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AutorenbildWalter Gasperi

In the Heights


Jon M. Chu zeichnet in seiner Verfilmung von Lin-Manuel Mirandas Musical ein mitreißendes Bild vom Leben in einem hispanischen Viertel von New York, erzählt aber auch von Träumen und Liebe, von Gentrifizierung und Arbeitsmigration.


International bekannt wurde der puerto-ricanisch stämmige US-Schauspieler, Komponist, Songwriter und Rapper Lin-Manuel Miranda mit seinem 2015 uraufgeführten Musical "Hamilton", das sich zu einem Welterfolg entwickelte. Aufsehen erregte aber schon sein 1999 in einer ersten Version und 2007 in seiner gültigen Fassung erschienenes Musical "In the Heights", in dem Miranda vom Leben und den Träumen in dem vor allem von Hispanics bewohnten New Yorker Viertel Washington Heights erzählt.


Mit John M. Chu, der zuletzt in "Crazy Rich" mit viel Schwung von einer unermesslich reichen Singapurer Familie erzählte, wurde ein kongenialer Regisseur für die Verfilmung gefunden. Wie in dieser romantischen Komödie bleiben auch in "In the Heights" die Weißen außen vor und der Fokus liegt ganz auf den in dem New Yorker Barrio lebenden Migranten aus der Dominikanischen Republik, Puerto Rico, Kuba und Mexiko.


"Suenitos" ist das Schlüsselwort für das Musical, denn im Zentrum stehen die kleinen Träume der Migranten. Zusammengehalten wird der Film durch den jungen Usnavi – sein seltsamer Name wird im Laufe des Films erklärt -, der einigen Kindern seine Geschichte erzählt und dabei ein dichtes und mitreißendes Porträt des Lebens im Viertel zeichnet. Schon der Auftaktsong "In the Heights" entwickelt dabei mit Verzögerungen und Rhythmuswechsel pulsierenden Drive.


Spielerisch leicht gehen Dialoge in Gesangsnummern über, Rap und lateinamerikanische Musikstile werden gemischt, ruhige Duette wechseln immer wieder mit spektakulären Massenszenen wie einem Wasserballett, das an die Esther-Williams-Filme der 1940er Jahre erinnert, einer Discoszene oder einem Moment, in dem die Besitzerin eines Beauty-Salons mit ihrem Song die BewohnerInnen aus der Lethargie weckt und Partystimmung erzeugt.


Im Zentrum steht zwar der Traum Usnavis, der in Washington Heights mit seinem jüngeren Cousin einen kleinen Gemischtwarenladen führt, von der Wiedereröffnung der väterlichen Strandbar in der Dominikanischen Republik und seine stille Liebe zur Maniküre Vanessa, aber auch den anderen BewohnerInnen des Viertels wird viel Platz eingeräumt. Da gibt es den Eis- und Wasserverkäufer, der von einem reicheren Konkurrenten verdrängt zu werden droht, ebenso wie die Betreiberinnen eines Beauty-Salons, ein Vater, der sein Geschäft verkauft, um seiner Tochter ein Studium zu ermöglichen, oder eine alte Kubanerin, deren Träume vom Glück in den USA sich nicht erfüllt haben, die sich aber für alle NachbarInnen einsetzt.


Mit seiner Fülle zeichnet "In the Heights" nicht nur ein pralles Bild vom Leben in diesem Viertel, sondern auch von Arbeitsmigration, Gentrifizierung und im Blick auf die Studentin Nina, die von ihren Erfahrungen der Diskriminierung an der Eliteuniversität Stanford erzählt, auch von amerikanischem Alltagsrassismus. Auch soziale Benachteiligung wird angeprangert, wenn gezeigt wird, wie die Maniküre Vanessa beim Versuch eine Karriere als Modedesignerin zu starten, behindert wird.


Dem amerikanischen Traum vom Aufstieg und vom großen Geld, der mit dem Kauf von Losen verbunden ist, stellen Miranda und Chu dabei die Suche nach innerer Heimat und Identität gegenüber. Wie die koreanische Familie in Lee Isaac Chungs "Minari" müssen auch die ProtagonistInnen von "In the Heights" ihren Platz in dieser Welt erst finden.


Authentisch und kraftvoll beschwören Miranda und Chu, unterstützt von einem lustvoll aufspielenden, unverbrauchten Ensemble, die Lebensfreude und Vitalität, doch Herzstück dieses Films sind zweifellos die großartigen Songs und Tanznummern. Hier entwickelt "In the Heights" dank des ebenso dynamischen wie punktgenauen Schnitts von Myron Kerstein einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann, aber auch bittersüße und berührende leise Momente fehlen nicht. Kaum vorwerfen kann man einem Musical, das mit seinem Schwung und seinen prallen farbenprächtigen Bildern und Figuren gute Laune verbreiten will, dass die angeschnittenen sozialen Probleme nicht wirklich scharf ausgelotet werden, vielmehr sollte man positiv sehen, dass diese immerhin angerissen werden.


Läuft derzeit in den Kinos (z.B. im Cineplexx Hohenems)


Trailer zu "In the Heights"




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