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  • AutorenbildWalter Gasperi

Fritz Lang: Die Comic-Biografie


Arnaud Delalande und Éric Liberge zeichnen in ihrer Graphic Novel bildmächtig den künstlerischen Aufstieg Fritz Langs in den 1920er Jahre nach und betten diesen in den Aufstieg der NSDAP ein. – Eine gleichermaßen visuell aufregende wie informative Lektüre.


Der deutsche Titel von Arnaud Delalandes und Éric Liberges Graphic Novel führt in die Irre, denn die beiden Franzosen zeichnen nicht Fritz Langs ganzes Leben und Karriere nach, sondern beschränken sich auf die Zeit der Weimarer Republik und lassen ihr Buch mit Langs Emigration in die USA 1933 enden.


Treffender ist da schon der originale Untertitel "le maudit" ("Der Verdammte"), denn durch die 100 Seiten ziehen sich Langs Schuldgefühle wegen des Selbstmordes oder tödlichen Unfalls seiner Frau im Jahr 1920. Dieses tragische Ereignis steht auch am Beginn und mit einem Paukenschlag setzt die Graphic Novel ein, wenn Lisa Rosenthal ihren Mann Fritz Lang mit seiner Geliebten Thea von Harbou in flagranti erwischt und anschließend zur Pistole greift und sich versehentlich oder gezielt tötet.


Nicht nur in Albträumen quält dieses traumatische Erlebnis den Regisseur immer wieder, sondern Delalande / Liberge lassen ihn auch einen (fiktiven) Kommissar quer durch das Buch immer wieder heimsuchen und zu diesem Fall befragen. Leichthändig kann mit diesem Verhör auch gleich zu Beginn von 1920 schlaglichtartig auf die familiäre Sozialisation Langs in Wien zurückgeblickt werden.


Bruchlos geht die Graphic Novel von dort ins Paris des Jahres 1913 über, wo Lang sich einerseits als Maler versuchte, andererseits bei Louis Feuillades "Fantomas" auch seine Berufung fürs Kino entdeckte. Gleichzeitig legt das Buch auch nahe, dass dieses Filmerlebnis Langs Faible für Krimis und Mehrteiler beeinflusste.


Parallel zur Biographie Langs, der nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Österreich zurückkehrte und als Soldat an der Ostfront Kriegsdienst leistete, wird die gleichzeitige Entwicklung Thea von Harbous zur (Drehbuch)-Autorin geschildert. Auch eine Erklärung für Langs Monokel wird hier mit einer Kriegsverletzung geliefert.


Vom Drehbuchautor für Joe May über die Begegnung mit dem Produzenten Erich Pommer bis zum (verlorenen) Regiedebüt "Halblut" (1919) und dem Zweiteiler "Die Spinnen" (1919) spannen die Autoren hier den Bogen. Gleichzeitig bieten sie Einblick in Thea von Harbous Ehe mit dem Schauspieler Rudolf Klein-Rogge und ihrer sich entwickelnden Affäre mit Lang, den sie 1922 heiratete.


Geschickt verzahnt entwickelt sich in der Folge die Darstellung auf drei Ebenen weiter. Einerseits wird Einblick in die Ehe von Lang und von Harbou geboten, andererseits wird ausführlich ihre künstlerische Entwicklung geschildert und drittens kommt auch der geschichtliche Hintergrund mit dem Aufstieg der NSDAP von Hitlers Marsch auf die Münchner Feldherrenhalle im November 1923 über Festungshaft in Landsberg und Entstehung von "Mein Kampf" bis zur Ernennung zum Reichskanzler (30.1. 1933) und dem Reichstagsbrand (27.2. 1933) nicht zu kurz.


Eindrücklich wird nicht nur herausgearbeitet, wie sich in Langs Zweiteiler "Dr. Mabuse" (1922) die Zeitstimmung spiegelte, sondern auch die Nähe der monumentalen "Die Nibelungen" (1924) zu nationalsozialistischem Gedankengut. Schlüssig wird auch mit einer USA-Reise Langs und den Wolkenkratzern von New York eine wesentliche Inspirationsquelle für "Metropolis" (1927) vorgestellt, dessen ausufernde und das Budget weit überschreitende Dreharbeiten ausführlich geschildert werden.


Geschickt werden auch kurz andere Filmgrößen eingebaut, wenn Hitchcock am Set von "Die Nibelungen" (S. 62) vorbeischaut, Lang in den USA Ernst Lubitsch begegnet und beiläufig erwähnt wird, dass sich Raoul Walsh bei "Der Dieb von Bagdad" von "Der müde Tod" (1921) beeinflussen ließ (S. 67) , oder Eisenstein "Metropolis" kommentiert (S. 77).


Auch die heftige Kritik an diesem Science-Fiction-Film und das kommerzielle Desaster, das Lang zur Gründung einer eigenen, aber recht kurzlebigen Produktionsfirma veranlasste, wird nicht ausgespart.


Wird "Spione" (1928) eher kurz gestreift, so wird die aufwändige Produktion von "Frau im Mond" (1929) ebenso ausführlich behandelt wie der meisterhafte Krimi "M" und die Kritik an Hitler in "Das Testament des Dr. Mabuse" (1932). Schlüssig wird auch die Zerrüttung der Beziehung von Lang und von Harbou mit ihrer zunehmenden Begeisterung für den Nationalsozialismus erklärt, die in Opposition zu Langs wachsender Distanzierung stand: Aber auch eine Affäre Langs als Motiv für die Differenzen wird nicht verschwiegen.


Diese Graphic Novel, die mit der Abreise Langs in die USA am Tag, nachdem ihm Propagandaminister Joseph Goebbels die Leitung der NS-Filmabteilung angeboten hatte, endet, überzeugt aber nicht nur durch seine inhaltliche Vielschichtigkeit, sondern auch durch seine visuell aufregende Gestaltung. Eindrücklich beschwören die vorwiegend dunklen Bilder die Stimmung der Weimarer Republik, genau getroffen sind die historischen Figuren und hervorragend werden nicht nur einzelne legendäre Filmbilder, sondern auch historische Momente nachgestellt.


So bietet "Fritz Lang – Die Comic Biografie" einerseits großen Lesegenuss, besticht andererseits aber auch durch die spannenden Einblicke in Fritz Langs Leben und Schaffen sowie die zeitgeschichtlichen Hintergründe. – Wünschen würde man sich freilich eine Fortsetzung zum Verlauf der weiteren Karriere dieses Regisseurs in den USA, doch diese scheint nicht geplant zu sein. Aber zu diesem Thema gibt es ja ganz frisch Robert Zions Buch "Fritz Lang in Amerika", das demnächst hier vorgestellt wird.



Arnaud Delalande / Éric Liberge, Fritz Lang – Die Comic-Biografie, Knesebeck Verlag, München 2023, 112 S. € 25, 978-3-95728-700-7

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