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  • AutorenbildWalter Gasperi

Horizon

Ein Western, der alle Western in sich vereinen soll: In seiner auf vier dreistündige Filme angelegten Saga will Kevin Costner in multiperspektivischer Erzählweise einen Überblick über die Eroberung des amerikanischen Westens bieten, doch der Oscar-Preisträger kommt zumindest im ersten Teil nicht über ein Recycling bekannter Themen und Figuren hinaus.


Mit "Der mit dem Wolf tanzt" landete Kevin Costner 1991 einen Welterfolg, doch dann folgten mit "Waterworld" (1995) und "Postman" (1997) Flops, ehe ihm mit dem Western "Open Range – Weites Land" (2003) zumindest wieder ein Achtungserfolg gelang.


20 Jahre zog sich der Star danach von der Regie zurück, blieb aber seiner Liebe zum Western mit seiner Hauptrolle in Taylor Sheridans sehr erfolgreicher, aber umstrittener TV-Serie "Yellowstone" (ab 2017) treu. Mit 69 holt er nun nochmals groß aus.


Mit einem Projekt, das er in den Grundzügen schon 1988 geplant hat, will er in vier Filmen von je drei Stunden im Stil des 1962 entstandenen "How the West Was Won" ("Das war der Wilde Westen", 1962) ein sich über 30 Jahre spannendes Panorama der Eroberung des amerikanischen Westens zeichnen. Der zweite Teil soll im November in die Kinos kommen, Teil drei wird gedreht und Teil vier soll 2025 folgen.


Die Handlung setzt 1859 an einem Fluss in den fantastischen Weiten des sandsteinbraunen Südwestens der USA mit wenigen Siedlern ein, die hier das Dorf Horizon errichten wollen. Anzunehmen ist damit, dass die verschiedenen Handlungsstränge in den folgenden Teilen hier zusammenlaufen werden, wird doch im Laufe des Films auch immer wieder für diese neue Siedlung mit Flugblättern Werbung gemacht.


Doch zunächst werden die Siedler von Native Americans getötet und nur drei Kreuze bleiben zurück. Vier Jahre später wird aber eine größere Zeltsiedlung errichtet, doch wieder besiegelt ein Überfall der Native Americans deren Schicksal. Nicht nur durch Perspektivenwechsel lässt Costner dabei den Native Americans Gerechtigkeit zukommen, sondern auch indem er den ersten Teil spiegelbildlich zum Überfall der Native Americans am Beginn mit einem Massaker weißer Skalpjäger an indigenen Jugendlichen und Frauen enden lässt.


Dennoch wirkt "Horizon" in dieser Schilderung weißer und indigener Massaker konservativ, wenn nicht gar reaktionär. Denn damit wird der Eindruck erweckt, dass beide Seiten gleichermaßen gewalttätig waren, obwohl doch nicht erst seit Ralph Nelsons "Soldier Blue" ("Das Wiegenlied vom Totschlag", 1970) klar ist, dass die Weißen die Aggressoren und Eroberer waren und die Native Americans die großen Opfer dieser Expansion der Neuankömmlinge.


Von diesem im Südwesten der USA spielenden Handlungsstrang springt Costner immer wieder zu einem winterlichen Bergbaustädtchen in Wyoming, in dem sich ein einsamer Pferdehändler (Kevin Costner) um eine junge Prostituierte (Abbey Lee) zu kümmern beginnt, sich aber auch mit einer rachsüchtigen und schießwütigen Familie herumschlagen muss, während parallel dazu ein höchst inhomogener Treck durch die weite Prärie zieht.


Zerrissen wirkt "Horizon" im permanenten Wechsel zwischen den verschiedenen Erzählsträngen, nicht wirklich näher kommt man so den Figuren. Zweifellos großartig versteht es Costner zwar mehrfach Spannung aufzubauen, wenn er beispielweise ahnen lässt, dass die Begegnung des Pferdehändlers mit einem schießwütigen jungen Mann in einem Duell enden wird, er dieses aber lange hinauszögert, oder eine Begegnung zwischen Sklapjägern und einem Native American sich langsam hochschaukelt und zu eskalieren droht. Doch letztlich kommt der Film nie über ein Recycling von klassischen Figuren und Motiven hinaus.


Da spürt man das Vorbild der Filme John Fords, wenn die Kavallerie im Südwesten die Siedler beschützt, der Treck steht in der Tradition von Raoul Walshs "The Big Trail" (1930), John Fords "Wagonmaster" ("Westlich St. Louis", 1951) und William A. Wellmans "Westward the Women" ("Karawane der Frauen", 1951), die brodelnde Viehherde im Treck erinnert an Howard Hawks´ "Red River" (1948) und zahlreiche Vorbilder gibt es für den einsamen Westerner und die gewalttätige Familie, während die Zeichnung des schmutzigen und winterlich kalten Bergbaustädtchens von Robert Altmans "McCabe und Mrs. Miller" (1971) inspiriert sein dürfte.


Überall findet man auch klassische – oder auch klischeehafte - Figuren und Konstellationen, aber kaum etwas Neues. Da verliebt sich eine verwitwete Siedlerin (Sienna Miller) in einen Offizier (Sam Worthington), ihre Tochter in einen jungen Soldaten, im Treck gibt es neben dem erfahrenen Anführer nicht nur zwei raue Typen, sondern auch ein affektiertes Paar aus dem Osten, das (noch) nicht gelernt auch zuzugreifen und mitzuhelfen, und im Bergbaustädtchen gibt es das klassische Personal mit Hotelbesitzerin und Händler.


Neu sind einzig die Aufwertung der Frauenrollen und dass gegen Ende mit dem Eisenbahnbau, der aber ebenso wie der zeitgleich tobende Bürgerkrieg nur angeschnitten wird, auch eine chinesische Community ins Spiel kommt, die auch Richtung Horizon aufbrechen will.


Großartig sind zweifellos die Landschaftstotalen der sonnendurchfluteten rotbraunen Sandsteinlandschaft des Südwestens und der weiten Prärie und dicht evoziert Costner die triste Atmosphäre im winterlich verschneiten und verdreckten Bergbaustädtchen. Doch auch hier geht der Film nie über Bekanntes hinaus, weckt nur Erinnerungen an Fords Blick auf das Monument Valley und düstere Schnee-Western wie André de Toths "Day of the Outlaw" ("Tag der Gesetzlosen", 1959).


Zudem wird durch den häufigen Wechsel zwischen den einzelnen Erzählsträngen jeder durchgängige Spannungsaufbau durchbrochen. Wie eine Exposition wirkt so dieser dreistündige erste Teil, in dem vorwiegend die Figuren und ihre Situation vorgestellt werden sollen, die dann in den nächsten Teilen, die mit einer langen Montagesequenz am Ende schon vorbereitet und eingeleitet werden, mehr Profil gewinnen sollen.


Schwer vorstellbar ist freilich, dass Costner mit seiner altbackenen Erzählweise, die keine modernen Ansätze erkennen lässt, mit diesen 180 Minuten so großes Interesse weckt, dass das Publikum auch wirklich der Fortsetzung entgegenfiebert. Wahrscheinlicher scheint, dass viele nach diesem Auftakt diese Saga auch schon wieder ad acta legen und auf die folgenden Filme verzichten.


 

Horizon USA 2024 Regie: Kevin Costner mit: Kevin Costner, Luke Wilson, Sam Worthington, Jena Malone, Sienna Miller, Giovanni Ribisi, Jamie Campbell Bower, Owen Crow Shoe Länge: 182 min.



Läuft derzeit in den deutschen und österreichischen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn und im Kino GUK in Feldkirch.


Trailer zu "Horizon"



 

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