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AutorenbildWalter Gasperi

Iniciales S. G.


Einst war Sergio Garcés zumindest als Pornodarsteller eine Größe, aber der Traum vom großen Ruhm rückt mit Mitte 50 immer mehr in die Ferne. – Rania Attieh und Daniel García folgen in ihrer melancholischen und von schwarzem Humor durchzogenen Tragikomödie konsequent den Wegen dieses argentinischen Underdogs, dem das Leben immer mehr entgleitet.


Der Off-Erzähler, der sich immer wieder kommentierend zu Wort meldet, stimmt schon ein auf "die Geschichte eines Mannes, der immer nur Statist in seinem Leben war". Begeistert feiern Sergio Gracés (Diego Peretti), den seine Freunde "Franzmann" nennen, weil er vor Jahren Songs von Serge Gainsbourg auf Spanisch sang, in Buenos Aires den Kantersieg Deutschlands über den argentinischen Erzfeind Brasilien im Halbfinale der Fußball WM 2014.


Ganz im Gegensatz zu seinem Idol hat Sergio aber nie den großen Durchbruch geschafft. Nur die Initialen S.G. verbinden ihn mit dem französischen Chansonnier. Als Darsteller in Pornofilmen war er früher immerhin geschätzt, erhielt den Spitznamen "Terminator", weil er wie eine Maschine seine körperlich fordernden Auftritte absolvierte, jetzt kann man ihn aber meist nur noch als Statist gebrauchen. Auch hier vermasselt er aber eine Szene, wenn er als Leiche in einem schmutzigen See sich während des Drehs bewegt.


In den Statistenrollen und in der Verkörperung eines Toten kann man auch einen Verweis auf Sergios Befindlichkeit sehen: Ein Statist ist er im eigenen Leben und lebendig schon tot.

Beschwingt mag er nach der 1:7 Niederlage Brasiliens noch mit einer Coverversion eines Chansons von Gainsbourg im Ohr mit dem Fahrrad durch die nächtlichen Straßen nach Hause fahren, doch abrupt stoppt ihn eine sich öffnende Autotür. Die daraus resultierende gebrochene Nase und das zerschundene Gesicht sind wiederum physische Folgen, die mit seiner angeschlagenen psychischen Verfassung korrespondieren.


Kein sympathischer Charakter ist dieser Sergio, sondern ein echter Antiheld. Seine ganze Leidenschaft gilt der argentinischen Fußballnationalmannschaft, sein persönliches Schicksal sieht er untrennbar mit dem von Messi und Co. verbunden. Nur wenige soziale Kontakte scheint er zu pflegen, holt sich zu Hause bei einem Porno einen runter, raucht ständig Gras und wird dazu noch vom Gericht zu Sozialdienst und Besuch einen Psychologen verdonnert, weil er in Wut jemanden verprügelt hat.


Auch mit den Jobs im Pornogeschäft scheint es vorüber, als der Mittfünfziger beim Dreh einer Sexszene aufgrund seiner lädierten Nase Blut auf seine Partnerin tropft. Bei einem kleinen Filmfestival lernt er zwar die Amerikanerin Jane (Julianne Nicholson) kennen, deren Name auf Gainsbourgs Partnerin Jane Birkin verweist. Sie ist an Sergio interessiert, er aber erklärt, dass sie nicht sein Typ sei, lässt sie mehrmals einfach stehen, beginnt dann aber doch eine Affäre mit ihr. Jane wird aber auch zu ihm halten, als sein Leben nach einem dramatischen Zwischenfall im Lift seines Wohnblocks endgültig den Bach runter geht und "Iniciales S.G." schließlich geschickt den Bogen zum Anfang schlägt.


Auf Schritt und Tritt folgen Rania Attieh und Daniel Garcia in ihrem vierten gemeinsamen Spielfilm ihrem in jeder Szene präsenten und von Diego Peretti stark gespielten Protagonisten. Outfit, physische Lädierung, aber auch Ausstattung, die vielen Nachtbilder und die schmuddelige Pornobranche tragen wesentlich zum dichten Bild dieses Loosers bei. Lächerlich wirkt dieser Sergio, ist ein armes Würstchen oder auch ein Arschloch, wie er in der spanischen Variante von Gainsbourgs "Requiem pour un con" singt. Aber er ist in seinem Streben nach Ruhm und im Scheitern aller seiner Bemühungen auch eine tragische Figur.


Entspannt folgen Attieh und Garcia seinen Wegen, evozieren mit Chansons von Gainsbourg und schwermütigem Jazz eine tiefmelancholische Stimmung und wechseln fließend zwischen skurrilen Szenen, schwarzem Humor und Thriller. – Wirklich mögen wird man diesen Sergio kaum, entwickelt aber doch zunehmend Mitgefühl, folgt ihm nicht zuletzt aufgrund der vielen Wendungen interessiert und wird ihn wohl auch, wie der Erzähler schon am Anfang erklärte, nicht so schnell vergessen.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos - z.B. Kinok St. Gallen


Trailer zu "Iniciales S.G."



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