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AutorenbildWalter Gasperi

Filmbuch: Noir Western und Gangsterfilm


Unter dem Titel "essential" sind im Rahmen der Filmzeitschrift "35mm – Das Retro-Filmmagazin" nun die sechste und die siebte Sonderausgabe erschienen. Während im einen Heft auf jeweils zwei Seiten 22 Noir Western vorgestellt werden, bietet das andere mit 23 Filmen einen Streifzug durch den Gangsterfilm.


Während das Heft zum Noir Western die gesammelten Kolumnenbeiträge von Robert Zion zu diesem Thema enthält, finden sich in Gangster essential überwiegend neue Texte. Das Aufbauprinzip mit jeweils Bild und Titel auf der einen Seite und Text zum Film auf der gegenüberliegenden Seite ist ebenso bei beiden Heften gleich wie die chronologische Anordnung der Filme.


Im Noir Western, dem auch ein Filmheft zu André de Toths Meisterwerk "Tag der Gesetzlosen" mit einem ausführlichen Text von Robert Zion beiliegt, wird der Bogen von William A. Wellmans "Ritt zum Ox-Bow" (1943) bis zu John Fords "Cheyenne" (1964) gespannt. Fast alle berühmten Western-Regisseure – mit Ausnahme von Howard Hawks – von Raoul Walsh über Henry King und Anthony Mann bis zu Budd Boetticher, John Ford und William Wellman sind hier ebenso mit Werken vertreten wie Meister des B-Films wie André de Toth, Allan Dwan oder Joseph H. Lewis.


Während Zion bei Wellman´s "Ritt zum Ox-Bow" auf der Thematik des Wesens des Rechts fokussiert, sieht er bei Raoul Walshs "Verfolgt" (1947) die über der Gegenwart lastende und diese bestimmende Vergangenheit als typisches Noir Element. Bei André de Toths "Die Farm der Gehetzten" (1947) stellt dagegen ebenso eine Femme Fatale, die zudem von der klassischen Film noir Femme Fatale Veronica Lake gespielt wird, die Nähe zum Film noir her, wie in Robert Wises "Nacht in der Prärie" (1948) das Spiel mit Licht und Schatten.


Die Demontage von Helden und gebrochene Männer wie im Film noir findet Zion in Sam Fullers "Ich erschoss Jesse James" (1949) und Walshs "Vogelfrei" (1949) ebenso wie in Kings "Scharfschütze Jimmy Ringo" (1950), während in Zinnemanns Klassiker "12 Uhr mittags" (1952) und Dwans ähnlichem "Stadt der Verdammten" (1954) die pessimistischen Bilder der USA im Zentrum stehen.


Bei Anthony Manns "Die Farm der Besessenen" (1950), Wellmans "Spur in den Bergen" (1954) und de Toths "Tag der Gesetzlosen" (1959) wird ebenso auf das düstere, von Gewalt bestimmte Amerika fokussiert wie bei Richard Brooks Büffeljäger-Western "Die letzte Jagd" (1956) oder Joseph H. Lewis "Sturm über Texas" (1958). Eindrücklich arbeitet Zion bei Fullers "40 Gewehre" (1957) die durchgängige Verbindung von Sex und Gewalt heraus, während er in Kings düsterem Rachewestern "Bravados" (1958) schon den Übergang zum Italo-Western und in Sam Peckinpahs "Sacramento" (1962) den Abgesang auf die alten Helden entdeckt bis hin zur Unmöglichkeit der Heimat in Fords "Cheyenne" (1964).


Die ebenso präzisen wie fundierten Texte Zions, die immer wieder auch viele Hintergrundinformationen liefern, wecken große Lust vor allem die weniger bekannten Filme, die hier mit Leidenschaft vorgestellt und gefeiert werden, zu entdecken, aber auch die bekannteren Werke mit neuem Blick nochmals zu sichten.

Möglichkeit Entdeckungen zu machen, bietet auch das Sonderheft zum Gangsterfilm. Filmgeschichtlich wird hier der Bogen von 1911 bis 1964 gespannt. Schwerpunkt stellen zwar Filme aus den USA dar und die großen Meisterwerke wie Josef von Sternbergs "Unterwelt (1927) und "Die Docks von New York" (1928), William A. Wellmans "Der öffentliche Feind" (1931), Howard Hawks´ "Scarface" (1932) und Raoul Walshs "Sprung in den Tod" ("White Heat", 1949) dürfen nicht fehlen, aber auch weniger bekannte Produktionen werden vorgestellt.


So macht der 1909 begonnene und 1911 überarbeitete portugiesische Gangsterfilm "Os crimes de Diogo Alves" den Auftakt, auf den Louis Feuillades "Fantomas" (1913/14) folgt. Nur wenigen bekannt dürften auch Raoul Walshs Regiedebüt "Regeneration" (1915) und Wallace Worsleys "The Penalty" (1920) sein, in dem Lon Chaney den ersten Ober-Gangster der Filmgeschichte spielte.


Klassiker wie Fritz Langs "Dr. Mabuse, der Spieler" (1922) und "Das Testament des Dr. Mabuse" (1933) stehen neben der wenig bekannten britischen Produktion "Finstere Gassen" ("Brighton Rock", 1947), der von Oliver Nöding als meisterhafter Film gefeiert wird, oder Gerd Oswalds "Am Tag, als der Regen kam" (1959), in dem Bernward Knappig "ein lange unterschätztes Meisterwerk und singuläres Beispiel eines Gangsterfilms im westdeutschen Nachkriegskino" sieht.


Auffallend ist, dass Frankreich zwar mit Jules Dassins "Rififi" (1955) und Claude Sautets "Der Panther wird gehetzt" (1960) vertreten ist, aber kein Film von Jean-Pierre Melville in die Sammlung Aufnahme fand. Dafür wird mit "Die Glatzkopfbande" (1964) auch ein ziemlich singulärer Gangsterfilm aus der DDR und mit Kinji Fukasakus "Wolves, Pigs and Men" (1964) auch eine japanische Produktion vorgestellt, die Marco Koch rühmt als "ein brillantes Stück Kino, welches eine aus dem Noir übernommene expressionistische Kamera mit halbdokumentarischem Neorealismus mischt".


Auch bei diesem Sonderheft wecken die fundierten und mit spürbarer Begeisterung geschriebenen Texte die Lust, die vorgestellten Filme nochmals oder eben erstmals zu sehen. – Zu hoffen bleibt, dass die Reihe "essential", die mit der Fokussierung auf einem Genre oder einem Subgenre den Blick schärft, fortgesetzt wird


Auf dem Pfad der Verlorenen. Noir Western essential, 35 mm – Das Retro-Filmmagazin Sonderausgabe Nr. 6, Saarbrücken 2022, 52 S., € 6,90 – Bestelladresse: https://35mm-retrofilmmagazin.de/produkt/35-millimeter-sa-6-sonderausgabe-noir-western/


Gangster essential, 35 mm – Das Retro-Filmmagazin Sonderausgabe Nr. 7, Saarbrücken 2022, 52 S., € 6,90 – Bestelladresse: https://35mm-retrofilmmagazin.de/produkt/35-millimeter-sa-7-sonderausgabe-gangster/

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