter", Joseph Loseys "The Servant" und des deutschen Expressionismus ebenso heraus wie den von Kunst, Mythologie und Literatur bis hin zu einer Zeichnung Albrecht Dürers und Samuel Becketts "Warten auf Godot".


Auf diesen Blick auf Einflüsse folgt die Analyse zentraler Themen der beiden Regisseure. Ausführlich stellt Gmelch dabei dar, wie Aster in der Verpackung des Horrorfilms von Trauer, Traumata und Ängsten erzählt, während bei Eggers wiederkehrendes Element die Beschreibung einer historischen Welt sei.

Aber auch bei Eggers entdeckt Gmelch in diesem historischen Setting zeitlose Themen, wenn es in "The Witch" um sexuelles Erwachen und aufkommendes Begehren und damit verbunden um Rebellion gegen die patriarchale puritanische Gesellschaft und weibliche Selbstermächtigung geht. Detailliert wird auch die Vielschichtigkeit von "The Lighthouse" (2019) herausgearbeitet, in dem der Autor neben dem Generationenkonflikt auch Homoerotik, das Doppelgängermotiv und eine mögliche Geisteskrankheit des Protagonisten als Themen entdeckt.


Sehr anschaulich werden dabei auch mittels Tabellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Filme von Aster ("Hereditary" und "Midsommar") (S. 156) bzw. von Eggers ("The Witch" und "The Lighthouse") (S. 168) aufgezeigt.


Schlüssig arbeitet sich Gmelch weiter vor zur Analyse gemeinsamer Motive und stilistischer Elemente in den Filmen der beiden Regisseure. Dabei fokussiert er vor allem auf die Strategien, mit denen das innere Unbehagen der Protagonist:innen und das atmosphärische Unbehagen der Umwelt erzeugt und auf das Publikum übertragen wird.


Entscheidend für Art-Horror ist für den Autor dabei, dass mit Bildern, die die Schönheit von Gemälden haben, Schrecken erzeugt wird. Passend dazu wurde auch als Cover für das Buch Francisco Goyas Gemälde "Hexensabbat" (1798) gewählt, das Eggers in "The Witch" zitiert.


Aber auch die Katharsis am Ende, bei der die Protagonist:innen von ihrem Trauma befreit werden, sieht Gmelch als Merkmal des Art-Horror an. Das Publikum wiederum könne – der Autor beruft sich dabei auf Untersuchungen – aufgrund des Durchlebens dieser Horrorfilme leichter mit realen Krisen wie Corona umgehen.


Auf ein Fazit und einen Ausblick, in dem der Autor darüber spekuliert, dass sich die beiden Regisseure in Zukunft wohl auch anderen Genres zuwenden werden, folgt eine Liste mit etwa 30 seit 2010 entstandenen Filmen, die dem Art-Horror zuzuordnen sind. Neben bekannten Werken wie "It Follows" (David Robert Mitchell, 2014), "The Babadook" (Jennifer Kent, 2014) und "Men" (Alex Garland, 2022) finden sich hier auch Geheimtipps wie "The Blackcoat´s Daughter" (Osgood Perkins, 2015) oder "Saint Maud" (Rose Glass, 2019).


Abgerundet wird dieses beeindruckende Buch, das einen differenzierten und sehr informativen Einblick in die Vielschichtigkeit der Filme von Ari Aster und Robert Eggers bietet durch ausführliche Filmographien zum Werk der beiden Regisseure. Dabei werden auch die Kurzfilme berücksichtigt und neben den Credits werden auch kurze Inhaltsangaben geboten. Dazu kommen eine Bibliographie, ein Abbildungsverzeichnis und ein Personenregister.



Adrian Gmelch, Art-Horror. Die Filme von Ari Aster und Robert Eggers, Büchner-Verlag, Marburg 2022, 258 S., € 27, ISBN 978-3-96317-318-9 (Print) (ePDF: € 22, ISBN 978-3-96317-868-9)


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