Eine erfolgreiche Wirtschaftsanwältin wird aus der Bahn geworfen, als ein junger illegaler Immigrant bei einem Unfall ums Leben kommt. – Elegant und rund inszeniert, stark gespielter Mix aus Frauenporträt, Liebesfilm und Thriller, in den Silvio Soldini aber zu viel hineinpackt.
Als Spezialist für feinfühlige Frauenporträts hat sich der italienisch-schweizerische Doppelbürger Silvio Soldini mit Filmen wie "Pane e tulipane" ("Brot und Tulpen", 2000) und "Cosa voglio di piu" ("Was will ich mehr", 2010) erwiesen. Ein starkes Sozialdrama gelang ihm 2007 mit "Giorni e nuvole" ("Tage und Wolken"), in dem er vom Abrutschen eines Mittelschicht-Paares in Arbeitslosigkeit und soziale Deklassierung erzählte.
In "Il Giardino del Re" verbindet er nun ein Frauenporträt mit einer starken sozialen Thematik. Im Zentrum steht die erfolgreiche Mailänder Wirtschaftsanwältin Camilla (Kasia Smutniak). In den kühlen Bildern der von Grautönen bestimmten Bürowelt und ihrer ebenso modernen wie sterilen Wohnung spiegelt sich treffend die Emotionslosigkeit dieser toughen Mittvierzigerin. Ganz für den Beruf lebt die geschiedene Mutter, Gefühle erlaubt sie sich keine, auch für ihre 19-jährige Tochter hat sie kaum Zeit - und auch früher wohl kaum Zeit gehabt.
Aus der Bahn gerät ihr Leben, als sie in einer Regennacht von einem Motorroller angefahren wird. Sie kommt zwar mit einer leichten Verletzung davon, doch der Beifahrer des Rollers stirbt. Als sie deswegen von der Polizei kontaktiert wird und erfährt, dass es sich um einen nicht identifizierbaren, wohl arabischstämmigen illegalen Immigranten handelt, versucht sie Näheres über das Unfallopfer zu erfahren.
Unterstützung erhält sie dabei vom Leiter des Leichenschauhauses (Francesco Colella). Ziemlich schematisch lässt Soldini damit zwei Lebenswelten aufeinanderprallen, stellt der kühlen Camilla den gefühlvollen Bruno gegenüber, ihrer modernen Wohnung seine eher chaotische und ihrer schwierigen Beziehung zu ihrer Tochter Brunos harmonische zu seiner Tochter.
Nicht genug damit weckt der Tod des Unbekannten, aber auch ein Tagebuchstudium der Tochter bei Camilla Erinnerungen an eine mehr als zwei Jahrzehnte zurückliegende traumatische Familientragödie. Neben den neuen Schuldgefühlen werden damit bei Camilla auch alte, lange verdrängte Schuldgefühle wieder wach, während sie gleichzeitig Brunos Lebensstil zu einem Überdenken ihres eigenen Lebens bewegt.
Flüssig und rund ist das inszeniert, auch visuell sorgfältig gestaltet. Ein Rädchen greift perfekt ins andere und zügig wird die Handlung vorangetrieben. Auch schauspielerisch gibt es nichts auszusetzen, auch wenn Kasia Smutniak mit ihrem kühlen Spiel die Zuschauer*innen auf Distanz hält und nicht wirklich mit Camilla mitfühlen lässt.
Problem dieses Mix aus Frauenporträt, Liebesfilm und Thriller ist aber, dass Soldini einfach zu viel will. Ganz an der Oberfläche bleibt "Il Giardino del Re" so in der Schilderung der Mailänder Unternehmenswelt, die nie plastisch greifbar wird, und reines Phantom bleibt die Welt der illegalen Immigranten. Mag Letzteres angesichts der Perspektive Camillas durchaus noch logisch und überzeugend sein, so wirkt die Kontrastierung von Camilla und Bruno, durch den sie schließlich erkennen wird, dass es im Leben auch noch andere Werte als Arbeit gibt, doch aufgesetzt.
Dass dann auch noch die Probleme in der Beziehung mit der Tochter und ein familiäres Trauma dazukommen, sorgt für eine Überfülle, bei der vieles angetippt, aber nichts vertieft wird. So entwickelt Soldinis Film trotz aller formalen Qualitäten letztlich kaum Nachdruck und nur wenig bleibt haften.
Il Giardino del Re Italien / Schweiz 2021 Regie: Silvio Soldini mit: Kasia Smutniak, Francesco Colella, Caterina Forza, Paolo Mazzarelli, Martina de Santis, Antonio Zavatteri Länge: 120 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino in Schaan.
Trailer zu "Il Giardino del Re"
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