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Cannes 2025: Verjüngungskur

  • Autorenbild: Walter Gasperi
    Walter Gasperi
  • vor 6 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit
Was bringt das 78. Filmfestival von Cannes?
Was bringt das 78. Filmfestival von Cannes?

Das Line-up des 78. Filmfestivals von Cannes (13. – 24. 5. 2025) wartet im Wettbewerb um die Goldene Palme mit einigen Überraschungen auf: Neue Filme von fix erwarteten Regisseur:innen fehlen und statt des Schaulaufen alter Meister wurden auch viele noch (relativ) junge und unbekannte Filmemacher:innen eingeladen.


Überraschend ist schon die Wahl des Eröffnungsfilm des 78. Filmfestivals von Cannes, denn kein großer Kracher wie vor Jahren George Millers "Mad Max: Fury Road" oder der neue Film eines Starregisseurs oder einer Starregisseurin, sondern die wohl noch weitgehend unbekannte Amélie Bonnin darf mit ihrem Langfilmdebüt "Partir un jour" diesen medienwirksamen Termin bespielen.


Gut möglich ist, dass Festivaldirektor Thierry Frémaux mit der Wahl des Films einer Frau auf die in den letzten Jahren immer wieder erhobenen Vorwürfe zu wenig Filme von Frauen zu berücksichtigen, reagiert. Angeboten hätten sich für die Eröffnung nämlich durchaus auch Spike Lees Kurosawa-Remake "Highest 2 Lowest" oder der Action-Kracher "Mission Impossible – The Final Reckoning", die ebenso außer Konkurrenz ihre Weltpremiere feiern wie Rebecca Zlotowskis "Vie Privée", Cedric Klapischs "Colours of Sky" und Thiery Klifas "The Richest Woman in the World".


Bei den 19 für den Wettbewerb ausgewählten Filmen fällt auf, dass die sechs Frauen mit Ausnahme von Kelly Reichardt alle zu einer jüngeren Generation zählen oder bislang nur wenige Filme gedreht haben. Während nämlich Reichardt, die mit "The Mastermind" eingeladen wurde, schon ausgiebige Festivalerfahrung aufweisen kann, dürften die Deutsche Mascha Schilinski, die mit dem Historiendrama "Sound of Failing" ihren zweiten Spielfilm gedreht hat, nur ausgesprochene Insider kennen.


Auch die Japanerin Chie Hayakawa, die mit "Renoir" ins Palmenrennen geht, hat bislang mit dem dystopischen Drama "Plan 75" nur einen langen Spielfilm gedreht und auch die tunesisch-algerisch stämmige Französin Hafsia Herzi verfügt zwar über eine lange Erfahrung als Schauspielerin, hat aber vor "La petite derniére" erst zwei Spielfilme gedreht.


Auch die Spanierin Carla Simón und die Französin Julia Ducournau präsentieren mit "Romeria" beziehungsweise mit "Alpha" erst ihren dritten Spielfilm haben sich aber auf jeden Fall schon mit dem Gewinn des Goldenen Bären mit "Alcarràs – Die letzte Ernte" (Simón) beziehungsweise der Goldenen Palme mit "Titane" (Ducournau) international einen Namen gemacht.


Neben Ducournau findet sich mit dem Brüderpaar Jean-Pierre und Luc Dardenne nur noch ein weiterer Palmen-Sieger, in diesem Fall sogar ein doppelter, im Line-Up. Wie wohl jeden Film seit ihrem Durchbruch mit "Rosetta" Ende der 1990er Jahre schicken  die beiden Beliger auch ihr neuestes Werk "Young Mothers" ins Palmenrennen.


Zu den Stammgästen an der Côte d´Azur zählt aber auch Wes Anderson, der mit "The Phoenician Scheme" eingeladen wurde, und der Norweger Joachim Trier, der nach "The Worst Person in the World" "Sentimental Value" präsentiert.


Prädestiniert für eine Premiere in Cannes ist freilich auch Richard Linklaters "Nouvelle Vague", wird darin angeblich doch von der Entstehung von Jean Luc Godards Klassiker "A bout de souffle – Außer Atem" erzählt. Neuling im Wettbewerb ist dagegen Ari Aster, auf dessen "Eddington" man besonders nach dem extrem schrägen "Beau Is Afraid" gespannt sein darf.


Weitere Neulinge im Wettbewerb sind der Südafrikaner Oliver Hermanus, der in "The History of Sound" von einer homosexuellen Liebe während des Ersten Weltkriegs erzählt, und der Franzose Oliver Laxe, der mit "Sirat" eingeladen wurde.


Während die USA mit vier Filmen gewohnt stark präsent ist, ist das Gastgeberland derzeit – Nachnennungen sind noch zu erwarten – neben Ducournau und Laxe nur mit Dominik Moll vertreten, der sich mit dem Krimi "Dossier 137" Hoffnungen auf einen Preis machen kann.


Schwach vertreten ist Lateinamerika, aus dem nur "The Secret Agent" des Brasilianers Kleber Mendonça Filho eingeladen wurde, während aus Asien neben der Japanerin Chie Hayakawa ein weiteres Mal der Iraner Jafar Panahi eingeladen wurde, der trotz Berufsverbot Film um Film dreht und nun "A Simple Accident" präsentiert.


Ein Thriller wird wohl der Schwede Tarik Saleh mit "The Eagles of the Republic" vorlegen, mit dem er nach "The Nile Hilton Affäre" (2017) und "Die Kairo Verschwörung" seine Kairo-Trilogie, abschließt. Komplettiert wird das derzeit 19 Filme umfassende Wettbewerbsprogramm durch "Fuori" des Italieners Mario Martone" und "Two Prosecutors" des Ukrainers Sergei Loznitsa.


Nicht weniger interessant als der Blick auf die ausgewählten Filme ist der auf die Filme, mit denen viele fix gerechnet haben, die aber nun doch nicht fertig wurden oder abgelehnt wurden. Der Bogen spannt sich hier von Jim Jarmuschs "Father Mother Sister Brother" und "Resurrection" des Chinesen Bi Gan über Park Chan-Wooks "No Other Choice" und Laszlo Nemes´ "Orphan" bis zu Markus Schleinzers "Rose", Terrence Malicks Jesus-Film "The Way of the Wind" und Lynne Ramsays "Die, My Love".


Interessant ist aber auch, dass Fatih Akins "Amrun" ebenso wie "The Disappearance of Josef Mengele" von Kirill Serebrennikov, dessen letzten Filme im Wettbewerb liefen, ebenso wie Sebastián Lelios "The Wave" nicht im Wettbewerb, sondern in der Sektion "Cannes Premiere" laufen.


Gespannt sein darf man aber auch in der Sektion "Special Screenings" auf den Animationsfilm "A Magnificent Life", in dem Sylvain Chomet das Leben des französischen Schriftstellers, Dramatikers und Regisseurs Marcel Pagnol nachzeichnet, sowie Andrew Dominiks Dokumentarfilm "Bono: Stories of Surrender", in dem der Musiker Bono Einblick in sein Leben und die Karriere der Band "U2" bietet.


Entdeckungen wird man aber auch in der Sektion "Un certain regard" machen können, die erste und zweite Filme wie mit "Eleanor the Great" und "Urchin" die Regiedebüts der Schauspieler:innen Scarlett Johansson und Harris Dickinson präsentiert, und einige große Namen werden noch dazukommen, wenn demnächst das Programm der Sektion "Quinzaine des cinéastes" bekanntgegeben wird.

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