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AutorenbildWalter Gasperi

Filmbuch: Luis Trenker (Film-Konzepte 73)

Luis Trenker: Naturbursch, Teil der nationalsozialistischen und faschistischen Filmmaschinerie, Medienstratege im westdeutschen Nachkriegsfernsehen. – Der 73. Band der Reihe Film-Konzepte fokussiert auf den (Dis-)kontinuitäten im Verlauf der rund 50-jährigen Karriere des Südtirolers und auf der Transnationalität seiner Bergfilme.


Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Luis Trenker (1899 – 1990) mit seinen TV-Auftritten zu einer Medienmarke. Seine Rolle während des Nationalsozialismus überging der gewiefte Südtiroler dabei freilich geschickt, konzentrierte sich in der TV-Serie "Luis Trenker erzählt" (1959 – 1960) lieber auf teils witzige, teils dramatische, aber insgesamt harmlose Anekdoten aus seinem Leben.


Der 73. Band der im Verlag etk text + kritik erscheinenden Reihe Film-Konzepte fokussiert nun in sieben Beiträgen genau auf diesen (Dis)kontinuitäten im Werk Trenkers. Prägnant zeichnen die Herausgeber:innen Daniel Winkler und Sophia Mehrbrey in ihrer Einleitung nach, wie es dem gewieften Medienstrategen gelang, seiner Karriere vom Bergfilmer der NS-Zeit bis in das Fernsehzeitalter der 1960er Jahre immer wieder Fahrt zu verleihen, Medientrends aufzugreifen oder vorwegzunehmen.


Klassische Filme Trenkers wie "Berge in Flammen" (1931) oder "Der Berg ruft" (1938) bleiben weitgehend unberücksichtigt. Dafür bietet beispielsweise Maria Fuchs einen spannenden Vergleich zwischen der deutschen und der französischen Sprachversion von "Der Sohn der weißen Berge / Les chevaliers de la montagne" (1930). In detailreicher Analyse arbeitet die Autorin heraus, wie durch die unterschiedliche Verwendung von Musik der deutschen Fassung ein internationaler Touch, der französischen dagegen ein nationaler verliehen wurde.


Eindrücklich zeigt auch Wilfried Wilms in seiner Analyse des von Joseph Goebbels begeistert aufgenommenen "Der Rebell" (1932), wie dieser Film über den Tiroler Freiheitskampf 1809 als faschistischer Film gelesen werden muss, der im historischen Kontext Zeitströmungen wie den Kampf gegen den Versailler Vertrag oder den Zusammenhalt aller Deutschen im Kampf gegen äußere Mächte propagiert.


Nicht weniger beeindruckend vergleicht Kamaal Haque ausgehend von Trenkers USA-Erfahrungen die Amerika-Filme "Der verlorene Sohn" (1934) und "Der Kaiser von Kalifornien" (1936). Der Autor arbeitet dabei nicht nur das Spannungsfeld von Modernismus und dem für den Bergfilm typischen Anti-Modernismus heraus, sondern auch, wie Trenker dem persönlichen Scheitern trotz materiellen Erfolgs ("Der Kaiser von Kalifornien") das private Glück durch Rückkehr in die europäische (Berg)heimat ("Der verlorene Sohn") gegenüberstellt.


Bernhard Groß spürt dagegen der Frage nach, wieso der Bergfilm "Flucht in die Dolomiten / Il prigioniero della montagna" (1955) trotz der damaligen Blüte des Heimatfilms ein Misserfolg war.  Durch detaillierten Vergleich zeigt der Autor auf, wie in der deutschen Fassung das Melodram um einen empfindsamen Helden, der aus seiner Heimat am Gardasee fliehen muss, um in der Bergwelt Handlungsfähigkeit zu entwickeln, forciert wird, während in der italienischen Fassung der Krimiplot im Zentrum steht. Hauptgrund für den Misserfolg sieht Gross aber in der Feier des Alten, die diesen Film nicht mehr zu einem Bergfilm, sondern nur noch zu einem Luis-Trenker-Film und einer Travestie des Genres mache, bei der es aber nichts zu lachen gebe.


Sich neu erfinden konnte Trenker, dessen Opportunismus wiederholt herausgestrichen wird, aber im Fernsehen der Nachkriegszeit. Herausgeberin Sophia Mehrbrey blickt so auf die zunächst für Kinder produzierte TV-Serie "Luis Trenker erzählt" (1959 – 1973), in der der Südtiroler in einfacher Kulisse Anekdoten aus seinem Leben erzählt und alles Politische ausspart. Mehrbrey analysiert dabei Trenkers zwischen Komik und Pathos changierenden Erzählstil ebenso wie seine von starker Gestik bestimmte Performance.


Abschließend arbeiten Herausgeber Daniel Winkler und Daniel Ehrenreich anhand der TV-Serie "Luftsprünge" die Remediatisierung des Bergfilms durch das Bergfernsehen heraus. Dabei stehe nicht nur dem reaktionären Modernismus des Bergfilms der 1930er Jahre mit spektakulären Kameraperspektiven und Schnittfolgen eine biedere Inszenierung gegenüber, sondern auch dem heroisch-männlichen Kampf am und um den Berg die Berglandschaft als leicht zugängliche Tourismusregion. An die Stelle der vertikalen Orientierung des Bergfilms trete dabei eine horizontale, denn ins Zentrum rücke ein Sporthotel, in dem einerseits mit der nicht nur deutsch-österreichischen Gästeschar ein transnationaler Charakter ins Spiel komme, andererseits auch dem Verhältnis von Arbeit in der Tourismusbranche und Freizeit viel Platz eingeräumt werde.


Wie gewohnt bei dieser Reihe runden auch diesen Band, der mit seinen Beiträgen ebenso neue wie spannende Blicke auf die Medienmarke Luis Trenker, aber auch auf die Entwicklungen im Bergfilm öffnet, eine kurze Biographie und eine Filmografie ab.

 


Daniel Winkler, Sophia Mehrbrey (Hg.), Film-Konzepte 73: Luis Trenker, Edition text + kritik, München 2024. 100 S., € 28, ISBN 978-3-96707-948-7

 

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