Der beste Urlaub aller Zeiten soll der Kreta-Trip von drei 16-jährigen Britinnen werden: Eine Woche lang soll es nur um Party, Saufen und Sex gehen – doch in die Feierstimmung mischen sich schließlich auch Enttäuschung, Schmerz und Trauer. - Molly Manning Walker zeichnet in ihrem Langfilmdebüt ein mitreißendes Porträt einer Generation und lotet hinter der Genusssucht die Lust nach echten Gefühlen ebenso wie Gruppendruck und die teils fließenden Grenzen zwischen Freiwilligkeit und Übergriffigkeit aus.
Während noch Schwarzfilm läuft, kündigen schon Flugzeugdurchsagen die Ankunft in Heraklion, Kreta an. Nach ihrer Abschlussprüfung wollen die drei 16-jährigen Britinnen Skye (Lara Peake), Em (Enva Lewis) und Tara (Mia McKenna-Bruce) hier die Sau richtig rauslassen. Der beste Urlaub aller Zeiten soll es für die drei besten Freundinnen werden und Tara will in dieser Woche auch ihre Jungfräulichkeit verlieren.
Sie sind freilich nicht die einzigen, die auf die Mittelmeerinsel zum Feiern gekommen sind. Zahllose gleichgesinnte Teenager und junge Erwachsene tummeln sich hier im Hotel-Pool, in den Discos und Bars. Mitreißend beschwört Molly Manning Walker mit dynamischem Schnitt und beweglich und nah geführter Handkamera von Nicolas Canniccioni die Energie, die Genusssucht, aber auch die Hektik dieses Partylebens.
Dazu kommen die ständig zu hörende, treibende Disco-Musik und die ebenso knappen wie grell leuchtenden Outfits. Aber auch die wechselnden Aktivitäten sorgen für Dynamik. Vom Vorglühen im Hotelzimmer geht es zu sexualisierten Trinkspielen am Pool, bei denen die Animateure die Stimmung anheizen, und weiter in überfüllte Bars und auf in Stroboskoplicht getauchte Tanzflächen.
Frühmorgens quält sich das Trio zwar schwer betrunken über die leeren Straßen zurück in die Hotelanlage, doch nach kurzem Abliegen geht es bald weiter mit den nächsten Shots. Bald knüpft man vom hässlichen Hotelbalkon aus auch Kontakt zu ein paar britischen Jungs am nächsten Balkon. Gemeinsam wird nun gefeiert und vor allem der blonde Badger (Shaun Thomas) scheint ein Auge auf Tara zu werfen.
Kaum einen Moment der Ruhe gibt es in dieser ersten Hälfte des Films. Unterstützt von ungemein authentischen Hauptdarsteller:innen und einem bestechenden Blick für dieses Milieus, in der Walkers eigene Erfahrungen spürbar sind, zeichnet die 30-jährige Britin, die zuvor als Kamerafrau arbeitete, ein atmosphärisch dichtes und mitreißendes Bild der rein hedonistischen Urlaubswelt.
Hier gibt es keine Distanz, sondern mittendrin ist man im Geschehen. Nie wird auch ein größerer Überblick geboten, sondern ganz auf die Hotelanlagen und Discos konzentriert sich "How to Have Sex" und zeichnet nicht nur mit der von Bars, Fastfood-Restaurants und Clubs gesäumten Straße, die jeden Morgen mit Müll übersät ist, ein tristes Bild dieses scheinbaren Ferienparadieses.
Stehen zunächst die drei Freundinnen gleichberechtigt nebeneinander, rückt sukzessive Tara stärker in den Fokus. Eindrücklich vermittelt Mia McKenna-Bruce die Unsicherheit dieses Teenagers, deren Verlangen nach dem ersten Sex mehr aus dem Gruppendruck als aus eigenem Antrieb zu resultieren scheint.
Wenn sie dann am Strand mit Badgers bestem Freund Paddy (Samuel Bottomley) ihr erstes Mal erlebt, ist das alles andere als ein lustvolles Erlebnis. Sie murmelt zwar ein "Ja", doch lässt sie es mehr über sich ergehen als Genuss daran zu empfinden. Von der Partylaune ist danach nichts mehr bei ihr zu spüren. Sie fühlt sich von Paddy, der sie danach allein zurücklässt und sie kaum noch beachtet, ausgenützt, und will über das Erlebnis nicht sprechen. Vielmehr zieht sie sich zurück und ist immer wieder den Tränen nahe.
Spürbar wird in diesen ruhigen Momenten die Sehnsucht nach echten und tieferen Gefühlen. Diese bringt dann gerade der scheinbar so coole Badger auf, wenn er Tara Raum zum Schweigen lässt und ruhig neben ihr sitzt und sie später sanft in ihr Bett trägt, sich dann aber zurückzieht.
Der männlichen Perspektive eines Harmony Korine in "Spring Breakers" stellt Walker die weibliche Perspektive gegenüber und lotet intensiv die Gefühle vor allem Taras aus. Vielschichtig arbeitet sie auch heraus, wie hier das Verhalten immer wieder vom Gruppendruck bestimmt ist, vom Wunsch unbedingt dazuzugehören und auch als cool und erfahren zu gelten und wie fließend die Grenzen von Freiwilligkeit und Übergriffigkeit beim Sex sein können. - Ein starkes Debüt, das das hedonistische Urlaubs- und Partyleben in einem anderen Licht sehen lässt.
How to Have Sex Großbritannien / Griechenland 2023 Regie: Molly Manning Walker mit: Mia McKenna-Bruce, Samuel Bottomley, Lara Peake, Daisy Jelley, Shaun Thomas, Enva Lewis, Laura Ambler Länge: 91 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Skino Schaan
Trailer zu "How to Have Sex"
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